Nazis

Ein handlicher Ratgeber zum Erkennen von Nazis in Politik und Umwelt

In der heutigen Zeit, in der Nazis in schönem Anzug daherkommen – oder in Badehose, nachdem ihnen ihre anderen Sachen gestohlen worden – ist es manchmal etwas schwierig, zu erkennen, ob ein Politiker oder Mitmensch ein Nazi ist oder nicht. Die Wenigsten stellen sich ja in SS-Uniform hin und heben den rechten Arm. Manche geben auch irgendetwas von sich und halten es für normale Konversation, dabei ist es eigentlich braune Soße, die sich aus ihren Mündern ergießt. Insofern braucht man vielleicht etwas Unterstützung, um zwischen einer normalen Person, normalen Politikern und Nazis zu unterscheiden! Da möchte ich doch ein wenig helfen, vor allem wenn man sich selbst nicht ganz sicher ist, ob es nun schon einen braunen Rand hat oder nicht. Oder wem man bei Wahlen besser sein Kreuz gibt oder nicht. Bedienen sich Menschen bestimmter Phrasen und Wörter, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um einen Nazi handeln könnte. Je mehr davon genutzt werden, umso mehr Nazi steckt drin!

  1. Nazis sind nicht gut auf Ausländer zu sprechen. Ja, ich weiß, überraschend! Wobei das im Grunde nur die Ausländer betrifft, die irgendwie anders aus sehen als »wir«. Das »Wir« in diesem Falle ist Otto-Normalarier, wie es der gute Deutsche sein sollte. Also möglichst helle Hautfarbe und hellere Haare als schwarz. Also so mittel- bis nordeuropäisch. Je weiter südlich es geht – da gibt’s ja schon wieder dunklere Haare und einen dunkleren Teint – umso problematischer wird es! Spanier, Italiener und Griechen? Da ist ja schon wieder Faulheit-Gefahr! Und vermeintliche Faulheit, auch wenn sie eingebildet ist, mag der Nazi gar nicht.
    Manche Nazis haben schon dazugelernt und nutzen nicht mehr Wörter wie »Untermensch« oder »Rasse«, aber manchmal rutscht ihnen so etwas noch etwas wie »Kümmelhändler« oder »Kameltreiber« raus. Die anderen üblichen Wörter, wie z.B. das N-Wort, möchte ich nicht zitieren.
    Auch sehr beliebt: Das Zusammenfassen von Gruppen und Rückschlüsse von Einzelnen auf alle anderen machen. Wenn also irgendwo eine ausländische Person straffällig geworden ist, dann sind es gleich »die Syrer« oder »die Iraker«, die besagte Straftat begangen haben, nicht etwa das Individuum. (An dieser Stelle sei gesagt, dass man Leute einer politischen Gesinnung durchaus zusammenfassen kann. Also »die Nazis« oder »die rechten Idioten« wäre eine durchaus adäquate Bezeichnung, »die irakischen Kamelficker« aber nicht! Ja, ich weiß, da muss man sich erst einmal dran gewöhnen!)
    Beliebte Phrasen: »Ich habe nichts gegen Ausländer, aber …«, »die« (wobei »die« für alle »Andersartigen« steht), »Asylantenpack«, »kriminelle Ausländer«, »Multikulti« (oder – in manchen Bundesländern »Mutlikulti«), »Masseneinwanderung«, »Ethnopluralismus«, »Asyltourismus«, »Migrantenmob«
  2. Nazis sprechen gerne vom »Volk«. So wie: »Wir sind das Volk!«. Aber dabei muss man genau aufpassen! Meistens sprechen sie nämlich dabei nicht von der Bevölkerung, sondern von dem, was sie sonst als »Rasse« bezeichnen würden, wobei Otto-Normalarier natürlich die beste »Rasse« wäre. Wenn viele Leute aus anderen Ländern irgendwohin kommen, wird manchmal von »Umvolkung« gesprochen, weil die Nazis so eine Art Verschwörungstheorie im Kopf haben, nach der irgendwer die Bevölkerung durch Leute aus anderen Ländern ersetzt. Vermutlich die Juden. Siehe Punkt 3!
    Wichtige weitere Wörter und Phrasen in dem Zusammenhang: »Volksverdummung«, »Volksgemeinschaft«, »Heimat«, »Armes Deutschland«, »Volksverderber«, »Volksverräter«, »multikulturalisiert«, »Unsere Lebensart«, »Das Land unserer Väter«, »Volkskörper«, »Das ist unsere Stadt!«
