Die politische Reaktion auf einen Serienkiller
»Ey, da rennt ein Serienkiller mit einem Pistole herum und bringt alte Leute um.«
»Ach?«
»Doch. Meinst du, wir sollten da mal was tun?«
»Weiß nicht. Sind doch nur alte Leute.«
»Na ja, aber die wollen ja vielleicht auch leben.«
»Meinst du?«
»Schon.«
»Aber ich habe doch gerade andere Dinge zu tun.«
»Echt? Was denn so zum Beispiel?«
»Ich will nächstes Jahr wiedergewählt werden. Da muss ich doch mal intensiv drüber nachdenken, was ich den Leuten versprechen könnte und wie ich das genau beschreibe, damit man mich hinterher nicht mehr so genau darauf festnageln kann, wenn ich es dann doch nicht mache.«
»Und meinst du nicht, dass es da ein gutes Zeichen wäre, wenn du da irgendwas gegen den Serienkiller mit der Pistole machen würdest? Ich meine, die Leute fänden das doch sicher super, wenn du dafür sorgst, dass der Typ nicht weiter Leute umbringt. Vielleicht finden die das sogar so gut, dass sie dich noch einmal wählen.«
»Jaaaaaa, schon, aber dann müsste ich doch was machen.«
»Man sollte meinen, dass du dafür ja auch bezahlt wirst.«
»Ach?«
»Doch.«
»Du meinst also, dass der Killer einfach immer weiterrennt und nicht aufhört, Leute zu töten?«
»Na ja, wenn ihn keiner stoppt, warum sollte er aufhören?«
»Weil ihm das Ganze langweilig wird?«
»Unwahrscheinlich.«
»Können die Leute nicht einfach schusssichere Wesen tragen?«
»Wo sollen die denn so schnell herbekommen?«
»Was fragst du mich das?«
»Na, du hast doch gerade den Vorschlag gemacht.«
»Ja, aber hast du jetzt erwartet, dass ich mich darum kümmere, oder was?«
»Schon.«
»Ach? Na, das ist mir ja ein dicker Hund.«
»Ich meine, man sollte annehmen, dass du dich darum kümmerst, immerhin sagst du ja den Leuten, dass die sich solche Westen zulegen sollen.«
»Na ja, das klingt doch vernünftig, oder?«
»Schon, aber dann muss man halt auch dafür sorgen, dass die Leute sich auch tatsächlich schützen können.«
»Kann das nicht der freie Markt regeln.«
»Weiß nicht, ob der das immer so gut regelt.«
»Nun stell doch nicht gleich das ganze System in Frage!«
»Mache ich doch gar nicht! Ich will doch nur wissen, was du unternimmst, damit der Typ nicht mehr andere Leute erschießt.«
»Weiß nicht … der bringt doch nur alte um, oder?. Das betrifft mich ja jetzt noch nicht.«
»Aber du bist jetzt auch nicht mehr der Jüngste.«
»Ja, aber SO alt bin ich halt noch nicht.«
»Stimmt.«
»Und bestimmt sterben ja auch nicht alle an den Schussverletzungen.«
»Das ist durchaus korrekt, aber …«
»Nur weil man eine Schussverletzung hat, heißt das ja nicht, dass man das nicht überlebt und hinterher normal weiterleben kann.«
»Na ja, man überlebt vielleicht, hat aber vielleicht so starke Verletzungen, die hinterher das Leben arg beeinträchtigen.«
»Man muss ja nicht immer alles gleich so schwarz sehen!«
»Aber es ist doch unschön.«
»Nur weil manche hinterher kein normales Leben mehr führen können, muss man doch nicht gleich alles so aufbauschen.«
»Okay, aber …«
»Viel wichtiger ist doch, dass da jemand Leute erschießt. Das sollte ja eigentlich nicht sein.«
»Ach, hast du das jetzt auch endlich verstanden?«
»Nee, das habe ich doch schon die ganze Zeit gesagt.«
»Das war mir jetzt so nicht klar.«
»Ach?«
»Doch. Also meinst du, dass man jetzt mal irgendwelche Maßnahmen ergreifen kann, damit der Typ nicht weiter mit der Pistole durch die Gegend rennt und Leute erschießt?«
»Weiß nicht. Ich will ja keine Panik verbreiten.«
»Also ich hab hier ein paar Experten, die sagen, dass man Leute wirklich davon abhalten sollte, andere Leute zu erschießen.«
»Soso, Experten. Aber die Politik bestimme immer noch ich! Ich lasse mir doch nicht von sogenannten Experten vorschreiben, wie ich Politik zu machen habe.«
»Aber vielleicht wissen die das in dem Fall besser als du.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ach?«
»Doch.«
»Ich hab übrigens gerade erfahren, dass der Typ mittlerweile keine Pistole mehr benutzt, sondern ein Maschinengewehr.«
»Ach?«
»Doch.«
»Ist ja ungeheuerlich.«
»Nicht wahr? Da sollte man mal was machen, oder?«
»Hmm… na ja.«
