Verschwörungsgeschwurbel

Nützliche Hinweise zum Erkennen von Verschwörungsgeschwurbel

In diesen merkwürdigen Zeiten, in denen munter irgendwelche »Theorien« verbreitet werden, die gerne mal als »alternative Meinung« deklariert werden, wollte ich doch allen mal etwas unter die Arme greifen und eine nützliche Checkliste machen, anhand der man erkennen kann, ob es sich bei etwas um Verschwörungsgeschwurbel handelt oder nicht.

  1. »Der gesunde Menschenverstand«
    Dieser schwer zu fassende und zu findende Begriff bezeichnet das, was Menschen normalerweise haben, um abzuwägen, was für eine Entscheidung sie treffen. Schon in Nicht-Virus-Zeiten stark rückgehend, wird er momentan selten eingesetzt. Dabei ist es so ein hilfreiches Werkzeug!
    Der gesunde Menschenverstand ist z.B. das, was uns sagt, dass wir uns in der vollen Badewanne nicht föhnen sollten, weil wir schon mal gehört haben, dass Elektrizität und Wasser keine großen Freunde sind. Wenn wir also irgendeine Information von jemandem bekommen, dann kann man schon mal zwei Sekunden investieren und kurz darüber nachgrübeln, ob da Gesagte/Geschriebene/Gestreamte sinnvoll ist.
    »Rohrreiniger töten Viren ab und sorgen dafür, dass es ordentlich flutscht, also sollte man sich davon mal ein Gläschen hinter die Binde kippen. Und hinterher ne Limette lutschen!«
    Klingt erstmal okay, aber wenn man mal zwei Sekunden oder weniger drüber nachdenkt, dann merkt man vielleicht: »Mensch, wenn ich mir so Zeug hinterkippe, wo auf den Flaschen alle möglichen Warnhinweise draufstehen, geht’s mir vielleicht hinterher nicht mehr gut!«
    Also: Erstmal kurz nachdenken.
  2. »Was ist die Quelle?«
    Beispiel: »Der Onkel der Freundin meines Schwippschwagers hat ne Tante, die mal im Krankenhaus gearbeitet hat, die sagt, dass man Masken nur ganz kurz tragen darf, sonst atmet man zuviel CO2 ein und fällt um.«
    Das Obige ist ein Beispiel für eine schlechte Quelle. Sie ist diffus. Gute Quellen sind Personen oder Institutionen, die direkt mit einem bestimmten Thema zu tun haben oder die klassischen Nachrichtenquellen, bei denen man davon ausgehen, dass sie ihre Fakten vorher überprüft haben. Beispiele: Der Spiegel, die Zeit, die Süddeutsche Zeitung, Tagesschau, heute und viele weitere, die ihre Meldungen auf Basis von journalistischen Recherchen publizieren und dafür z.T. schon internationale Preise bekommen haben.
    Schlechte Quellen sind z.B. irgendwelche ehemaligen Journalisten auf YouTube, die mal aus dem Job geflogen sind, weil sie antisemitischen Kram in die Welt gestreut haben. Oder Finanzexperten, die versuchen eine Statistik zu interpretieren und dabei gleich mehrere Fakten außer acht lassen, um z.B. fallende Ansteckungszahlen in den korrekten Zusammenhang zu setzen. Oder Webseiten, die auch in der Vergangenheit schon fragwürdige oder rechtsextremistische Dinge geteilt haben, wobei das beides oft Hand in Hand geht.
    Das erste Beispiel unter diesem Punkt ist übrigens auch gut für Punkt 1 anwendbar. Der gesunde Menschenverstand sagt uns: »Moment mal, wenn Masken dafür sorgen würden, dass wir zuviel CO2 einatmen und dann umfallen, warum tun das dann die ganzen Ärzte und Helfer bei einer OP nicht?«
  3. »Wie wird mir die Information präsentiert?«