  3. Nazis mögen andere Religionen nicht so. Wogegen im Grunde nichts einzuwenden wäre, da alle Religionen eher problematisch sind. Aber Nazis greifen die Personen einer Religionsgruppe an und unterstellen ihnen in der Regel mangelnde Hygiene, böse Absichten, Dummheit und was auch immer man sich noch an negativen Dingen ausdenken kann. Früher waren sie noch hauptsächlich gegen Juden, aber da sie ja dafür gesorgt haben, dass es heute nicht mehr so viele davon gibt, haben sie sich nun andere Leute ausgesucht. Meistens Muslime. Da gibt es auch so schöne Überschneidungen mit den Ausländern, da passt das schon.
    Ein weiterer Hinweis auf einen potentiellen Nazi besteht, wenn die Religion quasi als Schimpfwort benutzt wird. Nazis sind außerdem Heuchler. Sie tun so, als wären sie unglaublich christlich, weigern sich dann aber, nach christlichen Werten zu leben, was sich zum Beispiel darin äußert, dass sie ihren Nächsten – also anderen Menschen – lieber nicht helfen und z.B. fordern, dass Leute lieber im Mittelmeer ersaufen statt gerettet werden sollen.
    Typische Phrasen: »Der Islam gehört nicht zu Deutschland«, »Minirock statt Minarett«, »Maria statt Scharia«, »Islamisierung«
  4. Nazis sind sehr in der Vergangenheit verankert. Sie benutzen Worte und Phrasen von damals. Wenn also irgendwer von der »tausendjährigen Vergangenheit« spricht oder sich auf »tausend Jahre Deutschland« bezieht, stellt er damit einen Zusammenhang zum »tausendjährigen Reich« her, mit dem das Nazi-Reich betitelt wurde.
    Andere Phrasen: »Früher hätte es sowas nicht gegeben«, »Früher war alles besser«, »erfolgreiche deutsche Geschichte«
  5. Nazis finden Frauen und Familien toll. Zumindest solange sie nicht aus dem Ausland und nicht gleichgeschlechtlich sind. Homo-Ehe? Um Himmels Willen! Adoptionsrecht für Homosexuelle? Mein Gott, nachher wird das Kind auch noch schwul! Mitunter mag es den verirrten Schwulen oder die verirrte Lesbe in den Parteien geben, aber die machen dann den Eindruck eher als Alibi zu existieren. Wirklich toll sind nur die »echten« Frauen, die sie am liebsten daheim hinterm Herd sehen würden. Und mit möglichst vielen Kindern. Ohnehin sollte sich die Frau daheim – das klingt ja schon fast wie Heimat – ordentlich entfalten können. Aber selbstbestimmend sollte eine Frau nicht unbedingt sein. Abtreibung? Näh. Arbeiten gehen? Na ja, wenn es sein muss. Insofern möchte der Nazi gerne Frauen schützen. Auch vor deren eigenem Willen. Insofern wird auch schon mal mit Abbau von Sozialleistungen gedroht, wenn Frauen nicht ordentlich schwanger werden.
    Gerne wird auch der »Frauenschutz« vorgeschoben, um gegen Ausländer und andere Religionen zu wettern. Ach ja, und den Kindern muss man natürlich ordentliches Benimm beibringen. Nicht auszudenken, wenn da der Seitenscheitel nicht richtig sitzt.
    Stichworte: »aktivierende Familienpolitik«, »Gleichstellungstotalitarismus«, »Homosexualität ist gegen die Natur«, »In der Bibel steht …«, »Eine Gefahr für die traditionelle Ehe und Familie«, »Kuschelpädagogik«
  6. Nazis wollen Sicherheit. So viel Sicherheit wie es nur geht. Auch wenn dadurch die persönliche Freiheit eingeschränkt wird. Mehr Grenzkontrollen, denn die kriminellen, kranken, faulen, Arbeitsplätze klauenden Ausländer könnten ja kommen. Möglichst überall Kameras, damit auch ja jeder beobachtet werden kann. Man muss das Volk und die Heimat doch beschützen. Auch vor sich selbst. Deswegen sollten gerade Ausländer, Migranten und Asylsuchende auch in Lager. Zur Sicherheit des Volks. Außerdem kann man »die« da viel besser mit Molotow-Cocktails bewerfen, wenn die irgendwo eng zusammengepfercht sind. Da erwischt man dann auch viel mehr.