»Das sind jetzt auch zunehmend mehr Leute, die sterben. Und auch nicht mehr nur alte Leute.«
»Was fällt dem eigentlich ein?!«
»Also, was soll dann jetzt gemacht werden?«
»Hatten wir nicht gesagt, dass die Leute schusssichere Westen tragen sollen?«
»Ja, aber die helfen ja auch nur bedingt. Ich meine, was ist, wenn ihnen stattdessen ins Bein geschossen wird.«
»Wenn sie Angst vor ein paar Kugeln haben, dann sollen sie halt in Deckung bleiben.«
»Und die ganzen schusssicheren Westen sollen sie auch noch selber bezahlen?«
»Selbstverständlich! Wäre ja schlimm, wenn der Staat das zahlen müsste. Der kann sich ja nicht um alles kümmern.«
»Wie zum Beispiel darum, den Typen davon abzuhalten, Leute zu erschießen.«
»Genau.«
»Sollten wir vielleicht den Leuten sagen, dass sie lieber daheim bleiben sollen, damit sie nicht dem Typen über den Weg laufen, der wahllos Leute erschießt?«
»So weit kommt es noch. Dann geht ja keiner mehr einkaufen. Oder arbeiten!«
»Aber wenn der Typ alle erschießt, dann können die ja auch nicht mehr einkaufen oder arbeiten.«
»Na ja, es sterben ja nicht alle, die angeschossen werden. Darüber haben wir doch längst diskutiert!«
»Aber wenn wir den einfach weiter Leute erschießen lassen, dann sind halt irgendwann lauter Leute tot, die sonst konsumiert und gearbeitet hätten.«
»Wir könnten ja vielleicht für fünf Minuten Geschäfte zumachen. Hauptsache die Kinder gehen in die Schulen und Kitas.«
»Übrigens schießt der Typ jetzt ganz oft auf Schul- und Kitakinder.«
»Die Sau.«
»In der Tat.«
»Tja, da kann man nichts machen. Die Kinder brauchen ja Bildung.«
»Auch wenn sie dann tot sind?«
»Sei doch nicht immer so dramatisch!«
»Experten sagen, dass man vielleicht die Schulen und Kitas schließen könnte, dann könnte man den Typen, der Leute erschießt, vielleicht auch leichter fassen.«
»Was?«
»Was was?«
»Hast du was gesagt?«
»Experten sagen, dass man …«
»Nee, ich meinte, hast du was gesagt?«
»Ja, ich hatte gesagt, dass Experten …«
»Du und deine Experten schon wieder.«
»Ja, natürlich. Es sind halt Experten.«
»Mein Gott, es ist doch nicht das erste Mal, dass ich erlebe, wie es ist, wenn geschossen wird.«
»Nicht?«
»Nein. Ich hab schon mal im Film gesehen, wie es im Krieg war.«
»Ach?«
»Doch. Und deswegen habe ich da auch ziemlich Ahnung von.«
»Die Experten sagen aber, dass das im Film gar nicht so …«
»Davon will ich jetzt nichts hören. Außerdem sind da einige Leute, die behaupten, dass es den Typen, der Leute erschießt, gar nicht gibt.«
»Aber die erschossenen Toten sind doch ganz klar …«
»Leute sterben nun mal. Nur weil irgendeiner mit einer Maschinenpistole Leute erschießt, kann man doch nicht die ganze Wirtschaft runterfahren.«
»Nicht?«
»Wer sollte uns denn sonst bezahlen?«
»Werden wir nicht von den Steuern bezahlt? Und ist es nicht so, dass der Staat seine Bürger schützen sollte?«
»Aber wovor, mein Lieber, wovor? DAS ist doch die entscheidende Frage.«
»Vor dem Typen, der rumläuft und Leute erschießt?«
»Das kann man so jetzt nicht verallgemeinern.«
»Muss man ja gar nicht. Das ist ja doch ein recht konkreter Fall.«
»Ich finde nicht, dass das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um das zu diskutieren.«
»Wann denn sonst?«
»Wir könnten uns ja vielleicht in zwei Wochen noch einmal zusammen hinsetzen.«
»Und solange erschießt der Typ weiter Leute und man kümmert sich nicht weiter drum.«
»Wir könnten doch sagen, dass wir uns darum kümmern. Und zwar sehr gut.«
»Ach?«
»Doch.«
»Aber die Leute sehen doch, dass wir uns eben nicht kümmern.«
»Das sehen die halt falsch.«
»Aber du machst doch nichts.«
»Doch, ich denke darüber nach.«
»Hast du vor irgendwann überhaupt was deswegen zu machen?«
»Hm …«
»Was?«
»Ich habe eine Idee.«
»Wie du den Killer stoppen könntest?«
»Nee, wie ich damit noch Geld verdienen kann.«
»Ach?«
»Ja, ich investiere einfach in Firmen, die schusssichere Westen herstellen.«
»Clever.«
»Danke!«
»Aber meinst du nicht, dass man vielleicht den Typen mit der Pistole trotzdem aufhalten sollte?«
»Dann würde ich doch daran nichts verdienen.«
»Stimmt auch wieder.«