    Wir wissen es schon seit Jahr und Tag: Besonders gut recherchierte und durchdachte Beiträge, die einem Faktencheck standhalten, werden von denen, die sie verbreiten, möglichst brüllend und sich echauffierend vorgetragen. Bei schriftlichen Meldungen ist der ausgiebige Gebrauch von Ausrufezeichen oftmals ein Qualitätsmerkmal. Also quasi genau so, wie wir es z.B. von einem Nachrichtensprecher erwarten würden. (Falls das nicht klar war: Alles eben Geschriebene war ironisch gemeint.)
  4. »Wird in der Information ein Aufruf als Meinung versteckt präsentiert?«
    Beispiel: »Ein Typ, den ich mal bei einem Naziaufmarsch getroffen habe, ist Politiker und sagt, dass George Soros alles unter Kontrolle hat, deswegen müssen wir alle Juden einsperren!«
    Falschinformationen und Geschwurbel kommen oftmals im Gewand der »persönlichen Meinung« daher. Wer etwas dagegen sagt, wird gerne als Person bezeichnet, der anderen die Meinungsfreiheit nehmen will. Aufrufe zu illegalen Taten, Antisemitismus, Aufständen oder Tätigkeiten, die anderen Leuten schaden können, sind aber keine Meinung.
    Eine Meinung ist z.B., wenn man sagt: »Ich finde Merkel doof. Ich kann die aus diesen und jenen Gründen nicht leiden.« Darauf kann man »Okay, wenn du meinst« antworten. Oder »Ja, die Gründe kommen mir stichhaltig vor.« Oder »Wat? Nee, ich finde die voll tuffig und super.«
    Ein Aufruf ist z.B. »Merkel muss weg! Die sollte mal jemand erschießen!« Damit vertritt man keine Meinung, sondern ruft zu einer illegalen Tat auf.
    Und wenn jemand zum Putsch an der Regierung mit Waffengewalt aufruft, weil man eine Gesetzesrichtlinie nicht richtig gelesen hat und man fürchtet, man wird zwangsgeimpft, dann ist das halt eben das: Ein Aufruf und keine Meinung.
  5. »Behauptungen und keine Fakten«
    Beispiel: »Angela Merkel ist der Sohn vom Hitler« oder »COVID-19 ist nur eine Grippe«.
    Man kann solche Sätze sagen, aber wenn man die nicht durch nachvollziehbare Fakten untermauert, bleiben sie halt wilde Behauptungen, die – wenn man mal vorurteilsfrei schaut – falsch zu sein scheinen. Angela Merkel ist neun Jahre nach Hitlers Tod geboren und ganz offensichtlich eine Frau. COVID-19 ist ganz offensichtlich wesentlich ansteckender und tödlicher als eine normale Grippe. Man weiß zwar noch nicht alles darüber, aber die buchstäblichen Leichenberge in manchen Ländern sagen eben etwas anderes als diese Behauptung.
  6. »Die Rede ist von Verschwörung«
    Ganz ehrlich: Wenn irgendwer von einer Verschwörung oder »von denen gesteuert« oder »im Hintergrund die Fäden ziehen« spricht, sollten in der Regel bei einem die Warnglocken angehen. Gerade wenn man sich in letzter Zeit die Menschheit anschaut, sollte man eigentlich mitbekommen haben, dass der Großteil zu doof dazu ist, überhaupt an einer Verschwörung mitzuwirken. Ausnahme: Wenn die US-Regierung irgendwie daran beteiligt ist. Die Vergangenheit zeigt leider zu deutlich, dass da viel zu oft Verschwörungen im Gange waren. Aber selbst dort gibt es dann Whistleblower oder irgendwen, der sich verquatscht.
    Verschwörungen funktionieren in der Regel im kleinen Kreis, denn je mehr Leute daran beteiligt sind, umso wahrscheinlicher dringt etwas nach draußen. Die Vorstellung, dass es eine weltweite Verschwörung gibt – egal um was es dabei geht – ist also mehr als fragwürdig.

Deswegen:
Nein, Chemtrails sind Quatsch.
Nein, QAnon ist Quatsch.
Nein, COVID-19 ist keine Erfindung von Bill Gates, um uns alle zu chippen und dann … ja was eigentlich?
Und, nein, Merkel ist nicht Hitlers Sohn.