    Zur Sicherheit wird natürlich auch oft ein Ausbau des Militärs gefordert.
    Andererseits sind ja Polizisten Volksverräter, also kann man denen auch nicht wirklich trauen. Insofern wird auch gerne mal das Gesetz in die eigene Hand genommen. »Die Iraker« oder »die Syrer« haben was angestellt? Na, da wird gerne mal dem ein oder anderen mit bräunlicher Hautfarbe eine übergezogen. Könnte ja sein, dass der sowas auch macht. Und wenn nicht, na ja, dann weiß er jetzt, dass er über so etwas gar nicht nachdenken braucht! Auch wenn es ihm ansonsten nie in den Sinn gekommen wäre. Sicher ist sicher.
    Typische Phrasen: »Grenzen sichern«, »Asyl braucht Grenzen«, »Innere Sicherheit wieder herstellen«, »Wir schützen unser Land«, »Heimatschutz«
  7. Nazis stehen auf Kriegsfuß mit den Medien. Besonders mit Medien, die sich erdreisten, ihnen zu widersprechen. Denn Nazis finden nicht, dass objektiv berichtet werden sollte. Es sollte vielmehr so berichtet werden, dass möglichst ihr Standpunkt vertreten wird, auch wenn der von der Faktenlage her völlig falsch liegt. Das Objektivität der Grundstein des Journalismus ist … na ja, geschenkt. Denn hier wird gerne von den Nazis auf andere geschlossen: Nur weil Nazis sich die Welt so hinreden, wie sie sich sie ausdenken, nehmen sie an, dass es auch alle anderen tun.
    Phrasen und Wörter in dem Zusammenhang: »Fake News«, »Alternative Fakten«, »Lügenpresse«, »Realitätenerzeuger«, »Pressehuren«, »Propagandaministerium«
  8. Nazis finden Arbeitslose doof. Ihrer Meinung nach kann jeder Arbeit finden, egal ob er/sie dazu geeignet ist oder nicht. Insofern wollen sie auch gerne jegliche Hilfen für Arbeitslose kürzen oder abschaffen. Oder, noch besser, sie zur Zwangsarbeit zwingen.
    Beliebte Phrasen und Wörter: »Sozialschmarotzer«, »Bürgerarbeit«
  9. Nazis sehen sich oft als Opfer. Aus diesem Grund schieben sie gerne anderen die Schuld zu. Besonders gern natürlich Leute, die irgendwie den bereits erwähnten »Volksgruppen« angehören. Wenn also Politiker irgendwo stehen und großspurig einem Teil der Bevölkerung, Ausländern oder irgendeiner Verschwörung für irgendwas die Schuld geben, ist das ein guter Hinweis darauf, dass sie auf Nazi-Denke zurückgreifen. Es wird auch gern mal in Talkrunden aufgestanden und weggegangen, weil das so größeren Eindruck macht, als wenn man sitzen geblieben wäre. Natürlich geht das Hand in Hand mit dem Hass auf die Medien.
    Typische Phrasen: »die da oben«, »Weltverschwörung«, »Meinungsdiktatur«, »linksversifft«, »Homolobby«, »Man wird ja wohl noch sagen dürfen …«
  10. Nazis sprechen gerne von Gewalt. Kriminelle Ausländer müssen da schon mal mit Gewalt abgeschoben werden. Oder mit Gewalt daran gehindert werden, die Grenze zu übertreten. Mitunter wird davon gesprochen, dass es gut ist »Gewehre und eine Munitionskiste in der Garage« zu haben. Wenn man so will, kann man auch »entsorgen« dazuzählen, da damit sowohl die Abschiebung eines Asylsuchenden als auch anderweitige Lösungen bezeichnet werden könnten. Generell ist die Sprache mit Wörtern durchsetzt, die Gewalt nahelegen, wie z.B. »dann können wir endlich zuschlagen«, was sich in dem Zusammenhang nicht unbedingt auf eine gewaltsame Handlung beziehen muss, aber rhetorisch die Assoziation hervorruft.
    Beliebte Phrasen: »den Hals umdrehen«, »Schießbefehl«, »zur Rechenschaft ziehen«, »Grube ausheben und rein«, »bis zur letzten Patrone«

