Schreibtipp: Zum Thema Humor und Charaktere

In letzter Zeit wurde ich des Öfteren nach Schreibtipps gefragt bzw. habe mit anderen darüber diskutiert. Bisher habe ich mich dahingehend hier etwas zurückgehalten, weil ich nicht weiß, wie viele das wirklich interessiert. Dennoch wollte ich etwas loswerden, da es um „mein“ Genre, Humor, geht.

Gestern diskutierten wir in kleiner Gruppe darüber, weil ein Bekannter von mir eine Komödie schreiben soll. (Er ist Drehbuchautor.) Er ist nicht … ähm, wie drücke ich das aus … unbedingt der lustigste Typ. Nicht, dass er keinen Humor hat, aber humorvolles Schreiben ist vielleicht nicht seine Berufung.
Er fragte, wie man das am besten angeht. Und was ich ihm sagte, ist auch das, was ich gerne anderen Autoren / Autorinnen auf den Weg geben möchte:

Humor heißt nicht, dass die Figur andauernd Witze machen muss. Humor heißt nicht, dass die Figur tollpatschig sein muss. Humor heißt nicht, dass der Figur andauernd etwas Lustiges passiert.
Um humorvoll zu schreiben, muss man sich vor allem seine Figuren anschauen, denn der Humor kommt aus ihnen. Was ist ihre Weltanschauung? Was ist ihr Beruf? Wie ist die generelle Einstellung? Wie sind die Umstände?

Ein des Lebens überdrüssiger Bäcker macht andere Witze, als ein lebensfroher Totengräber. Und diese Witze sind nicht(!) austauschbar! Natürlich kann man Figuren Witze erzählen lassen, aber der wirkliche Humor ergibt sich aus den Charakteren. Anders gesagt: Die Gags, die in „Ghostbusters“ funktionieren, funktionieren nicht in „Der Prinz aus Zamunda“ und umgekehrt. (An der Stelle gerne beliebige Filme, Bücher, Serien, Hörspiele, wasweißich einsetzen.)

Ein des Lebens überdrüssiger Bäcker reagiert auf Fragen anders, als ein lebensfroher Totengräber. Auf die Frage „Und, wie geht’s dir?“, zeigt der Bäcker vielleicht einfach auf die Tonne mit den am Ende des Tages weggeworfenen Teigwaren. Der Totengräber hingegen weist vielleicht darauf hin, dass der Tag sonnig und er an der frischen Luft ist und die Leichen ordentlich rutschen. Das sind jetzt vielleicht nicht die besten Gags, aber sie sind spezifisch und deswegen nicht beliebig.

Findet den Humor in den Charakteren.

Manche Charaktere sind schlagfertig, manche nicht. Wenn einer erst nach 15 Minuten auf eine Beleidigung reagiert, kann (muss aber nicht) das lustig sein.
Manche Charaktere sind gar nicht lustig. Das kann brüllend komisch sein.
Manche Charaktere können am laufen Band Witze erzählen und sind dabei einfach nur nervig und gar nicht witzig.

Ganz wichtig:
Der Charakter, über den du schreibst, ist nicht du.
Sicher, manche Charaktere mögen sich nach dir anhören – davon kann ich sicherlich ein Lied singen – aber der Stil hat nur bedingt was mit dem Humor der Charaktere zu tun. Obwohl Martin, Jonas und Mephy durchaus Ähnlichkeiten untereinander und mit mir haben, sind sie doch ganz unterschiedlich. Einer von Mephys Charakterzügen ist beispielsweise, dass er – der Teufel – halt gerne Leute quält bzw. piesackt. Wer „Dicker Teufel umständehalber in liebevolle Hände abzugeben“ gelesen hat, weiß, was ich meine. Martin oder Jonas würden so etwas nie tun. Und deswegen sind die Gags, die sich in dem Buch finden, eben nicht mit den anderen Büchern austauschbar.

Schaut auf die Charaktere. Ihre Ansichten. Ihre Umstände. Bringt sie in Schwierigkeiten. Wie reagieren sie darauf? Ein Busfahrer mit Angstneurose reagiert auf eine Entführung anders als ein masochistischer Polizist. Inwiefern kann man das gagmäßig ausschlachten?

Viel Spaß und Glück beim Schreiben!