Abschließend bleibt zu sagen, dass jemand, der in der Form »Ich bin ja kein Nazi, aber …« argumentieren muss, vermutlich gleich etwas von sich gibt, was ein Nazi sagen würde. Muss nicht unbedingt etwas Nazihaftes sein. Es könnte auch sein, dass der Satz »Ich bin ja kein Nazi, aber grün ist eine schöne Farbe« lautet. Man sollte aber genau hinhören.

Ach ja, falls man ein besorgter Bürger ist, der aus irgendeinem Grund die Vermutung hat, dass die bösen, bösen Ausländer hier alles kaputt machen, weil einem das andere Leute sagen: Wenn die Typen dann den rechten Arm zum Nazi-Gruß erheben … ist das ein guter Hinweis darauf, dass die Typen vielleicht Nazis sind und Scheiße erzählen. Denn das ist so ihr Ding: Nazis erzählen Scheiße. Braune Scheiße. Und wer will die schon in seiner Nähe haben?

Zum Abschluß noch ein paar handliche Regeln, an die man sich vielleicht halten könnte:

  1. Gewalt gegen andere Menschen – egal welche Menschen – ist nicht Ordnung, es sei denn man wird gerade selber physisch angegriffen.
  2. Nachdenken bevor man handelt. Vielleicht gibt es ja Leute, die für bestimmte Dinge besser ausgebildet sind und sich darum kümmern sollten, wie z.B. die Polizei, die besser geeignet ist, einen Mord aufzuklären, als man selbst.
  3. Wenn man wegen irgendwas rumbrüllen muss, dann hoffentlich nur, um jemanden davon abzuhalten sich potentiell schwer zu verletzten. Oder weil man selbst schwer verletzt ist. Physikalisch. Ansonsten kann man sich das vermutlich sparen.
  4. Jemanden oder etwas zu hassen, ist kein natürlicher Zustand. Man muss nicht jeden lieben oder gar mögen, aber Hass kostet einfach nur Energie und macht einen selber fertig. Warum sich also mit so etwas abgeben?
  5. Einfach mal kein Arschloch sein. Kurz darüber nachdenken: »Ist das, was ich tun will, irgendwas, was anderen Leuten psychischen oder physischen Schaden beschert?« Ist die Antwort ja, ist die Chance groß, dass man ein Arschloch ist.

Wähle kein Arschloch. Unterstütze kein Arschloch. Sei kein Arschloch.

Das Schiff der Verdammten – Gedanken zum Holocaust und der Flüchtlingskrise 2018

Achtung: Akute Tiraden-Gefahr!

Denen, die hier öfter mitlesen, dürfte wohl klar sein, wie ich in der Frage der Flüchtlingskrise stehe. Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Ich habe grundsätzlich ein Problem damit, Leute irgendwo verrecken zu lassen. Ganz besonders im Meer, immerhin war ich – ganz wie Martin in meinem Buch »Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens« – früher mal Rettungsschwimmer und -taucher. Meine Idee dahinter war ja auch nicht zu Ertrinkenden zu schwimmen und dann zu sagen: »Tja, hättest du mal Schwimmen gelernt, was?«
Mir stößt es auch sauer auf, wenn damit argumentiert wird, dass die ja in den Ländern bleiben könnten, von denen sie aus flüchten oder ins Meer starten. Das ist in etwa so, als würde ich jemanden in einem brennenden Haus sagen: »Ja, weißte, geh doch ins Erdgeschoß, da brennt es noch nicht.«
Noch mehr ärgern tut mich aber, dass man – mal wieder – nichts aus der Geschichte lernt. Denn – Überraschung! – wir hatten das alles schon mal!

Setzt euch hin, nehmt euch einen Keks und hört Onkel Sebastian mal zu, wie er euch von St. Louis erzählt. Nein, nicht der Stadt … dem Schiff!

Im Mai 1939 war es in Deutschland irgendwie nicht mehr wirklich gemütlich. Hitler war schon sechs Jahre an der Macht und hatte praktisch von Anfang an die Juden verfolgen lassen. Nun durften sie nicht mehr so leben wie zuvor, Konzentrationslager gab es auch schon eine Weile und alles war daraufhin ausgerichtet, es ihnen so schwer wie möglich zu machen. Trotzdem blieben viele, denn Deutschland war ihre Heimat. Selbst als sie 1935 ihrer Bürgerrechte beraubt wurden, blieben viele. Manche vielleicht auch, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten konnten, auszuwandern. Aber nach der Reichskristallnacht 1938 dachten dann doch etliche: »Also wenn wir hier um unser Leben fürchten müssen, gehen wir doch lieber ins Ausland.«
1933 wanderten um die 38.000 Juden aus. 1934-1937 waren es jährlich so ca. 20.000-25.000. 1938 sprang die Zahl auf 40.000.
1938 hatten dann auch ein paar Länder eine Konferenz in Évian, wo sie lang und breit diskutierten, wie man denn mit den jüdischen Flüchtlingen umgehen sollte. Das war nämlich mittlerweile zum Problem geworden. Die bösen, bösen jüdischen Flüchtlinge wollten nämlich bestimmt nur den Leuten die Arbeitsplätze wegnehmen. Oder – was weiß ich – die westliche Welt verjüdisieren. Terroranschläge wollten sie bestimmt auch machen. Und die teilnehmenden Länder, darunter die USA, Kanada, Mexiko, Frankreich, Großbritannien und Australien, sagten alle: »Nee, die wollen wir nicht. Wir haben ja eigene Probleme und so. Und überhaupt: Iiiiih, Juden.«
Einige Länder, vor allem in Osteuropa, gingen sogar so weit zu sagen: »Wisst ihr was: Wir hätten da auch noch Juden, die wir gerne loswerden würden.«
Die meisten Länder reagierten nach der Art: »Na ja, aufnehmen können wir die nicht. Durchreise … ja, vielleicht … aber ansonsten …«. Ein paar Länder jedoch sagten tatsächlich: »Aber wir würden einen ganzen Haufen nehmen.« So z.B. die Dominikanische Republik, dessen »Präsident« – eigentlich Diktator – im vorherigen Jahr 27.000 schwarze Haitianer ermorden ließ, damit das Land etwas weißer werden würde. Da hätten die Juden bestimmt viel Spaß mit dem gehabt, aber die konnten sich ja nicht wirklich äußern, denn man hatte vorsorglich keine zur Konferenz eingeladen. Warum auch … hätte man ja hören müssen, was die zu sagen haben.
Im Endeffekt einigte man sich darauf, dass man ein Komitee gründen sollte, dass sich darüber dann mal Gedanken macht.

Soweit zum damaligen Stand der Dinge.

1939 lässt Deutschland noch Juden ausreisen. Ein paar Juden hatten sich Touristenvisa für Kuba und manche sogar Einwanderungspapiere für die USA beschaffen können. Am 13. Mai 1939 stiegen sie alle auf das Kreuzfahrtschiff »St. Louis« der Hapag. An den Hamburger Landungsbrücken verabschieden sich Familien, wohl wissend, dass sie sich wohl nicht mehr sehen werden. Eine Kapelle spielt »Muss I denn zum Städtele hinaus«, weil das überhaupt keinen höhnischen Eindruck macht.
Der Staat hatte vorher den Ausreisenden praktisch alles genommen. Jeder Passagier durfte nur 10 Reichsmark und Waren im Wert von 1000 Reichsmark mitnehmen. Im Grunde wollte der Staat sicherstellen, dass die Flüchtlinge dem Land, in das sie zu migrieren versuchten, auch wirklich zur Last fallen würden.
War die Stimmung anfangs auf dem Boot noch hoffnungsvoll, wurde den Leuten doch nach einer Weile klar, dass sie mit einem Touristenvisum unter Umständen nicht lange hinkommen. Außerdem gab es Gerüchte an Bord, dass es in Kuba einen Regierungswechsel gegeben und die neue Regierung die Einreisebedingungen verschärft hätte. Einer der Passagiere starb an einem Herzinfarkt und vorsorglich nahm man eine Seebestattung vor, um die Einreise nicht zu gefährden. Ein anderer Passagier, offenbar schon völlig runter mit den Nerven, sprang gleich hinterher und konnte nicht mehr gerettet werden.
Am 27. Mai konnte die St. Louis dann in Havanna anlegen. Alle freuten sich schon, aber dann kamen Soldaten und drängen sie wieder zurück aufs Schiff. Die Regierung behauptete, dass die Einreisebewilligungen illegal waren. Bis heute weiß man nicht so richtig, was los war. War vielleicht wie heute in Deutschland, wo man erst sagte: »Yay, toll, dass ihr überlebt hat, Flüchtlinge!« Und danach »Boah, geht doch wo ihr wohnt.«
Die Stimmung an Bord war danach nicht gerade bombig zu nennen. Der Kapitän, der sich um Lösungen bemühte, wurde nun angefeindet. Ein Passagier schnitt sich die Pulsadern auf und sprang über Bord, weil er dachte: »Doppelt hält besser.« Man konnte ihn jedoch retten. Daraufhin ordnete der Kapitän allerdings »Selbstmordverhütungsrundgänge« an. Der Typ, der sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte, wurde dann aus Mitleid an Land gelassen. Da dachten sich die anderen Passagiere bestimmt auch:« Hmmm, Pulsadern!« Auf jeden Fall war der Typ, der an Land gelassen wurde, damit noch einer der Glücklichen.
Kuba verscheuchte das Schiff. »Husche, husche!«
Selbst der Kapitän wusste nicht wirklich, was er machen sollte. Also fuhr er erst mal Richtung Florida. Die USA sagten aber: »Leute, wir haben eine Quote, die haben wir erfüllt. Tschüssikowski.«
Das wollte der Kapitän aber nicht so auf sich sitzen lassen. Er versuchte, illegal zu landen, allerdings wurde das bemerkt. Danach wurden sie noch von Flugzeugen bedroht.
Dem US-Präsident Roosevelt kamen Zweifel: »Ach, lassen wir die doch rein«, aber sein Außenminister Cordell Hull entgegnete »Nee, nachher kommen noch mehr oder so. Dann wird hier alles verjüdischt.«
Daraufhin sagte Roosevelt: »Ey, steht nicht auf der Freiheitsstatue sowas wie ›Gebt mir eure Müden, eure Armen/Eure geknechteten Massen, die sich danach sehnen, frei zu atmen‹? Heißt das nicht, dass wir uns um die kümmern sollten?«
»Äh, ach was, sind doch nur Schmarotzer«, sagte Hull und freute sich schon mal auf den Friedensnobelpreis, den er später bekommen sollte.
Die St. Louis schipperte dann noch ein wenig hin und her, aber war kurz davor keinen Sprit mehr zu haben, bis dann Großbritannien, Belgien, die Niederlande und Frankreich sagten: »Ja, Mann, dann kommt halt her.«
Also kamen die Juden zurück nach Europa, weil da die Lage so absolut super war.

Kein halbes Jahr später überfiel Deutschland die anderen Länder. Die Juden wurden zusammengetrieben, in Konzentrationslager geschafft und dort umgebracht. Von den 937 Juden an Bord der St. Louis starben 254 während des Holocaust. Nur die in Großbritannien gebliebenen Flüchtlinge waren sicher. Ach ja, und dann waren da noch die sechs Millionen anderen Juden, die nicht flüchten konnten …

Es gab noch andere Schiffe, wie die St. Louis. Diese hatten ein ähnliches Schicksal. Und heute wird es wieder ganz genau so gemacht, wie damals schon. Nur das die heutigen Flüchtlinge noch nicht mal ein ordentliches Schiff haben, auf dem sie unterkommen können. Und wieder wird die Unmenschlichkeit und das Unvermögen der westlichen Länder auf Kosten der Migranten zur Schau gestellt. Diesmal wird nur von deutscher Seite vorgeschlagen, ob man nicht Konzentrationslager aufbauen könnte. In den einzelnen Ländern. Das Know-How könnten wir den Ländern ja vielleicht noch verkaufen. Muss sich doch auch lohnen …

Es streitet niemand ab, dass in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen, eine Lösung erfolgen muss. Um noch einmal die Analogie des brennenden Hauses zu benutzen: Natürlich muss die Feuerwehr das brennende Haus löschen. Solange muss ich mich aber um die flüchtenden Einwohner kümmern, die ganz offensichtlich nicht zurück in ihre Wohnungen können. Sie einzusperren, nicht heraus zu lassen und ihnen jede Hilfe zu verweigern ist schlichtweg Mord.

Geschichten zum Tag: 30.04. – Eva und Adolf

Eva H., vormalige Braun sagt: »Ach, ist das schön endlich verheiratet zu sein.«
Ihr Mann, Adolf H., hockt grimmig auf dem Stuhl und gibt nur ein Krächzen von sich.
»Sag mal, Wolfilein«, spricht die Frau, »wo fahren wir eigentlich in den Flitterwochen hin.«
Der Mann, dem die schwarzen Haarsträhnen ins Gesicht hängen, schaut auf: »Äfa, äch weiß nicht, ob wir öberhaupt irgendwo hinfahren können.«
»Was, willst du etwa die ganze Zeit nur hier im Bunker herumlungern?«
»Äch dänke schon.«
»Na toll. Das habe ich mir ja etwas anders vorgestellt.«
»Äfa«, sagt der zusammengesunkene Mann, »dä Russn stähn vor der Tör.«
»Na, und wer hat die eingeladen? Ich nicht.« Sie schmollt.
»Äfalein, äch glaube der Krieg ist verloren.«
»So ein paar Tage Ostsee wären völlig in Ordnung. Nur, dass man einfach mal rauskommt.«
»Äfa«, sagt der Mann im Mantel, »ons bleibt nur der Freitod.«
»Freiburg? Ja, da soll auch schön sein.«
»Nächt Freiburg«, stöhnt Adolf H., »Freitod.«
»Noch nie von gehört. Wo liegt denn das? Hoffentlich irgendwo am Meer. Ich würde ja gerne mal wieder baden gehen.«
»Äfa, wir können nächt weg. Dä Russn …«
»Immer hast du irgendeine Ausrede. ›Lass mich mal schnell Kanzler werden‹, hieß es. Und dann ›Lass much nur schnell eine Autobahn bauen‹. Und dann fingst du an mit diesem ›Polen erobern‹. Und Frankreich. Hättest mich ruhig mit nach Paris nehmen können.« Sie steckte sich eine Zigarette an.
Adolf H. wischte den Rauch mit der Hand davon. »Äfa, do weißt, äch mag das nicht. Das äst gesundheitsschädlich.«
»Na, man hat ja sonst keine Freude hier.«
Der Mann zieht die Mundwinkel nach unten und sagt nichts. Er fummelt an seinem Gurt herum, wo er eine Pistole aus dem Halfter holt.
»Was soll das denn jetzt?«, fragte Eva.
»Äch öberlege, ob äch mäch erschieße.«
»Was, nur weil du nicht in die Flitterwochen willst?«
Eva pustet den Rauch direkt in seine Richtung. Er muss Husten.
»Und wer«, sagt sie, »soll die Sauerei hinterher wieder saubermachen?«
»Dä Russn?«, fragt Adolf H.
»Nein, ich. Ich, mein lieber. Nun lass uns doch lieber besprechen, wo wir unsere Hochzeitsreise verbringen. Wir könnten doch auch nach Italien fahren. Hast du da nicht diesen Bekannten?«
»Mossolini? Dieser feige …«
»Reg dich nicht auf. War ja nur eine Idee. Mir war auch so, als hätte neulich irgendwer etwas von Argentinien erzählt. Aber ich glaube, dass ist mir zu weit. Da muss man ja so lange fliegen.«
»Äfa … dä Russn!«
»Na, die gibt’s ja in Argentinien nicht, oder? Wie wäre es denn mit London?«
»Äfa, da sind die Engländer. Und däser Churchill!« Er hob die geballte Faust.
»Du findest auch immer was, oder? Mach du doch auch mal einen Vorschlag.«
»Äfa, wir können nicht weg. Dä Russn …« Er schlug mit der Hand auf den Tisch.
»Ja ja, du und deine Russen. Also wenn es sein muss, dann fahre ich auch nach Sankt Petersburg. Hauptsache wir kommen überhaupt mal raus.«
Adolf H. seufzt und holt aus seiner Tasche eine kleine Tablette hervor, die er ihr hinhält.
»Was ist das? Ein Bonbon?«
Er räuspert sich. »Sächer.«
»Und wie schmeckt das? Wenn das bitter ist, will ich das nicht.«
»Das äst …«, er zögert kurz, »… ein Kaubonbon. Du musst kräftig raufbeißen.«
»Hast du vielleicht irgendwas, was nach Himbeere schmeckt. Die mag ich.«
»NÄMM JETZT DIE TABLETTE!«
Eva zieht an der Zigarette. »Also wenn du jetzt laut wirst, will ich das gar nicht. Da ist man kaum einen Tag verheiratet und schon wirst du laut. Das kannst du vielleicht vor deinen Parteifreunden machen, aber ich bin deine Frau.«
»Äfa, dä Russn!«
»Ach, du und deine Russen.«
»Äfa, nämm das und sei ruhig.« Er hält ihr die Tablette erneut hin.
»Na, das ist ja auch keine Art.«
Adolf H. seufzt. Er legt die Tablette auf den Tisch und setzt sich die Waffe an den Kopf.
»Mein Gott, dass du immer so dramatisch sein musst.«
Er drückt ab. Es knallt und er fällt tot vornüber.
»Aaaaaaaah, Wolfi! Die Bettlaken!« Der Anblick des Blutes lässt sie erschrecken. »Das geht doch nie wieder raus. Ich brauche erstmal was zur Beruhigung. Wo ist denn dieses Bonbon?«

So oder ähnlich war das. Schätze ich.

 

Wer die Geschichte gerne von mir vorgelesen bekommen möchte, kann sich einfach mein Video dazu ansehen: