Sebastian Niedlich

Ein Krankenhausaufenthalt mit Appendizitis

Vor kurzem hatte ich das Vergnügen, eine sogenannte Appendizitis zu haben, oder wie man umgangssprachlich sagt: Isch hatte Blinddarm.
Das scheint ja so ein Ding zu sein, dass man einfach das Körperteil nennt, das irgendwie betroffen ist, und alle nicken danach nur wissend. »Isch hab Rücken! Isch hab Knie! Isch hab kleiner Zeh!«
Es begann am Samstagabend, nachdem meine Frau und ich eine ordentliche Portion Wurstgulasch gegessen hatten. Plötzlich hatte ich Schmerzen in der Seite, die jedes Mal, wenn ich mich in irgendeiner Form bewegte, unmissverständlich klarmachten, dass sie darauf keinen Bock hatten.
»Hab dich nicht so. Du hast dich nur überfressen«, meinte meine Frau.
Sagen wir so: Klang für mich erstmal naheliegend.
Ich ging dann auch mit Schmerzen ins Bett und hatte eine nicht ganz so tolle Nacht, denn die Schmerzen hörten nicht plötzlich auf. Ich schlief also schlecht, wachte am nächsten Tag immer noch mit Schmerzen auf und quälte mich aus dem Bett. Ich fühlte mich fiebrig und maß die Temperatur. 38°C. Nicht wirklich toll.
»Du musst einfach mal furzen oder auf Toilette, dann geht das wieder«, sagte meine Frau.
Ich dachte: Vielleicht. Wollte aber alles nicht so richtig. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich schon, was mich erwischt hatte.
Gegen Nachmittag und einige Google-Suchen, die mir sagten, dass ich wahrscheinlich sterben würde, später, hatte ich die Schnauze voll und fuhr ins Krankenhaus.
»Wat wollen Sie?«, fragte mich die nette Dame am Empfang der Notaufnahme, nachdem ich mich die Stufen emporgequält hatte, weil irgendein Superhirn auf die tolle Idee kam, die Notaufnahme nicht ins Erdgeschoss zu bauen.
»Ich glaub, ich hab Blinddarm.«
»Ach?«
»Doch.«
»Na, hier haben Sie erstmal ein Bändchen mit ihrem Namen drauf. Wollen wir doch mal schauen, was das dann wirklich ist. Sie können ja im Wartebereich Platz nehmen.«
Derart motiviert ging ich also in den Wartebereich, der glücklicherweise relativ leer war. Es saßen nur vier Leute da, ich hatte also Chancen, vor Dienstagabend ranzukommen. Und tatsächlich, schon nach wenigen Minuten rief mich eine junge Ärztin zu sich, die von oben bis unten tätowiert war, aber vergaß, mir ihren Namen zu nennen, vermutlich weil die Beschreibung »Die hatte einen heulenden Wolf auf dem Arm« schneller zur Identifikation führen würde, als wenn ich »Die hieß Schultze oder so« sagen würde.
Ich erklärte ihr alles und sagte, ich hätte Fieber.
»38°C ist kein Fieber.«
»Okay. Dann halt erhöhte Temperatur.«
Sie steckte mir einen Temperaturfühler ins Ohr. »Nee, Sie haben keine erhöhte Temperatur.«
»Ja, dann … nicht. Schmerzen habe ich aber trotzdem.«
»Wo denn?«
»Da so …«
Ich zeigte auf die Stelle.
Häuptling heulender Wolf drückte auf mir herum.
»AAAAAAAH«, sagte ich.
»Ach, da tut’s weh?«
»Wie ich schon sagte.«
»Und hier?« Sie drückte an einer etwas anderen Stelle, aber immer noch in der Nähe.
»AAAAAAAH«, sagte ich.
»Tut weh, wa? Na, ich lege ihnen mal einen Zugang, nehme ihnen Blut ab und dann könnten sie hier noch mal ins Becherchen pinkeln.«
Sie führte mich zu einem Klo, dessen Tür nicht abgeschlossen werden konnte und dessen Fenster so sperrangelweit offen stand – und offen stehen bleiben sollte –, sodass mich die RTW-Fahrer, die davor standen und sich über Kuchenrezepte austauschten, beim Pinkeln anfeuern konnten.
Im Anschluss führte mich heulender Wolf zu einem anderen Behandlungsraum.
»Haben sie eigentlich ein Schmerzmittel genommen?«, fragte sie mich.
»Nee.«
»Warum nicht?«
»Kam mir, ehrlich gesagt, gar nicht in den Sinn. Ich hatte ja gehofft, dass es von alleine wieder weggeht.«
Sie schüttelte nur mit dem Kopf. »Männer.«
Wir erreichten den anderen Behandlungsraum, wo ich mich auf die Liege packen und abwarten sollte.
»Wollen sie denn jetzt ein Schmerzmittel?«
»Hilft das denn?«, fragte ich etwas unbeholfen, weil ich eigentlich daran dachte, ob das Schmerzmittel eventuell die Untersuchung erschweren würde.
Heulender Wolf rollte mit den Augen. »Ja, Schmerzmittel helfen.«
»So meinte ich das ni …«
»Wat denn nu?«
»Ja, bitte.«
Sie ging und ich lag keine fünf Minuten auf der Liege, bis ein Pfleger kam. »Sie können hier nicht bleiben, wir brauchen den Raum.«
»Okay, aber …«
»Können ja im Wartezimmer warten.«
Also wieder zurück ins Wartezimmer zu den anderen Gestalten, die den üblichen Gesichtsausdruck von Renaissance-Bildern teilten.
Ich wartete auf weitere Informationen und vor allem: mein Schmerzmittel.
45 Minuten vergingen.
Ich kroch vornübergebeugt zum Schalter der Notaufnahme, um nachzufragen.
»Wat?«
»Eigentlich wollte die Ärztin mir ein Schmerzmittel geben, aber …«
»Ja, ich frag mal nach.«
Ich kroch vornübergebeugt zurück zu meinem Platz im Wartezimmer.
Es vergingen weitere 45 Minuten, bis eine weitere Ärztin mich bat, ihr zu folgen. Heulender Wolf war nirgends mehr zu sehen. Ich bin mir auch sicher, dass sich die neue Ärztin vorstellte, aber ich hatte irgendwie so mit meinem Schmerzen zu tun, dass ich mir den Namen nicht merkte.
In einem neuen Behandlungsraum legte ich mich auf die Liege und im Grunde wurde ich dasselbe wie vorher gefragt.
»Wo tut’s denn weh?«
»Da so«, sagte ich und deutete auf die Stelle.
Die Ärztin drückte darauf herum.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Ah, da tut’s also weh.«
»Wie ich schon sagte.«
»Und was ist hier?« Sie drückte an einer anderen Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Ach, da also auch. Und was hier hier?« Sie drückte an noch einer anderen Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich erneut.
»Ach, das tut weh, ja?«
»Schon.«
»Aber eigentlich tut es da weh, ja?« Sie drückte noch mal die Stelle, die ich ihr ursprünglich gezeigt hatte.
»AAAAAAH«, sagte ich und ergänzte dann. »Genau.«
»Also der Schmerz sitzt schon eher hier, richtig?«, sagte sie und drückte die Stelle noch einmal.
»AAAAAAH«, sagte ich erneut und nickte.
»Also, scheint schon eine Blinddarmentzündung, genauer gesagt Appendizitis, zu sein. Ihre Blutwerte sagen nämlich auch, dass sie eine Entzündung haben.«
»Ach?«
»Und wenn es da weh tut«, sie drückte noch einmal auf die Stelle, weswegen ich auch noch mal »AAAAAAH« sagte, »dann ist das schon sehr wahrscheinlich.«
»Ach?«, wiederholte ich mich. »Und jetzt?«
»Muss ich mal den zuständigen Chirurgen holen. Der muss sich das noch einmal ansehen und dann entscheiden. Wollen sie in der Zwischenzeit ein Schmerzmittel?«
»Ja, bitte.«
Sie drückte mir noch einmal auf die Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Doch, doch. Ganz klassische Appendizitis.«
Dann ging sie heraus.
Ich lag noch eine Weile auf der Liege, bis eine weitere Ärztin kam, die sich als Chirurgin vorstellte.
»Wo tut’s denn weh?«
»Da so.«
Sie drückte die Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Und hier?« Sie drückte etwas daneben.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Und hier?« Sie drückte noch einmal an einer etwas anderen Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich zum wiederholten Male.
»Hm, könnte Appendizitis sein.«
»Ach?«
»Könnten auch Gallensteine sein.«
»Na, das ist jetzt mal was Neues.«
»Sollten wir im CT überprüfen. Schmerzmittel haben sie nicht?«
»Ich wollte, aber irgendwie …«
»Ich gebe mal Bescheid.«
Die Chirurgin verschwand. Bald kam eine Schwester und hängte einen Tropf an, der wohl Schmerzmittel enthielt. Es tat freilich immer noch ziemlich weh, wenn ich mich mal bewegen musste.
Einige Minuten später schob mich dann eine Schwester zum CT.
Was einem als seltener Besuch im Krankenhaus auffällt, wenn man denn mal als Patient da ist, ist, wie wenig Platz eigentlich zum manövrieren von den durchaus klobig zu nennenden Betten bleibt. Durch die Türen passen die Dinger gerade so und auch auf den Gängen steht halt dies und das, was so eine Fahrt interessant macht. Besonders, wenn man eine Krankheit hat, die auf jede Bewegung reagiert.
»Au … au … au …. au…«, machte ich, als wir über irgendwelche Bodenschwellen fuhren, die sich ein Sadist beim Bau des Krankenhauses ausgedacht hatte. Beim Fahren um eine Ecke krachte das Bett dann auch gegen eine Kante, weswegen ich zur Abwechslung auch mal »Aaaauuuuu« sagte. Am Ende landete ich aber vor der Tür zum CT und wurde an einer Stelle auf dem Flur abgestellt, die man gewisser Berechtigung das Hermsdorfer Kreuz des Krankenhauses bezeichnen konnte. Der Verkehr war jedenfalls groß und ich hatte Gelegenheit Schwestern, Ärzte und Ärztinnen bei Diskussionen zu belauschen, die sich um kesse Pfleger, blöde Klamotten oder Corona drehten, was eine Pflegerin mit »Ich kann es nicht mehr hören« kommentierte.
Es war auch die Gelegenheit einem – so schien es zumindest – besoffenen Typen ein paar Türen weiter zu hören, der mehrmals »AUA! AUFHÖREN!« brüllte, was in meinem Fall nur das Kopfkino antrieb, welches in dem Fall aus Monty Python Mitgliedern bestand, die in Verkleidung als spanische Inquisition den Mann mit flauschigen Kissen piesackten.
Endlich wurde ich in den Raum mit dem CT geschoben. Das Schmerzmittel wurde abgemacht und mir ein kokosnussgroßes Ding in Plastikfolie in die Hand gedrückt, welches eine Farbe hatte, die Verkäuferinnen auf QVC gerne als »off-white« beschreiben.
»Was soll ich damit?«
»Das ist der Hodenschutz. Den machen Sie sich um die Hoden rum und ziehen dann am besten die Unterhose drüber.«
»Aha«, sagte ich, während sich die CT-Schwester oder -Ärztin umdrehte, damit ich das Ding in Ruhe anbringen konnte. Die beiden Ärzte oder Pfleger, die hinter einer Glasscheibe saßen und mich munter weiter anstarrten, brauchten mich wohl nicht zu stören.
Ich benötigte einen Moment, um zu begreifen, wie man das Ding am besten »anbringt«. Es war relativ schwer, vermutlich weil darin irgendwie Blei verarbeitet war, um die Strahlung abzuhalten, aber biegsam und so versuchte ich irgendwie gleichzeitig meine Unterhose zu dehnen und dabei das Ding über meine Familienjuwelen zu bekommen. Das ging auch, allerdings neigte das Teil dazu, sich eigenmächtig zu schließen und dann Dinge zu drücken, die besser nicht gedrückt werden, es sei denn, man steht auf sowas. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass der offizielle Name des Hodenschutzes vermutlich »Klötenquetsche 3000XL« ist.
Danach durfte ich mich dann wieder hinlegen, was mir unter viel Stöhnen auch gelang, und dann wurde mir Kontrastmittel an den Zugang angeschlossen. Immerhin will man auf den CT-Bildern ja auch etwas sehen.
Wer noch nie Kontrastmittel bekommen hat: Da läuft einem über einem Zugang das Zeug in den Arm oder wo auch immer der Zugang angebracht ist, und plötzlich hat man einen metallischen Geschmack im Mund. Es ist wirklich faszinierend, dass man Dinge, die man irgendwo hineingepumpt kriegt, schmecken oder gar riechen kann.
Und wer keine Ahnung hat, was mit CT gemeint ist: Ein Computertomograph ist ein großes, röhrenartiges Gerät, welches zwei Dinge erfüllt. 1. Es macht Bilder vom Inneren eines Körpers, ähnlich wie ein Röntgengerät, aber man sieht damit auch Weichteile, nicht nur Knochen. 2. Während des Betriebs macht es ein paar sexy Geräusche, die einem sanft ins Ohr gesäuselt werden und beruhigen sollen, Geräusche wie »Brrrrrrrrrrrrrt!«, »KLACKKLACKKLACK« oder »CHKCHKCHCK«.
Nach besagten Geräuschen durfte ich wieder aufstehen. Die Damen und Herren hinter der Glasscheibe sahen mir diesmal nicht dabei zu, wie ich an der Klötenquetsche 3000XL hantierte. Sie starrten offenbar auf mein Innerstes auf ihren Bildschirmen. Ist ja auch schön, wenn sich mal jemand für die inneren Werte interessiert.
Das Schmerzmittel wurde wieder angeschlossen und nach einem Umweg über das Hermsdorfer Kreuz wartete ich in einem Zimmer auf das Ergebnis der Untersuchung, welches auch relativ bald kam. Die Chirurgin, die mich schon vorher besucht hatte, kam herein und sagte mir, dass es tatsächlich Appendizitis war. Komischerweise musste sie mir dabei nicht mehr auf dem Bauch rumdrücken.
»Sie werden jetzt zur Station gefahren und werden dann von da zur Operation abgeholt.«
»Die Operation findet gleich heute statt?«
»Ja, natürlich.«
»Wow, okay.«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee.«
»Besser is es.«
Ein Pfleger schob mich von der Notaufnahme auf mein Zimmer in die Chirurgie. Diesmal zählte ich lediglich 345 Bodenschwellen und zwei Kanten. Im Zimmer angekommen hatte ich das Vergnügen mich auf die Operation vorzubereiten, d.h. Klamotten aus und super aufregende Netzunterwäsche an.
Um das etwas näher zu erklären: Man bekommt ein etwa waschlappengroßes Stück Stoff aus dünner Baumwolle, welches man aufklappen kann. Darin sind zwei Löcher für die Beine und dann zieht man sich das über den Hintern und Genitalbereich. Wenn man etwas korpulenter ist, so wie ich, sind die Abstände zwischen den Maschen so groß, dass im Grunde nichts der Fantasie überlassen wird, wenn man vor einem steht. Der Sinn der Hose hat sich mir nicht ganz erschlossen, weil im Grunde nur die Nudel weggeklemmt wird, man ansonsten aber praktisch nichts davon hat.
Kaum hatte ich die Reizwäsche an, kam erneut eine Chirurgin, um mich über die Operation aufzuklären.
»Im Grunde läuft alles gut oder sie sterben«, war kurzgesagt das, was ich von der Konversation mitbekommen habe.
»Prima«, sagte ich.
»Dann bitte hier unterzeichnen. Eine andere Wahl haben Sie im Grunde nicht.«
»Ich fühle mich bei Ihnen total gut aufgehoben«, sagte ich und unterschrieb den Zettel, den ich nicht gelesen hatte.
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Das wurde ich schon gefragt. Nee.«
»Besser is es.«
Im Anschluss kam noch eine Pflegerin und drückte mir einen elektrischen Rasierer in die Hand. »Da müssten Sie mal Ihren Bauch rasieren.«
»Okay.«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee, immer noch nicht.«
»Besser is es.«
Also stand ich kurz darauf im Badezimmer und rasierte mir den Bauch. Als ich gerade zwei Streifen weg hatte und noch weit davon entfernt war fertig zu sein, ging die Tür erneut auf.
»So, geht los«, sagte eine Pflegerin.
»Ich bin noch gar nicht fertig«, erwiderte ich.
»Den Rest machen die im OP. Oder auch nicht. Ich bin nicht deren Mutter.«
»Ach?«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee, wirklich nicht. Vielleicht könnte sich das mal jemand aufschreiben.«
»Besser is es.«
»Wäre es.«
»Wat?«
»Schon gut.«
Ich wurde im Bett bis zum OP-Bereich geschoben. Die Anzahl der Bodenschwellen hielt sich in Grenzen. Dort angekommen wurde ich vom Anästhesisten begrüßt.
»Hallo! Ich werde sie gleich ausknocken!«
»Wie Mike Tyson?«
»Hm?«
»Schon gut.«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee.«
»Besser is es. Dann will ich sie noch darüber aufklären, was wir machen.«
»Das hatte eigentlich schon die Chirurgin.«
»Hier geht es speziell um die Anästhesie.«
»Ach?«
»Ja, im Grunde geht alles gut oder sie sterben«, sagte der Anästhesist. Zumindest war das so die Quintessenz von dem, was er sagte. »Aber Sie sind bei uns in guten Händen.«
»Beruhigend.«
»Haben Sie eigentlich Zahnersatz oder Allergien?«
Ich sah den Anästhesisten an. Er sah mich an.
»Nun, fragte er?«
»Immer noch nicht.«
»Besser is es. Hier unterschreiben.«
Ich unterschrieb den nächsten Zettel, den ich vorsichtshalber nicht gelesen hatte.
»Na, dann kann es ja gleich losgehen.«
»Wie lange bin ich weg?«
»So ca. eine Stunde. Wir machen Sie im OP wieder wach, auch wenn Sie sich hinterher vielleicht nicht mehr daran erinnern können, dass wir miteinander gesprochen haben.«
»Okay.«
Man steckte mir noch ein paar Messgeräte an Finger und Oberkörper, dann wurde mir auch schon eine Maske aufgesetzt und kurz darauf war ich weg.

Ich erwachte im OP, wo der Anästhesist mich ansah und mich mit freundlichen Augen fragte: »AHALSKDHLAKSJBBXS?«
»Garglgarglgarglbla.«, sagte ich.
»Na, dann ist ja alles in Ordnung. Ist gut gelaufen!«
Von der anschließenden Fahrt ins Zimmer, bekam ich im Grunde nichts mit. Im Zimmer selbst war ich zumindest wieder so weit auf dem Damm, dass ich noch eine Nachricht an meine Frau schicken konnte. »Alles gut gelaufen. Bis morgen.«
Es war mittlerweile so um 22 Uhr und geschafft vom Tag und der OP fiel ich in den Schlaf.

Gegen 1 Uhr in der Nacht ging das Licht an und eine Schwester kam hereingestiefelt. Ich riss die Augen auf, wusste aber nicht, wo vorne oder hinten war.
»Palim, Palim! Wir müssen mal einen Tropf anschließen.«
Mein Geisteszustand ließ in dem Moment nicht zu, dass ich eine schlagfertige Antwort gab, sonst hätte ich vielleicht gefragt, ob sie eine Flasche Pommes Fries haben will. So lag ich einfach nur da, starrte verwirrt in die Gegend und sagte: »Wa?«
»… Tropf anschließen …«
»Blblblblblbl«, war ungefähr die Antwort, die ich herausbrachte.
»Waren sie schon pinkeln?«
»Wa?«
»Ob sie schon pinkeln waren?«
»Nee, ich hab geschlafen.«
»Sagen sie mir Bescheid, wenn sie pinkeln müssen. Wir müssen das überprüfen.«
»Ach?«, sagte ich, bevor ich wieder einschlief.
15 Minuten später ging die Tür erneut auf. Die Schwester kam wieder herein. Ich riss erneut die Augen auf.
»Wat zum Teufel?«
»Anderen Tropf anschließen.«
»Wa?«
»Sie können weiterschlafen.«
»Kann ich?«
Ich fiel wieder in den Schlaf.
15 Minuten später ging die Tür erneut auf.
»Palim, Palim! Der Tropf ist fertig.«
»Okay«, sagte ich, während sie das Ding abmachte und meinen Zugang wieder schloss. Sie ging heraus und mir fielen erneut die Augen zu.
Gegen 5 Uhr ging erneut das Licht an und die Schwester kam herein. Ich brauchte gefühlt zwei Minuten, um meine Augen in eine Position zu rollen, die das Sehen möglich machte.
»Aasdhlkjalfdkja«, sagte die Schwester.
»Wat?«, sagte ich.
»Das hier sind Schmerzmittel, falls sie welche brauchen.« Sie ergänzte noch eine lange Erklärung, von der ich aber nichts mitbekam, weil es 5 Uhr morgens war und ich geistig noch im Taka-Tuka-Land.
Ich versuchte, einen Moment so weit wach zu werden, um das Gesagte überhaupt zu verarbeiten. Wirklich verstanden hatte ich aber ohnehin nichts. »Ich glaube, ich brauche kein Schmerzmittel.«
»Na, ich stelle sie ihnen hier hin. Wollen sie jetzt vielleicht pinkeln?«
»Müssen sie dabei zuschauen?«
»Nein, wir müssen bloß sehen, dass das klappt.«
»Ich kann ja mal kurz…«
Ich wuchtete mich aus dem Bett, wobei mir mittlerweile nicht mehr die eine Seite, sondern gleich drei Stellen an meinem Bauch wehtaten. Es gelang mir ein paar Tropfen rauszudrücken, konnte der Schwester per Daumen hoch signalisieren, dass alles super gelaufen war, und fiel dann wieder ins Bett. Ist auch nicht alle Tage, dass man mit anderen Leuten darüber kommuniziert, wie das mit dem Wasser lassen so ist.
»Nehmen sie ruhig die Schmerzmittel, wenn ihnen etwas weh tut.«
»Es tut ja nur weh, wenn ich mich bewege, und im Bett tue ich das ja eigentlich nicht.«
Die Schwester ließ mich wieder allein und ich sank erneut in den Schlaf.
Gegen 6 Uhr bimmelten Glocken von der Kirche, die quer über den Platz steht. Normalerweise bin ich der Meinung, dass Kirchen, Moscheen oder was auch immer ihren Quatsch machen sollen, wenn sie meinen, aber in diesem Moment hätte ich, wenn ich einen entsprechenden Ministerposten im Bundeskabinett, der so etwas zulässt, gehabt hätte, geneigt gewesen einen Luftschlag anzufordern.
Ich dröselte erneut weg.
Gegen 7 Uhr war draußen offenbar ein Auto der Stadtentsorgung Potsdam, welches den Glasmüll aus einem Container auf dem Platz vor dem Krankenhaus verteilen musste. Zumindest hörte sich das so an.
Ich war noch immer hundemüde, aber mittlerweile so oft geweckt worden, dass ich immerhin feststellen konnte, dass das Fenster nicht nur auf war und munter kalte Luft reinbrachte, sondern auch nirgends irgendwelche Vorhänge hingen, die die mittlerweile aufgehende Sonne etwas abgemildert hätten.
Plötzlich kam ein freundlicher Herr in grünen Klamotten herein.
»Guten Morgen.«
»Wenn sie meinen.«
»Herr Niedlich?«
»Ja.«
»Ich wollte nur nachfragen, was sie denn heute essen wollen. Morgens Brötchen oder Stullen?«
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eineinhalb Tage nichts gegessen. Tags zuvor war mir der Hunger relativ egal gewesen, denn da hatte ich andere Sorgen. Als der Mann allerdings anfing, von Brötchen zu reden, sprang sofort die Speichelproduktion an und mein Magen begann zu knurren.
»Oh ja, Brötchen bitte.«
»Herzhaft oder süß?«
»Herzhaft.«
»Und mittags? Essen sie irgendwas nicht?«
»Fisch. Und Kapern.«
Der Mann machte sich Notizen.
»Und abends Schwarzbrot, Mischbrot oder Weißbrot?«
»Ganz ehrlich: Weißbrot.«
»Zwei, drei oder vier Scheiben?«
»Ich glaube, drei Scheiben genügen.«
»Gut, das habe ich mir notiert.«
Vor meinem geistigen Auge sah ich schon zwei Brötchen mit Wurst vor mir stehen und begann zu schmatzen.
»Ach, ich sehe gerade. Heute dürfen Sie noch gar nichts bekommen. Aber ich kann Ihnen einen Tee und etwas Erdbeerjoghurt bringen.«
Meine Laune sank ein ganzes Stück, aber natürlich sagte ich ihm, dass mich das freuen würde.
Kurz darauf kam er auch mit einer Tasse Tee und einer Schale zurück, die irgendeine zähviskose Flüssigkeit in rosa Farbe enthielt und mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von den Teletubbies gestohlen war.
»Guten Appetit!«, sagte er. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass er mich verarschen wollte.
Ich nahm die Schale und den Löffel und stopfte mir eine ordentliche Portion in den Mund, denn immerhin hatte ich – wie gesagt – seit anderthalb Tagen nichts gegessen. Als allerdings der Tubby-Pudding meine Geschmacksnerven berührte, wollte mein Körper in den Sitzstreik gehen.
Man hat ja gewisse Vorstellungen davon, wie etwas schmeckt, bevor man es in den Mund nimmt. Man antizipiert ein gewisses Aroma. In meinem Fall hatte ich irgendwas Erdbeeriges und Joghurtartiges erwartet. Ein Hauch Erdbeere war auch tatsächlich zu spüren. Der geschmackliche und rezeptorische Gesamteindruck, der sich mir allerdings bot, ließ mich eher glauben, dass ich gerade an einer alten Raufasertapete in den halbverfallenen Ruinen der Beelitzer Heilstätten leckte.
Mein Körper gab mir jedenfalls unterschiedliche Signale. Zum einen war da der Impuls »Gib mir bloß irgendwas zu essen!« Und zum anderen die schrillen Alarmglocken im Kopf, die mir sagten, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem Fall für den Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag zu tun haben.
Ich entschloss mich, trotzdem alles aufzuessen.
Etwa eine halbe Stunde später, kam der nette Herr in Grün wieder vorbei und holte Tasse und Schale ab. »Na, hat nicht geschmeckt, wa?«, sagte er, während ich ihm mit zuckendem Auge nachschaute.
Irgendwann kam die Visite rein. Mehrere Ärzte standen um mein Bett herum und wollten meinen Bauch betrachten. Macht man auch nicht alle Tage. Irgendein Arzt, den ich vorher noch nie gesehen hatte, beschrieb meine Symptome und was man gemacht hatte und wandte sich dann an mich.
»Na, wie geht’s?«
»Ja, muss, ne?«, sagte ich, mein Hemdchen hochhaltend.
»Irgendwelche Schmerzen?«
»Nur, wenn ich mich bewege. Ansonsten ist eigentlich alles tuffig und super.«
»Na, da können wir ihnen ja noch etwas Schmerzmittel geben.«
»Schon gut, ich hab noch das aus der Nacht hier zu stehen, aber ich glaube, ich brauche das nicht.«
»Alles klar, na dann gute Besserung!«
»Könnten sie mir vielleicht sagen, wie lange ich im Krankenhaus bleiben muss?«
»Na, so zwei oder drei Tage werden es sein. Wenn alles gut läuft, sind sie eventuell Mittwoch schon wieder raus.«
»Und wann kriege ich wieder was Normales zu essen?«, fragte ich.
Der Arzt lachte nur und ging mit seiner ganzen Truppe wieder hinaus.
Ich hätte gerne ins Kissen gebissen, wenn das nicht so dünn gewesen wäre.
Fünf Minuten danach kam eine Schwester herein und wollte mir Schmerzmittel in die Hand drücken.
»Nee, ich hab noch aus der Nacht. Und ich glaube, ich brauche die nicht. Das hatte ich eigentlich auch dem Arzt gesagt.«
»Okay«, sagte die Schwester und ging wieder raus.

So etwa gegen 9 Uhr bekam ich dann einen Zimmernachbarn.
»Tach! Ich bin Thomas, 58 Jahre alt und habe Speiseröhrenkrebs.«
»Ebenfalls tach! Ich bin Sebastian, 46 Jahre alt und habe Blinddarm.«
»Ach, das macht ja der Pförtner.«
»Wenn der Pförtner ausgebildeter Chirurg ist, kann er das von mir aus machen.«
»Ich hatte jetzt Chemotherapie und Strahlenbehandlung. Das ist ganz schön scheiße.«
»Ach was?«
»Ich hab gar keine Haare mehr. Aber hier oben wächst schon wieder nach.«
»Was du nicht sagst.«
Innerhalb der nächsten Stunden hatte ich die gesamte Lebens- und Leidensgeschichte von Thomas erfahren. Ich wusste, dass seine Frau auch schwer erkrankt ist, ich wusste, dass in dem Krankenhaus, wo er vorher war, alles kaputtgespart wurde und wahrscheinlich Merkel daran Schuld hatte, ich wusste, wie oft er im Leben verheiratet war, wo seine Töchter lebten, wie das damals nach der Wende war, als die Treuhand alles kaputt gemacht hat und wie die generelle Arbeitssituation in seiner Firma ist. Er hatte lediglich vergessen, die Höhe seiner Miete oder die PIN seiner Kreditkarte zu erwähnen.
Kurz nach 11 Uhr kam dann meine Frau endlich mit ein paar Sachen für mich. Ich hatte ja im Grunde nur mich selbst mit ins Krankenhaus genommen. Sie war auch noch da, als mein Mittagessen kam, welches aus einem Tee und einer Schale rosa Pampe bestand, die ich bereits am Morgen erhalten hatte.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Industrieschlamm«, erwiderte ich.
»Na, guten Appetit.«
Ich nahm einen Löffel voll in den Mund.
Meine Frau verzog das Gesicht, weil ich das Gesicht verzog. »Pelle?«, fragte sie.
Ich nickte.
»Nach was schmeckt das überhaupt?«
»Nach Schimmelpilzkulturen, an denen jemand mit einer Flasche Erdbeeraroma vorbeigelaufen ist.«
»Klingt ausnehmend lecker.«
Während meine Frau mir noch erzählte, wie Simon die Katze abends auf der Couch vergeblich nach mir gesucht hat, nur um sich dann auf meinem Platz zusammenzurollen, kam noch eine Schwester herein, die mir Schmerzmittel vorbeibringen wollte.
»Ich hab immer noch nicht die Pillen aus der Nacht genommen. Und ich glaube, ich brauche die auch nicht. Könnten sie das vielleicht irgendwie notieren, damit sie nicht unnötig die Tabletten verbrauchen?«, sagte ich.
»Alles klar«, sagte die Schwester.

Es wurde Nachmittag. Meine Frau war wieder weg und Thomas erzählte mir noch Details aus seinem Leben, die ich in der Form bisher von meinen besten Freunden nicht gehört hatte, noch jemals so ausführlich erzählt hätte. Ab und an musste er zu Untersuchungen oder ging rauchen, dann nutzte ich die Gelegenheit, um entweder zu lesen oder in der Mediathek die neue Staffel von »Warten auf’n Bus« zu schauen.
Dazu nutzte ich freilich das WLAN des Krankenhauses, welches mit 4 Euro am Tag nicht gerade billig war und dessen Erwerb auch unheimlich durchdacht war. Man konnte sich mit dem WLAN verbinden, um dann auf eine Anmeldeseite geschickt zu werden, wo man per Paypal zahlen konnte. Wenn man das allerdings versuchte, konnte man sich mit Paypal nicht verbinden, weil ja das Internet gesperrt war. Wer auch immer sich das System ausgedacht hatte: Bravo. Die Lösung für mich Frischoperierten war also: Aufstehen, über den Gang schlurfen, vier Stockwerke nach unten fahren, dort an einen Automaten gehen, das Internet für die kommenden Tage in bar bezahlen, denn natürlich nimmt die Maschine keine Karte, dann wieder nach oben fahren, über den Gang schlurfen und unter Stöhnen ins Bett fallen. Aber immerhin ging das Internet.
Am Nachmittag gelang es mir, auch mal kurz die Augen zuzumachen, immerhin hatte ich in der Nacht davor nur mit Unterbrechungen schlafen können. Erschwert wurde das nur dadurch, dass zwischenzeitlich irgendwelche Tropfe bei mir angeschlossen werden mussten und ich Schmerzmittel erhielt, die ich erneut dankend ablehnte.
Es wurde Abend und somit auch Zeit für das Abendbrot. Vielleicht würde ich ja ein paar Stullen erhalten, die mir am Morgen versprochen wurden. Aber eine Dame im grünen Kittel kam herein und stellte mir ein Schälchen mit rosa Pampe vor die Nase.
»Ist es das, was ich denke, was es ist?«, fragte ich.
»Was denken sie denn, was es ist?«
»Ein Kriegsverbrechen.«
»Das ist Erdbeerpudding.«
»Haben sie das mal probiert.«
»Ich weiß, es schmeckt nicht sonderlich.«
»Das ist eine Untertreibung. Geschmacklich ist es das Äquivalent zu einem schwarzen Loch. Es ist die komplette Antithese von Geschmack. Haben sie vielleicht irgendwas anderes, was sie mir geben könnten?«
»Nein, tut mir leid.«
»Dann … würde ich lieber gar nichts essen.«
»Wenn sie meinen.«
»Meine Empfehlung an den Chef. Es so hinzubekommen, dass die Geschmacksknospen die weiße Fahne schwenken, ist bestimmt nicht leicht.«
Vermutlich hatte ich mir gerade keine Freunde in der Küche gemacht, aber ich hatte das Gefühl, dass alternativ auch an der Bettdecke lutschen konnte, und in etwa denselben Effekt erzielen konnte. Hunger hätte ich ohnehin gehabt. So gehaltvoll war der Tubby-Pudding nicht, als dass ich wirklich satt geworden wäre.
Zumindest hatte ich Gelegenheit, Thomas beim Essen zuzuschauen. Ich gönnte ihm allerdings auch jeden Bissen, denn er würde am Mittwoch operiert werden und dann vermutlich für den Rest seines Lebens nicht mehr ordentlich essen können.

Die Nacht brach an. Mein Magen revoltierte. Abgesehen von zwei Portionen rosa Pampe hatte ich seit zwei Tagen nichts gegessen. Meine Hoffnung war, dass ich bald einschlafen würde und einfach den Hunger wegschlafen könnte. Denn Morgen würde ich ja bestimmt wieder normales Essen bekommen … oder? ODER?
Ich hatte gerade eine Position gefunden, die das Schlafen halbwegs möglich machen konnte, und die Geräuschkulisse des Krankenhauses irgendwie ausgeblendet, als die Tür aufgerissen wurde.
»Hallo Herr Niedlich. Ich will nur noch mal einen Tropf anschließen.«
Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach zwölf in der Nacht. »Warum muss das eigentlich mitten in der Nacht gemacht werden?«
Die Krankenschwester zuckte mit den Schultern. »Sie sollen das dreimal täglich bekommen und der Takt ist so vorgegeben.«
»Aber könnte man das nicht auch schon um 22 Uhr oder so machen, dann müsste man nicht noch um zwölf …«
Die Krankenschwester zuckte erneut mit den Schultern.
»Ja, jut, wäre das auch geklärt«, sagte ich.

An dieser Stelle kürze ich etwas ab, was in dieser Nacht passiert ist:

  • Ich ging irgendwann noch einmal raus, um mir den Tropf abnehmen zu lassen. Ein etwa zwei Meter großer Kerl mit einem Körperbau, der Superman neidisch machen würde, kam lediglich in Unterhose bekleidet auf den Flur stolziert, um zu erklären, dass sein Blasenkatheter undicht ist und er gerade von seinem Bett durch die halbe Station eine Spur hinterlassen hatte.
  • Mein Zugang wurde entfernt, weil der irgendwie nicht mehr gut war.
  • Mein Zimmernachbar stand mitten in der Nacht auf, um Pinkeln zu gehen, weswegen ich natürlich wieder hochschreckte.
  • Ein Auto fuhr in der Nähe herum und war offensichtlich der Meinung, dass man mitten in der Nacht ein Krankenhaus mit 90er Jahre Gangsta-Rap beschallen müsste.
  • Mir wurden Schmerzmittel angeboten, obwohl ich die schon mehrmals abgelehnt hatte.

Zusammengefasst: Ich schlief relativ wenig in der Nacht und gegen sechs Uhr morgens ging es mit dem Unterhaltungsprogramm im Krankenhaus weiter.

Die Schwester mit dem Frühstück kam vor der Visite. Statt der der rosa Pampe, bekam ich gelbe Pampe.
»Guten Appetit!«
»Das meinen sie nicht wirklich so, oder? Kann ich vermuten, dass das im Grunde die rosa Pampe ist, die jetzt nur eine andere Farbe hat?«
»Schon.«
»Hmmh.«
»Schmeckt nicht?«
»Wie stehen Sie geschmacklich zu Rollrasen?«
»Ich kann ihnen etwas Zucker reinmachen.«
»Das wäre … immerhin etwas«, sagte ich. »Vielen Dank.«
Sie ging heraus und kam noch einmal herein, um mir eine Menge Zucker in die Pampe zu schütten, der vermutlich meine Hausärztin Schweißperlen auf die Stirn getrieben hätte.
Ich rührte den Zucker ordentlich unter und nahm einen Bissen. Es schmeckte immer noch so, als hätte ich vom Fußabtreter genascht. Nur süßer.
Kurz darauf kam die Visite. Diesmal führte eine Ärztin den Pulk an.
»Na, wie geht’s uns denn?«
»Wie es Ihnen geht, weiß ich nicht. Ich fühle mich eigentlich prima, nur drückt es natürlich, wenn ich mich bewege.«
»Brauchen Sie Schmerzmittel.«
»Nein, eigentlich nicht. So schlimm ist es nicht. Was ich bräuchte, wäre was zu essen. Ich kriege nur das da.« Ich zeigte auf die gelbe Pampe.
»Warum kriegen Sie das denn?«
»Ich dachte, das wäre so verordnet?«
»Nee, sie können doch normal essen.«
Ich wusste einen Moment lang nicht, ob ich Aushulken und eine Kleinstadt in Schutt und Asche legen oder die Ärztin küssen sollte. »Könnten Sie der Essensschwester dann vielleicht sagen, dass ich gerne irgendwas anderes hätte?«
»Ja, machen wir.«
Vielleicht habe ich in diesem Moment eine Becker-Faust gemacht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall kam ein paar Minuten später die Schwester, die sich um die Essensverteilung kümmerte, wieder herein und brachte mir zwei Brötchen mit Butter und Wurst. Als ich den ersten Bissen nahm, meinte ich, dass irgendwo ein Chor »Halleluja« aus dem »Messias« von Händel sang.
Ich hatte seit zweieinhalb Tagen nichts oder fast nichts gegessen und hatte den Eindruck, dass Brötchen die tollste Sache auf der Welt sind. Eigentlich keine Zeitspanne, die irgendwie der Rede wert wäre. Ich fragte mich, was Leute, die wirklich und über viel längeren Zeitraum hungerten, wohl dazu sagen würden. »Idiot«, vermutlich.
Viel Zeit mit diesen Gedanken hatte ich nicht. Eine Schwester unterbrach mich, als sie hereinkam und mir Schmerzmittel in die Hand drücken wollte.

Ein weiterer Tag im Krankenhaus verging. Der Rest von »Warten auf’n Bus« wurde geschaut, Mittag gegessen und beim Abendbrot frohlockt, weil eine Tomate auf dem Teller lag. Ich schrieb meiner Frau, dass sie unbedingt noch einkaufen gehen müsste, damit wir Tomaten im Haus haben, wenn ich zurückkomme. Sie schrieb zwar eine nette Antwort, aber im Subtext meinte ich »Hast du sie eigentlich noch alle?« herauslesen zu können.
Da man mir in der Nacht zuvor den Zugang entfernt hatte, musste natürlich ein neuer gelegt werden. Die Antibiotika, die man mir per Tropf zuführte, wollten ja irgendwie in den Körper. Dummerweise schien mein Körper, der schon fünf oder sechs Stellen hatte, an denen man man mir Nadeln hineingeschoben hatte, zu sagen: »Ey, also unterstützen tue ich das nicht mehr.«
Die Ärztin, die mir einen Zugang legen wollte, hatte also arge Probleme, ein Blutgefäß zu finden, weswegen sie gleich weitere drei Male zustechen musste und ich an den Armen langsam aussah, wie ein Junkie, der im Bahnhofsklo vor sich hinsabbert. Das Krankenhauspersonal schien auch diese Karriere für mich vorzusehen, denn ich wurde weitere drei Male gefragt, ob ich denn nicht Schmerzmittel haben möchte.
In der Nacht war ich mittlerweile vorbereitet. Ich wusste, dass gegen zwölf in der Nacht noch einmal eine Krankenschwester käme, um mir ein paar Tropfe anzuhängen. Vorsichtshalber sagte ich auch noch einmal, dass ich kein Schmerzmittel brauchte, weswegen ich erst am nächsten Morgen erneut Schmerzmittel hingestellt bekam.
Bei der Morgenvisite konnte ich endlich fragen, ob ich denn entlassen werden könnte, und tatsächlich sprach wohl nichts dagegen. Es mussten nur noch ein paar Zettel ausgefüllt werden, oder so. Gegen Mittag konnte ich dann tatsächlich gehen, während mein Zimmernachbar zu seiner Speiseröhren-OP gefahren wurde.
Angezogen stand ich endlich vor dem Schwesternzimmer, um die Papiere abzuholen. Man drückte mir die Zettel in die Hand, die ich als Nachweis brauchen würde, und eine lange Plastikpackung.
»Ist das, was ich denke, was es ist?«
»Das ist Schmerzmittel, falls sie welches brauchen.«
Ich wischte mir mit der Hand über die Stirn, atmete tief durch und wünschte allen einen schönen Tag.

Drucker (Teil 2 – 2021)

Immer wieder stehe ich ja auf Kriegsfuß mit Druckern. Das geht eigentlich schon, so lange ich denken kann. Sei es damals mit den ersten Nadeldruckern, die Geräusche machten, als würde neben einem ein Kettensägermörder stehen, über Laserdrucker, deren Toner spontan explodierten, bis zu meinem Tintenstrahldrucker, der mich seit ein paar Jahren begleitet und immer wieder dafür sorgt, dass ich mir meine wenigen Brusthaare einzeln ausreiße. (Die Kopfhaare reiße ich nicht aus, ich will ja die Geheimratsecken nicht noch größer werden lassen.)
Vor ein paar Tagen hat mich meine Frau gebeten, eine Rechnung auszudrucken. Muss sie irgendwo einreichen. Irgendwo, wo man anscheinend von modernen Kommunikationsmitteln noch nie was gehört hat. Ich stelle mir dann ja immer Büros vor, in denen irgendwelche Leute in Hemd samt Strickweste sitzen und darüber reden, wie aufregend es doch war, als die mal vor fünfzehn Jahren eine Feueralarmübung hatten. Aber egal …
Meine Frau brauchte also eine ausgedruckte Rechnung. Und weil ich so ein lieber Ehemann bin, habe ich das gleich zwei Tage lang vergessen und dann aber doch noch dran gedacht, als meine Frau mich irgendwie komisch ansah. Ich schaltete also den Drucker an, der erstmal zehn Minuten Geräusche machte, als wäre er ein Rentner mit Diarrhö, der vor einer geschlossenen Toilettentür steht.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat willst du?«, dachte ich und schaute auf das Display.
»Photo Black ist alle.«
»Wat zum Teufel brauchst du Photo Black. Druck den Quatsch einfach so. Schwarz ist noch halbvoll.«
Ich weiß, dass das geht, ich habe nämlich vor einer Woche selbst etwas ausdrucken müssen, wo ich dem Drucker sagen konnte: »Bursche, drucke den Mist einfach mit dem anderen Schwarz! Warum brauchst du überhaupt zwei unterschiedliche schwarze Patronen? Und wenn du schon eine Patrone benutzt, die sich Photo Black nennt, warum wird die dann für Dokumente genutzt und nicht nur für den Ausdruck von Fotos?«
Überraschenderweise antwortete der Drucker nicht.
Jedenfalls drückte ich munter auf irgendwelchen Tasten herum, bis der Drucker meinte: »Ja, wat auch immer.«
Also rief ich die PDF mit der Rechnung auf, drückte auf das Druckersymbol, sagte »Schwarz-Weiß drucken« und klickte auf OK.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat?«
»Photo Black ist alle. Wurscht. Mach einfach.«
»Is nich, weil Photo Black ist alle.«
»Interessiert mich nicht. Mach.«
»Photo Black ist alle.«
»Meine Fresse.«
»Patrone ersetzen oder Druck abbrechen.«
»Warum gibt’s hier keine Taste, die ‚Weder noch‘ heißt?«
»Photo Black ist alle.«
»Ja doch!«
Ab diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass der Drucker einfach plante, einen Streit zwischen meiner Frau und mir vom Zaun brechen zu wollen. Aber ich dachte nur »Haha! Kannste vergessen!«
Ich hatte nämlich schon vor zwei Jahren vakuumverpackte Ersatztintenpatronen gekauft, denn die werden ja bekanntlich besser, je länger sie liegen. So wie Käse. Oder so.
»Dann tausche ich jetzt verdammt noch mal das blöde Photo Black aus.«
Also, Vakuumverpackung aufgeschnitten, Tintenpatrone raus, Klappe des Druckers hoch, alte Patrone raus, oranges Abdeckungsdingelchen von neuer Patrone ab, oranges Abdeckungsdingelchen auf alte Patrone rauf, neue Patrone rein, Klappe zu, triumphierend »Ich habe die Zauberkraft!« geschrien.
Drucker ratterte.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat?«
»Gelb ist alle.«
»WAT?«
»Gelb ist alle. Austauschen?«
»Ich will nur in schwarz-weiß drucken.«
»Mir doch egal.«
Ich weiß, dass Diskussionen mit dem Drucker da nichts bringen. Alles schon durch. Der Drucker verzog keine Miene. Ich kramte eine neue Gelb-Patrone hervor.
»TA-DA! Mich überraschst du nicht noch mal. Ich hab alles da!«
»Gelb ist alle.«
»Ja doch!«
Also, Vakuumverpackung aufgeschnitten, Tintenpatrone raus, Klappe des Druckers hoch, alte Patrone raus, oranges Abdeckungsdingelchen von neuer Patrone ab, oranges Abdeckungsdingelchen auf alte Patrone rauf, neue Patrone rein, Klappe zu, nicht ganz so triumphierend »Zauberkraft!« gerufen.
Drucker ratterte.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat? Wat denn jetzt?«
»Magenta ist alle.«
»WAT ZUM TEUFEL DU BLÖDES KACKBRATZENPILLEMANNSAUSACKARSCHLOCH? Hättest du das nicht gleich sagen können.«
»Magenta ist alle.«
»Ja doch!«
Ein Seitenblick auf den Monitor des Computers zeigte mir die Füllstände des Druckers an. Schwarz immer noch halbvoll. Photo Black voll. Gelb auch. Cyan … dümpelt irgendwo am Ende rum. Ich ahnte Schlimmes.
Also, Vakuumverpackung aufgeschnitten, Tintenpatrone raus, Klappe des Druckers hoch, alte Patrone raus, oranges Abdeckungsdingelchen von neuer Patrone ab, oranges Abdeckungsdingelchen auf alte Patrone rauf, dabei aus Versehen auf die Düse der alten Patrone gekommen, alle Finger voll mit Magenta, in einer Menge, mit der man vermutlich noch bis zum Jahr 3086 hätte drucken können, neue Patrone rein, Klappe zu, leise »Yay!« gesagt…
Drucker ratterte.
»Wehe, du machst Piep. Ich hau dich mit einem Foto-Stativ, dass definitiv kein Photo Black braucht.«
Aber der Drucker fragte mich einfach nur, ob ich jetzt drucken wollte.
»Wat, kein ‚Jetzt hätte ich gerne noch Cyan, Taupe, Mauve‘ oder irgendeine andere Farbe, von der man sich fragt, was zum Teufel es eigentlich ist?«
Ich drückte auf »Drucken«.
Der Drucker ratterte und knarzte und gab ein paar andere Töne von sich, aber zwischendurch konnte ich hören, wie das Papier eingezogen wurde. Immerhin meckerte der Drucker darüber mal nicht.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat denn jetzt?«
»Papierstau.«

Und das war die Geschichte, wie ein Drucker auf einer der Hauptverkehrsstraßen von Potsdam für eine Massenkarambolage sorgte, als er urplötzlich vom Himmel fiel.

Drucker (Teil 1 – 2017)

Gestern hatte ich mal wieder einen dieser Momente, in denen ich am liebsten ausgehulkt wäre.
Neben mir auf dem Schreibtisch steht ein netter Epson XP-830 Drucker. Letzte Woche habe ich mit dem gedruckt. Schwarz/Weiß, so wie meistens. Der Drucker beschwerte sich, dass ich eine neue schwarze(!) Tintenpatrone bräuchte. Jut, hab ich bestellt.
Gestern kam die Patrone an. Keinen Tag zu spät, denn ich wollte eigentlich dringend etwas drucken, um es an ein Amt zu schicken. Also Drucker auf, Patrone rein. »Supi«, denke ich. »Müsste ja jetzt gehen.«
‚N SCHEISS!
(Ich entschuldige mich hiermit in aller Form für den Gebrauch des Kraftausdrucks, aber ich wollte so realistisch wie möglich darlegen, was in meinem Kopf vor sich ging.)
Nun beschwerte sich der Drucker, dass die Farbpatronen Cyan/Magenta/Gelb alle waren. Komischerweise hat er letzte Woche darüber nicht gemeckert.
»Worscht!«, dachte ich. »Ich will ja nur was in schwarz drucken. Und beide schwarzen Tintenpatronen sind ja voll.«
Nun sind Drucker ja sprachlich eher unbegabt. Meiner kommuniziert mit mir eher nonverbal. Gesichtsausdruck hat er auch keinen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, er würde mir die Zunge rausstrecken und sich pathetisch eine Hand vor die Stirn halten.
Weil die Farbpatronen alle waren, weigerte sich der Drucker in schwarz zu drucken.
Ich so: »Herrgottwasfüreinscheißfrüherwarallesbesser!«
Im Internet recherchiert. Alle Seiten die ich fand kamen ungefähr zu demselben Schluß: »Tja, hm, pfft.«
Epson-Seite aufgemacht. Keine Info bei den FAQ zum Drucker gefunden. Chat mit ‚nem Servicemitarbeiter aufgemacht.
»Tach. Drucker will nicht, weil Farbpatronen alle, aber ich will nur in schwarz etwas ausdrucken und die sind voll. Kann ich das irgendwie umgehen? Danke.«
Zwei Minuten vergehen.
»Hallo!«, sagte die Chatmitarbeiterin.
»Hallo. Ja, Frage s.o.«
Zwei Minuten später folgt eine offensichtlich per Copy + Paste eingefügte Mauer von Text, die mir sagt: »Alter, ist nicht.«
»Aber die schwarzen Patronen sind voll. Ich will einfach was in schwarz drucken und nicht zwei Tage darauf warten, dass die neuen Patronen ankommen. Ich will JETZT etwas drucken.«
»Der Epson XP-830 braucht die Farbpatronen, denn das schwarz wird daraus gemischt.«
»Der Drucker hat drei Farbpatronen und zwei verschiedene Schwarzpatronen, für normalen Druck und Photodruck. Warum wird da das schwarz gemischt?«
Zwei Minuten später. »Sie müssen die Farbpatronen austauschen.«
»Ja, jut, aber kann ich will ja momentan nicht in Farbe drucken. Kann man das nicht umgehen?«
»Der Drucker mischt die Farben.«
»Warum mischt der die Farben, wenn er extra nicht nur eine sondern ZWEI schwarze Patronen drin hat, die bei mir auch noch voll sind?«
»Sie können versuchen auf Graudruck zu gehen.«
»Hab ich schon. Der meckert immer noch über die fehlenden Farbpatronen und bietet mir nur an die auszutauschen oder den Druck abzubrechen.«
»Dann reicht die Farbe in den Farbpatronen nicht mal mehr dafür aus.«
Ich schieb dir das Cyan ins Magenta bis du gelb wirst, dachte ich.
»Ich brauche die doch gar nicht! Ich will in schwarz ausdrucken. Und außerdem: Warum hat er nicht schon vorher gemeckert, dass er neue Farbpatronen braucht?«
»Sie müssen die Farbpatronen auswechseln.«
Zu diesem Zeitpunkt, hatte sich mein Gebiss irgendwie in der Tischkante verfangen und das Fenster zur Straße schien mir zuzuflüstern: »Schmeiß den Drucker hier durch.«
Ich teilte der Mitarbeiterin mit, dass es ja offenbar nichts bringt und schloss das Browserfenster. Dann schaute ich, was neue Druckerpatronen kosten, und kam zu dem Schluß, dass ich dafür entweder das nächste halbe Jahr den Mädels am Ortsausgang Groß-Glienicke Konkurrenz machen, zwei Nieren und eine Leber spenden oder so um die 200 Medikamententests über mich ergehen lassen müsste. Oder mir für 90 Euro einen neuen Drucker kaufen könnte, der nur noch schwarz druckt.
Dann war ich heute im Tintennachfüllladen™ und hab stattdessen 50 Euro für original nachgemachte Patronen bezahlt. Beim Einbauen hab ich mich dann noch mit Farbe vollgekleckert, sodass meine Hand so aussieht, als würde ich irgendwelche Wall Street Broker über Huey Lewis vollquatschen und anschließend mit der Axt das Gespräch beenden.
Und der Drucker sieht immer noch so aus, als würde er mir die Zunge rausstrecken.

Die politische Reaktion auf einen Serienkiller

»Ey, da rennt ein Serienkiller mit einem Pistole herum und bringt alte Leute um.«
»Ach?«
»Doch. Meinst du, wir sollten da mal was tun?«
»Weiß nicht. Sind doch nur alte Leute.«
»Na ja, aber die wollen ja vielleicht auch leben.«
»Meinst du?«
»Schon.«
»Aber ich habe doch gerade andere Dinge zu tun.«
»Echt? Was denn so zum Beispiel?«
»Ich will nächstes Jahr wiedergewählt werden. Da muss ich doch mal intensiv drüber nachdenken, was ich den Leuten versprechen könnte und wie ich das genau beschreibe, damit man mich hinterher nicht mehr so genau darauf festnageln kann, wenn ich es dann doch nicht mache.«
»Und meinst du nicht, dass es da ein gutes Zeichen wäre, wenn du da irgendwas gegen den Serienkiller mit der Pistole machen würdest? Ich meine, die Leute fänden das doch sicher super, wenn du dafür sorgst, dass der Typ nicht weiter Leute umbringt. Vielleicht finden die das sogar so gut, dass sie dich noch einmal wählen.«
»Jaaaaaa, schon, aber dann müsste ich doch was machen.«
»Man sollte meinen, dass du dafür ja auch bezahlt wirst.«
»Ach?«
»Doch.«
»Du meinst also, dass der Killer einfach immer weiterrennt und nicht aufhört, Leute zu töten?«
»Na ja, wenn ihn keiner stoppt, warum sollte er aufhören?«
»Weil ihm das Ganze langweilig wird?«
»Unwahrscheinlich.«
»Können die Leute nicht einfach schusssichere Wesen tragen?«
»Wo sollen die denn so schnell herbekommen?«
»Was fragst du mich das?«
»Na, du hast doch gerade den Vorschlag gemacht.«
»Ja, aber hast du jetzt erwartet, dass ich mich darum kümmere, oder was?«
»Schon.«
»Ach? Na, das ist mir ja ein dicker Hund.«
»Ich meine, man sollte annehmen, dass du dich darum kümmerst, immerhin sagst du ja den Leuten, dass die sich solche Westen zulegen sollen.«
»Na ja, das klingt doch vernünftig, oder?«
»Schon, aber dann muss man halt auch dafür sorgen, dass die Leute sich auch tatsächlich schützen können.«
»Kann das nicht der freie Markt regeln.«
»Weiß nicht, ob der das immer so gut regelt.«
»Nun stell doch nicht gleich das ganze System in Frage!«
»Mache ich doch gar nicht! Ich will doch nur wissen, was du unternimmst, damit der Typ nicht mehr andere Leute erschießt.«
»Weiß nicht … der bringt doch nur alte um, oder?. Das betrifft mich ja jetzt noch nicht.«
»Aber du bist jetzt auch nicht mehr der Jüngste.«
»Ja, aber SO alt bin ich halt noch nicht.«
»Stimmt.«
»Und bestimmt sterben ja auch nicht alle an den Schussverletzungen.«
»Das ist durchaus korrekt, aber …«
»Nur weil man eine Schussverletzung hat, heißt das ja nicht, dass man das nicht überlebt und hinterher normal weiterleben kann.«
»Na ja, man überlebt vielleicht, hat aber vielleicht so starke Verletzungen, die hinterher das Leben arg beeinträchtigen.«
»Man muss ja nicht immer alles gleich so schwarz sehen!«
»Aber es ist doch unschön.«
»Nur weil manche hinterher kein normales Leben mehr führen können, muss man doch nicht gleich alles so aufbauschen.«
»Okay, aber …«
»Viel wichtiger ist doch, dass da jemand Leute erschießt. Das sollte ja eigentlich nicht sein.«
»Ach, hast du das jetzt auch endlich verstanden?«
»Nee, das habe ich doch schon die ganze Zeit gesagt.«
»Das war mir jetzt so nicht klar.«
»Ach?«
»Doch. Also meinst du, dass man jetzt mal irgendwelche Maßnahmen ergreifen kann, damit der Typ nicht weiter mit der Pistole durch die Gegend rennt und Leute erschießt?«
»Weiß nicht. Ich will ja keine Panik verbreiten.«
»Also ich hab hier ein paar Experten, die sagen, dass man Leute wirklich davon abhalten sollte, andere Leute zu erschießen.«
»Soso, Experten. Aber die Politik bestimme immer noch ich! Ich lasse mir doch nicht von sogenannten Experten vorschreiben, wie ich Politik zu machen habe.«
»Aber vielleicht wissen die das in dem Fall besser als du.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Ach?«
»Doch.«
»Ich hab übrigens gerade erfahren, dass der Typ mittlerweile keine Pistole mehr benutzt, sondern ein Maschinengewehr.«
»Ach?«
»Doch.«
»Ist ja ungeheuerlich.«
»Nicht wahr? Da sollte man mal was machen, oder?«
»Hmm… na ja.«
»Das sind jetzt auch zunehmend mehr Leute, die sterben. Und auch nicht mehr nur alte Leute.«
»Was fällt dem eigentlich ein?!«
»Also, was soll dann jetzt gemacht werden?«
»Hatten wir nicht gesagt, dass die Leute schusssichere Westen tragen sollen?«
»Ja, aber die helfen ja auch nur bedingt. Ich meine, was ist, wenn ihnen stattdessen ins Bein geschossen wird.«
»Wenn sie Angst vor ein paar Kugeln haben, dann sollen sie halt in Deckung bleiben.«
»Und die ganzen schusssicheren Westen sollen sie auch noch selber bezahlen?«
»Selbstverständlich! Wäre ja schlimm, wenn der Staat das zahlen müsste. Der kann sich ja nicht um alles kümmern.«
»Wie zum Beispiel darum, den Typen davon abzuhalten, Leute zu erschießen.«
»Genau.«
»Sollten wir vielleicht den Leuten sagen, dass sie lieber daheim bleiben sollen, damit sie nicht dem Typen über den Weg laufen, der wahllos Leute erschießt?«
»So weit kommt es noch. Dann geht ja keiner mehr einkaufen. Oder arbeiten!«
»Aber wenn der Typ alle erschießt, dann können die ja auch nicht mehr einkaufen oder arbeiten.«
»Na ja, es sterben ja nicht alle, die angeschossen werden. Darüber haben wir doch längst diskutiert!«
»Aber wenn wir den einfach weiter Leute erschießen lassen, dann sind halt irgendwann lauter Leute tot, die sonst konsumiert und gearbeitet hätten.«
»Wir könnten ja vielleicht für fünf Minuten Geschäfte zumachen. Hauptsache die Kinder gehen in die Schulen und Kitas.«
»Übrigens schießt der Typ jetzt ganz oft auf Schul- und Kitakinder.«
»Die Sau.«
»In der Tat.«
»Tja, da kann man nichts machen. Die Kinder brauchen ja Bildung.«
»Auch wenn sie dann tot sind?«
»Sei doch nicht immer so dramatisch!«
»Experten sagen, dass man vielleicht die Schulen und Kitas schließen könnte, dann könnte man den Typen, der Leute erschießt, vielleicht auch leichter fassen.«
»Was?«
»Was was?«
»Hast du was gesagt?«
»Experten sagen, dass man …«
»Nee, ich meinte, hast du was gesagt?«
»Ja, ich hatte gesagt, dass Experten …«
»Du und deine Experten schon wieder.«
»Ja, natürlich. Es sind halt Experten.«
»Mein Gott, es ist doch nicht das erste Mal, dass ich erlebe, wie es ist, wenn geschossen wird.«
»Nicht?«
»Nein. Ich hab schon mal im Film gesehen, wie es im Krieg war.«
»Ach?«
»Doch. Und deswegen habe ich da auch ziemlich Ahnung von.«
»Die Experten sagen aber, dass das im Film gar nicht so …«
»Davon will ich jetzt nichts hören. Außerdem sind da einige Leute, die behaupten, dass es den Typen, der Leute erschießt, gar nicht gibt.«
»Aber die erschossenen Toten sind doch ganz klar …«
»Leute sterben nun mal. Nur weil irgendeiner mit einer Maschinenpistole Leute erschießt, kann man doch nicht die ganze Wirtschaft runterfahren.«
»Nicht?«
»Wer sollte uns denn sonst bezahlen?«
»Werden wir nicht von den Steuern bezahlt? Und ist es nicht so, dass der Staat seine Bürger schützen sollte?«
»Aber wovor, mein Lieber, wovor? DAS ist doch die entscheidende Frage.«
»Vor dem Typen, der rumläuft und Leute erschießt?«
»Das kann man so jetzt nicht verallgemeinern.«
»Muss man ja gar nicht. Das ist ja doch ein recht konkreter Fall.«
»Ich finde nicht, dass das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um das zu diskutieren.«
»Wann denn sonst?«
»Wir könnten uns ja vielleicht in zwei Wochen noch einmal zusammen hinsetzen.«
»Und solange erschießt der Typ weiter Leute und man kümmert sich nicht weiter drum.«
»Wir könnten doch sagen, dass wir uns darum kümmern. Und zwar sehr gut.«
»Ach?«
»Doch.«
»Aber die Leute sehen doch, dass wir uns eben nicht kümmern.«
»Das sehen die halt falsch.«
»Aber du machst doch nichts.«
»Doch, ich denke darüber nach.«
»Hast du vor irgendwann überhaupt was deswegen zu machen?«
»Hm …«
»Was?«
»Ich habe eine Idee.«
»Wie du den Killer stoppen könntest?«
»Nee, wie ich damit noch Geld verdienen kann.«
»Ach?«
»Ja, ich investiere einfach in Firmen, die schusssichere Westen herstellen.«
»Clever.«
»Danke!«
»Aber meinst du nicht, dass man vielleicht den Typen mit der Pistole trotzdem aufhalten sollte?«
»Dann würde ich doch daran nichts verdienen.«
»Stimmt auch wieder.«

Jahresrückblick 2020

Frohes neues Jahr! Man soll es kaum glauben, aber tatsächlich hat 2020 doch noch ein Ende gefunden.
Ohne jetzt lange um den heißen Brei herumzureden: 2020 war irgendwie Mist. Das bestimmende Thema war natürlich das, von dem man eigentlich nichts mehr hören will, was uns aber weiterhin beschäftigt. Merkwürdigerweise kann man es durch mehrere Wörter beschreiben, die alle mit C anfangen. Nein, ich rede nicht von Currysoße.
Aber in diesem Jahr sind noch etliche andere Dinge passiert, die erwähnungswürdig waren. Und da man über 366 Tage so manches vergisst, dachte ich, dass ich eine kleine Zusammenfassung schreibe.

Also … was geschah an welchen Tag in 2020?

01. Januar – Das Jahr fängt schon bescheiden an, als im Krefelder Zoo eine chinesische Himmelslaterne – so ein Ding, bei dem viele sagen »Oh, wie schön, ich lass da ein brennendes Ding durch die Nacht fliegen und interessiere mich dann nicht dafür, was mit dem Dreck passiert!« und was eigentlich in Deutschland verboten ist – das Affenhaus in Brand setzt. Mehr als 50 Tiere sterben, darunter viele Menschenaffen. Zwei überlebende Schimpansen, Bally und Limbo, warten bisher auf den Umzug in einen neuen Zoo. Die Brandverursacher warten noch auf den Umzug ins Gefängnis.

02. Januar – Die Regierung von New South Wales, Australian, ruft den Notstand aus. »Äh, Leute, wir stehen buchstäblich in Flammen.«
»Was denn jetzt genau?«
»Also eigentlich alles.«

03. Januar – Der Exoplanet »TOI 700 d« wird entdeckt. Er hat in etwa die Größe der Erde und liegt in der »Lebenszone« des Roten Zwergs, den er umkreist. Für alle, die sich gleich auf den Weg machen wollen: Er ist etwa 101,4 Lichtjahre entfernt. Also eine Stulle sollte man sich schon einstecken.

08. Januar – Nachdem die USA am 03. Januar den iranischen General Qasem Soleimani durch einen Drohnenangriff und mit fadenscheinigen Gründen im Irak getötet haben, führt der Iran Vergeltungsschläge aus. Im Gegensatz zu den USA, warnt der Iran die entsprechenden Stellen, weswegen es nur zu Verletzungen und keinen Toten kommt, auch wenn das iranische Fernsehen etwas anderes behauptet. Außerdem schießen die Iraner noch ein ukrainisches Zivilflugzeug mit 176 Insassen ab, was sie zunächst bestreiten. Am Ende geben sie es aber zu und sagen: »Hüppserchen! Na ja, kann ja mal vorkommen.«

16. Januar – In den USA startet das Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Donald Trump. Da die Partei des Präsidenten allerdings die Mehrheit im Senat hat und so verhindern kann, dass gewisse Zeugen gehört werden, kann Trump am 05. Februar freigesprochen werden.
Vergleichen kann man das ganz grob, indem man sich vorstellt, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Nazis bei den Kriegsverbrechensprozessen Vetorechte gehabt hätten.

21. Januar – Der britische Komödiant Terry Jones stirbt. Das Mitglied von »Monty Python« stirbt komischerweise nicht dadurch, dass er von einem großen Fisch im Gesicht getroffen wird.

22. Januar – Katerina Sakellaropoulou wird zur griechischen Staatspräsidentin gewählt. Sie ist damit die erste Frau, die dieses Amt bekleidet. Das erklärt ihr hinterher noch mal ein Mann genauer.

27. Januar – Der erste bestätigte Fall von Covid-19 in Deutschland, genauer gesagt Bayern, tritt auf. Das Risiko einer weiteren Kontamination wird vom bayerischen Gesundheitsministerium als »gering« eingestuft.

30. Januar – Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft Covid-19 als »Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite« ein. Es ist erst das sechste Mal, dass so ein Ereignis seit dem Inkrafttreten der internationalen Gesundheitsvorschriften im Jahr 2005 auftritt. Und die meisten Länder reagieren darauf mit: »Na ja, der Rest war ja auch nicht so schlimm.«

31. Januar – Großbritannien sagt ganz offiziell »Tschüssikowski« zur EU. Und zu tausenden Jobs, die in Großbritannien wegfallen.

05. Februar – Bei der Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten lässt sich Thomas Kemmerich von der FDP mit den Stimmen der AfD wählen. So ziemlich allen demokratisch verankerten Politikern und Menschen in Deutschland fällt daraufhin die Stulle aus dem Gesicht. »Wie jetzt? Die FDP macht mit Nazis gemeinsame Sache?«

06. Februar – Thomas Kemmerich, kürzlich gewählter Thüringer Ministerpräsident, sagt »Ja, hm, war jetzt vielleicht nicht die beste Idee die Wahl anzunehmen« und kündigt seinen Rücktritt an. Zwei Tage später tritt er dann auch zurück, bleibt aber 27 Tage geschäftsführend im Amt bis Anfang März Bodo Ramelow, der vorherige Ministerpräsident, wiedergewählt wird. Das ihm zustehende Gehalt von 93.000€ verspricht Thomas Kemmerich übrigens zu spenden, u.a. der »Vereinigung der Opfer des Stalinismus«, einer Organisation, deren thüringischer Landesverband von einem ehemaligen AfD-Politiker geleitet wird.

07. Februar – In der Antarktis werden 18,3°C gemessen. Ein paar Pinguine ziehen ihre Fracks aus.

09. Februar – In Los Angeles werden die Oscars verliehen. Bester Film wird »Parasite« von Bong Joon-ho, der insgesamt vier Auszeichnungen erhält. Und, erinnert sich noch jemand an eines der für den »Besten Song« nominierten Lieder? Na? Genau.

11. Februar – Die Weltgesundheitsorganisation WHO benennt die neuartige Krankheit, die durch Coronaviren verursacht wird. Man einigt sich auf »Covid-19«. Auf Platz 2 folgt »Uschi-2« und auf Platz 3 »Diethard-98«. Abgeschlagen bleibt »Coughy McCoughface«.

19. Februar – Ein Trottel erschießt in Hanau zehn Personen, das Gros davon mit Migrationshintergrund. Und der deutsche Innenminister so: »Ja, da müsste man schon mal prüfen, ob das mit den Waffengesetzen so noch richtig ist, aber vielleicht nicht zu dolle.«

21. Februar – Parlamentswahlen im Iran. Merkwürdigerweise scheint es hier weniger Probleme zu geben, als bei gewissen anderen Wahlen, die später im Jahr stattfinden.

29. Februar – Alle so: »Wisst ihr was echt dufte wäre? Wenn der öffentliche Nahverkehr kein Geld kosten würde.«
Luxemburg: »Halte mal mein Bier …«

16. März – Der Gewinner für den schlechtesten Film 2019 wird bekanntgegeben. Völlig unüberraschend wird es das Musical »Cats«, in dem Menschen, die in von Computergrafik hinzugefügten Katzenkostümen herumspringen, Lieder singen und in einer Handlung spielen, die keinen Sinn ergibt. Wahrscheinlich lag es daran, dass man vorher die durch die Computergrafik generierten Löcher im Hintern der Schauspieler extra wieder herausretuschieren musste …

20. März – Das Spiel »Animal Crossing: New Horizons« erscheint für das Spielsystem Nintendo Switch und ist für viele der Lichtblick in einer Welt, in der das Leben immer mehr durch Covid-19 bestimmt wird. Weil Zusammenkünfte im echten Leben nicht mehr funktionieren, kommt man im Spiel zusammen und veranstaltet Hochzeiten, Begräbnisse, Abschlussfeiern und sogar Talkshows mit berühmten Gästen. Selbst das Kampagnenteam von US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden veröffentlich Banner, die man sich im Spiel in seinen Garten stellen kann. Sein Konkurrent Trump kann dem allerdings nichts abgewinnen, weil man darin nicht Golf spielen kann.
Ferner wird an diesem Tag die Dokumentarserie »Tiger King« auf Netflix veröffentlicht und kurz darauf zu einem weltweiten Phänomen. Wer hätte schon gedacht, das eine Dokumentation über homosexuelle Großkatzenhalter, die fragwürdige Musikvideos produzieren und Morde in Auftrag geben so einschlagen würde?

22. März – In Deutschland wird wegen der Covid-19-Krise ein bundesweites Kontaktverbot beschlossen. Bundeskanzlerin Merkel muss zudem in Quarantäne, wird aber später negativ getestet. Manch einer überlegt, ob er seine Aktien verkaufen soll und sein Geld stattdessen in Toilettenpapier anlegt.

24. März – Das Deutsche Patent- und Markenamt bestätigt, dass die Currywurst (ohne Darm) offiziell aus Berlin stammt und deswegen auch nur noch daher kommen darf. Thüringer Bratwursthersteller beißen traurig in ihre Tische.

27. März – Außerplanmäßig erteilt Papst Franziskus den »Urbi et orbi«-Segen anlässlich der weltweiten COVID-19-Pandemie. Er macht da auch irgendwas als erster Papst überhaupt – wedelt irgendwie mit einem Goldständer statt der Hand oder so – während auf dem Petersplatz in Rom aus Infektionsschutzgründen alles leer ist.

29. März – Nach 35 Jahren läuft die letzte Folge der »Lindenstraße« im deutschen Fernsehen. Jetzt weiß man gar nicht mehr, was man verpasst, wenn man was anderes schaut.

30. März – Soul-Sänger Bill Withers stirbt und man kriegt gefühlt alle fünf Sekunden eine Nachricht in den sozialen Medien darüber, sodass man am liebsten sagen möchte: »I know, I know, I know, I know, I know, I know, I know, I know, I know, I know…«

06. April – Nachdem er aus Coronaschutzgründen geschlossen wurde, beginnen die Pandas im Zoo von Hong Kong mal wieder zu schnackseln. Stellt sich doch glatt heraus, dass sich Pandas beim Geschlechtsverkehr auch nicht gern beobachten lassen.

12. April – Papst Franziskus erteilt innerhalb eines Monats zum zweiten Mal den »Urbi et orbi«-Segen, obwohl das normalerweise nur alle halbe Jahre vorkommt. Aber ist ja Ostern, da kann man das ja mal machen. Außerdem macht er das im Livestream. Das findet er dann so spannend, dass er seitdem auf Twitch streamt, wie er »Fortnite« spielt.

20. April – Zum ersten Mal in der Geschichte ist der Preis auf ein Fass amerikanisches Öl an den Börsen auf einem negativen Wert. Kurzgesagt: Wollen die Ölkonzerne ihr Öl verkaufen, müssten sie den Abnehmern noch 40 Dollar pro Fass zahlen.

24. April – Der Deutsche Filmpreis wird verliehen. Bester Film wird »Systemsprenger«, eine Geschichte über ein 9-jähriges Mädchen, deren Weg zwischen wechselnden Pflegefamilien, Aufenthalten in der Psychiatrie und Heimen und erfolglosen Teilnahmen an Anti-Aggressions-Trainings gezeigt wird. Also so ein richtiger Gute-Laune-Film, bei dem man sich nach einem harten Tag richtig entspannen kann.

26. April – König Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud von Saudi-Arabien erklärt per königlichem Dekret, dass Minderjährige für Verbrechen nicht mehr hingerichtet werden sollen. Prima, dann werden jetzt nicht mehr rund 180 Leute im Jahr hingerichtet, sondern nur noch 175!

27. April – Das US-amerikanische Verteidigungsministerium gibt drei Videos frei, die »unidentifizierte Flugobjekte« zeigen. Und alle so: »Wat? UFOs? Wat soll denn dieses Jahr noch kommen?«

02. Mai – Die New York Times berichtet darüber, dass sich asiatische Riesenhornissen in den USA breitmachen und Bienenvölkern die Köpfe abreißen. In den Staaten schüttelt man nur den Kopf: »Soll das heißen, dass wir es jetzt nicht nur mit einer Pandemie, sondern auch noch mit Mörderhornissen zu tun haben?«
Ja, das heißt es.

03. Mai – Ein paar venezolanische Exilanten und einige angeheuerte Söldner versuchen von Kolumbien aus, mit Booten in Venezuela einzudringen, um dort das Regime von Nicolás Maduro zu stürzen. Die venezolanische Armee wartet aber bereits auf sie, tötet ein paar und nimmt den Rest gefangen. Hinter fragt Venezuela die USA: »Leute, wat soll der Scheiß?«
Die USA: »Wat? Wir? Wir haben damit doch gar nichts zu tun. Sowas käme uns doch nie in den Sinn. Ist es ja auch noch nie. Wir haben uns ja noch nie irgendwo in die Politik eingemischt oder mit Waffengewalt irgendwas angestellt …«

04. Mai – Milliardär und Unternehmer Elon Musk und Musikerin Grimes werden Eltern. Der Name ihres Sohnes sorgt für Aufregung: X Æ A-12.
Aber keine Bange! Später entschließen sich die beiden, ihn doch noch umzubenennen, sodass der Name leichter aussprechbar wird. Er heißt jetzt X Æ A-XII.

06. Mai – Astronomen geben die Entdeckung des bis dato erdnahesten, bekannten schwarzen Lochs in ca. 1.000 Lichtjahren Entfernung bekannt. Seine Begleitsterne kann man sogar mit bloßem Auge sehen. Und dazwischen … ja, da ist das schwarze Loch, das man nicht sehen kann.

09. Mai – Der Rock’n’Roll-Sänger Little Richard stirbt. Ihm haben wir so unsterblich-poetische Textzeilen wie »Wop bop a loo bop a lop bam boom« zu verdanken.

10. Mai – Die iranische Navy schießt auf ein eigenes Schiff. Neunzehn Seeleute sterben. Der Iran: »Hüppserchen!«

11. Mai – Das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie gibt bekannt, dass man nach der Radiocarbondatierung und DNA-Analyse von ein paar in Bulgarien gefundenen Knochen belegen kann, dass der »Homo sapiens« tausende Jahre früher in Europa ankam, als man zunächst dachte. Ja, so ist das mit der dusseligen Verwandtschaft: Man zieht sich gerade noch an, da stehen sie schon vor der Tür.

12. Mai – In Afghanistan stürmen ein paar Taliban eine Entbindungsstation in Kabul und ein Begräbnis in Kuz Kunar. 56 Leute lassen ihr Leben, 148 weitere werden verletzt, darunter Neugeborene, Mütter, Krankenschwestern und Trauernde. Weil normal denkende Menschen es selbstverständlich für eine gute Idee halten, ausgerechnet eine Entbindungsstation anzugreifen.

15. Mai – An diesem Tag soll die neue Weltordnung (NWO) beginnen. Also Bill Gates chippt alle, um dann … Dinge zu tun. Satan macht wohl auch mit. Das Ganze kann durch das beherzte twittern, posten von YouTube-Videos und Nachrichten auf Telegram durch einen veganen Koch, einen Sänger, bei dem man nicht so recht weiß, ob er singt oder heult, und ein paar Leute, die während ihrer Schulbildung lediglich intensiv Raufasertapete angestarrt haben, verhindert werden.

18. Mai – Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält seine Weltgesundheitsversammlung – quasi das Entscheidungsgremium der WHO – erstmals per Videokonferenz ab. Die ersten zwei Stunden ist man zunächst mal beschäftigt zu fragen: »Könnt ihr mich hören?«

24. Mai – Die Minengesellschaft Rio Tinto fragt: »Sagt mal, diese Höhlen mit den alten heiligen Gegenständen von den Aboriginies, die historisch total wertvoll waren und noch viel älter, als ursprünglich mal gedacht, die brauchtet ihr doch nicht mehr, oder? WIr haben die nämlich gerade gesprengt …«

25. Mai – In den USA wird der 46-jährige Afroamerikaner George Floyd gewaltsam festgenommen. Einer der Polizisten, die ihn bewegungsunfähig auf dem Boden halten, legt ihm dabei ein Knie auf den Hals: »Hab dich nicht so, andere Leute können auch fast neun Minuten lang die Luft anhalten.« Floyd überlebt es nicht und landesweit kommt es zu Protesten, während denen es zu weiteren Fällen von Polizeigewalt kommt. Die »Black Lives Matter«-Bewegung nimmt an Fahrt auf.

27. Mai – Der Nationale Volkskongress der Chinesen beschließt ein neues Gesetz in Bezug auf Hong Kong. »Also wenn die da irgendwie Demokratie und sowas fordern, dann sind das doch eigentlich Terroristen, oder?«

29. Mai – US-Präsident Donald Trump verkündet den Austritt der Vereinigten Staaten aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO), weil es glücklicherweise gerade keine weltweite Pandemie gibt, die gerade in den USA eine horrende Anzahl an Todesfällen verursacht, bei der die WHO helfen könnte.

30. Mai – Nach neun Jahren ohne bemannten Raketenstart in den USA, startet erstmals eine Rakete der Firma SpaceX mit zwei NASA-Astronauten an Bord. Als die Astronauten am folgenden Tag an der Internationalen Raumstation andocken, sagen sie: »Leute, wir haben euch was mitgebracht?«
»Was denn?«
»Covid-19!«
(Haben Sie nicht. Die NASA hatte entsprechende Schutzvorkehrungen getroffen.)

31. Mai – Der US-bulgarische Künstler Christo stirbt und man überlegt, ob man seinen Sarg nicht schön verpacken sollte.

01. Juni – Die Weltgesundheitsorganisation gibt bekannt, dass im Kongo mal wieder Ebola ausgebrochen ist. »Gibt ja nicht schon genug Probleme wegen Covid-19, wisst ihr?«

11. Juni − Forscher geben bekannt, dass sie ein Bose-Einstein-Kondensat auf der ISS produziert haben, es aber absolut scheußlich schmeckt.

30. Juni – Die Europäische Südsternwarte (ESO) gibt bekannt, dass ein Stern weg ist. Nein, kein Stern auf dem Mercedes-Benz des Direktors. Ein echter Stern am Himmel ist plötzlich weg. Die Forscher brechen aber nicht in Panik aus. »Vermutlich heißt das nur, dass das Ding ohne große Explosion zum schwarzen Loch geworden ist.« Beruhigend.

01. Juli – Wladimir Putin: »Sacht ma, Leute, was haltet ihr denn davon, wenn ich bis in alle Ewigkeit Chef vons Ganze bleibe?«
Die russischen Wähler: »Ach, ja, warum nicht? Mit Diktatoren haben wir doch so gute Erfahrung gemacht.«

03. Juli – Die Rolling Stones erreichen mit dem Lied »Living in a Ghost Town« den ersten Platz der deutschen Charts. Das geschieht 52 Jahre nach ihrem letzten deutschen Nummer-1-Hit »Jumpin’ Jack Flash« und stellt somit einen neuen Rekord auf.

06. Juli – Der italienische Komponist Ennio Morricone spielt zum letzten Mal das Lied vom Tod.

07. Juli – Wladimir Putin überlegt öffentlich, ob man nicht ein regenbogenfarbenes Eis verbieten sollte, weil das die LGBT+-Agenda verbreiten würde. Wie man generell Regenbögen verbietet, hat er noch nicht so richtig durchdacht.

10. Juli – Die Europäische Zentralbank nimmt Bulgarien und Kroatien in den Wechselkursmechanismus II auf. Im Grunde ist das die Phase, in der die EU sagt: »So, jetzt lass Papa mal schauen, ob du das auch auf die Reihe kriegst.«

15. Juli – Die Twitter-Accounts von berühmten Leuten werden gehackt, um irgendeinen Bitcoin-Betrug zu bewerben und nicht die Bücher eines gewissen Schriftstellers aus Potsdam. Frechheit.

25. Juli – Der nordkoreanische Führer Kim Jong-Number-Un erklärt einen Lockdown im Land, weil bei einer Person vermutlich Covid-19 festgestellt wird. Der Rest der Welt: »Wie? Seid ihr nicht die ganze Zeit im Lockdown?«

28. Juli – Der ehemalige Premierminister von Malaysia Najib Razak wird in allen Anklagepunkten in seinem Verfahren schuldig gesprochen. Grob gesagt, hatte er in seiner Zeit als Premierminister verfügt: »Ey, wie wäre es denn, wenn das Geld für die Unternehmensentwicklungen im Land nicht an die Firmen rausgeht, sondern an mich! Also ich kann 700 Millionen US-Dollar wirklich gebrauchen!«
Die nächsten zwölf Jahre kann er darüber nachdenken, warum der Plan vielleicht nicht der cleverste war.

04. August – Frei nach dem Motto »Lasst uns doch mit Flammen herumhantieren, wo durch Flammen entzündbares Zeug liegt, das hochexplosiv ist!«, beginnt man Schweißarbeiten in einem Haus im Hafen von Beirut, in dem Feuerwerkskörper lagern. Es kommt zum Feuer und letztlich zu einem großen Bumm, bei dem gefühlt die halbe Stadt in die Luft fliegt. Selbst in über 20 Kilometer Entfernung bersten noch Fenster durch die bei der Explosion entstandene Druckwelle.

07. August – Der Pilot von Air India Express Flug 1344 kann während des Landeanflugs auf den Calicut International Airport nicht richtig sehen und landet deswegen etwa 100m hinter der empfohlenen Landezone. Das Flugzeug kommt nicht rechtzeitig zum Stillstand, rollt über das Ende der Landebahn hinaus und rutscht einen Hang hinunter. 21 Personen sterben, 169 werden verletzt. Die Überlebenden wischen sich den Schweiß von der Stirn, bis zwei von ihnen positiv auf Covid-19 getestet werden. Weitere 24 Leute stecken sich daraufhin mit dem Virus an, die fragen: »Erst überlebe ich einen Flugzeugabsturz und dann dieser Mist?«
Eine malayische Firma hat übrigens schon angekündigt, das Ganze zu verfilmen.

09. August – Die Präsidentschaftswahlen in Weißrussland enden. Offizieller Wahlsieger wird Alexander Lukaschenko, der vorsorglich hinterher erstmal in die Demonstranten schießen lässt, die meinen, dass da mit der Wahl vielleicht irgendwas nicht ganz sauber war.

19. August – Die belgische Stadt Gent gibt zu, dass sie ein Problem hat, welches sich »wilde Kacke« nennt. Wegen des Corona-Lockdowns wurden nicht nur Geschäfte geschlossen, sondern auch die meisten öffentlichen Toiletten. Obdachlose und auch andere Leute, die hin und wieder aufs stille Örtchen müssen, weichen dafür auf öffentliche Plätze aus.

23. August – Bayern München gewinnt die UEFA Champions League gegen Paris Saint-Germain. Oder für normale Leute ausgedrückt: Irgendwelche Leute, die ein Stück Leder mit Füßen treten, haben besagtes Leder besser als andere Leute getreten, die dafür aber auch zuviel bezahlt bekommen. Und am Ende haben irgendwelche Leute gejubelt, die damit eigentlich gar nichts zu tun hatten.

25. August – Nachdem man vierzig Jahre zuvor schon die Pocken ausgemerzt hatte, erklärt man ganz Afrika jetzt auch frei von Polio. Schon faszinierend, wie viele Menschenleben man mit Impfstoffen retten kann.

26. August – Der CEO von Amazon, Jeff Bezos, wird die erste Person der Geschichte, die über 200 Milliarden US-Dollar auf dem Konto hat. Wobei das die Inflation völlig außer Acht lässt. So hätte Jakob Fugger wahrscheinlich um die 400 Milliarden gehabt. Und beide hatten wahrscheinlich ähnliche Vorstellungen davon, wie wenig man sich um die eigenen Mitarbeiter kümmern sollte …

27. August – Leute in Louisiana: »Eigentlich haben wir schon genug Sorgen wegen der Pandemie.«
Hurrikan Laura: »Kuckuck! Ich dachte mal, ich reiße euch die Masken vom Gesicht.«
Leute in Lousiana: »Seufz.«

28. August – Shinzō Abe, der am längsten amtierende Premierminister Japans, gibt bekannt, dass er von seinem Posten zurücktreten möchte. Gesundheitlich geht es ihm nicht so gut und außerdem kommt ja auch bald die Playstation 5 auf den Markt, da braucht er mehr Zeit. Am 16. September scheidet er aus dem Amt aus.

31. August – Laut des fünften Sachstandsberichts des zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) der Vereinten Nationen entsprechen die Eisverluste in Grönland und der Antarktis den Worst-Case-Szenarien der Projektionen zum Meerespiegelanstieg. Im Grunde sagt man: »Leute, wir kriegen bald nasse Füße.«
Die Regierungen der Welt antworten: »Na, dann legen wir halt die Füße hoch.«

02. September – Uganda verkündet, dass es bei den bedrohten Berggorillas zu einem Baby-Boom gekommen ist. Sieben Gorillababys gab es im Jahr, mehr als doppelt so viele als im Jahr zuvor. Ein paar Menschen sitzen allerdings daheim und schwitzen nervös: »Diese Filme vom Planeten der Affen fingen auch mit einer Pandemie an und plötzlich haben die Affen die Kontrolle übernommen!«

03. September – Während der Bauarbeiten am Flughafen Santa Lucía von Mexico City werden die Überreste von 200 Mammuts und 30 weiteren Tieren freigelegt.
Und alle Wissenschaftler: »YAY!«
Und alle anderen: »Tja, dann bauen wir mal weiter, wa?«

04. September – Papst Benedikt XVI. wird mit 93 Jahren, vier Monaten und sechzehn Tagen der am ältesten gewordene Papst. Zwar papstet er ja eigentlich gar nicht mehr, aber da kann man ja mal ein Auge mit einer Hostie zudrücken.
In Kolumbien wird außerdem der über acht Kilometer lange Tunnel »La Línea« eröffnet, der längste Tunnel in ganz Amerika. Kann man sich endlich mal die schöne Landschaft Kolumbiens von unten anschauen.

14. September – Im abtauenden Permafrost von Sibirien findet man einen fast perfekt erhaltenen Höhlenbären, so zwischen 22.000 und 35.000 Jahren alt. Und da soll man noch mal sagen, dass die Erderwärmung nichts Tolles hervorbringen kann!

16. September – Der UN-Menschenrechtsrat wirft der Regierung von Venezuela unter Nicolás Maduro Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor, u.a. systematisches Töten, Folter, sexuelle Gewalt und Teilen von Links auf das YouTube-Video von Rick Astleys Hit »Never Gonna Give You Up.«

18. September – Ruth Bader Ginsburg, US-amerikanische Juristin und Mitglied des US Supreme Courts, stirbt in Washington D.C. Als eine der wichtigsten Personen der US-Justiz in Hinblick auf die Gleichberechtigung von Frauen, Schwarzen und Homosexuellen, wird sie verständlicherweise durch eine Frau abgelöst, die von alledem nicht viel hält.

02. Oktober – US-Präsident Donald Trump gibt bekannt, dass er an Covid-19 erkrankt ist. Sehr zum Missfallen des Großteils der Weltbevölkerung übersteht er die Krankheit.

06. Oktober – Der legendäre Gitarrist Eddie Van Halen stellt zum letzten Mal seine Gitarre in die Ecke.

23. Oktober – Nach acht Jahren Pause bringt die Band »Die Ärzte« ein neues Album auf den Markt. Ja, wirklich alle Ärzte haben in diesem Jahr zu tun.

26. Oktober – Die NASA bestätigt, dass es selbst auf der Sonnenseite des Mondes Wasser gibt. Gut, in der Wüste gibt es verhältnismäßig Hundert Mal mehr Wasser, als auf dem Mond, aber man will ja nicht kleinlich sein.

31. Oktober – Der schottische Schauspieler Sean Connery tritt von der Bühne und hat keinen Martini mehr, weder schüttelt noch gerührt. Sehr wahrscheinlich ist er vor Schreck gestorben, denn völlig überraschend eröffnet der Flughafen Berlin-Brandenburg nach gefühlt 500 Jahren Bauzeit.

02. November – Ein Trottel der islamistischen Gruppe IS läuft in der Wiener Innenstadt Amok und bringt Leute um. Weil man hinterher den Namen des Trottels nicht bekannt machen will, beschließt die Öffentlichkeit kurzerhand, ihn nur »Oaschloch« zu nennen.
In Rotterdam hingegen, kann eine U-Bahn nicht mehr rechtzeitig halten und kracht durch das Ende des Bahnhofs, der in dem Fall überirdisch liegt. Glück im Unglück: Die Bahn kommt auf einer großen Skulptur eines Wals zum Stehen und fällt nicht zehn Meter in die Tiefe, was dem Fahrer das Leben rettet, aber vermutlich nicht den Job.

03. November – In Bath heiraten die beiden 20-jährigen Kindheitsfreunde Tilly und Kieran. Sie beschließen, ihre beiden Nachnamen zu einem Doppelnamen zu vereinen: Sie sind jetzt offiziell Mr. und Mrs. White-Christmas.

07. November – Vier Tage nach den US-Präsidentschaftswahlen rufen die meisten Medien Joe Biden als neuen Präsidenten aus. Das offizielle Wahlergebnis lässt noch bis zum 23. November auf sich warten, aber die meisten Republikaner, darunter Präsident Trump, versuchen im Nachgang, immer noch so zu tun, als könnte das Ergebnis gar nicht stimmen, denn wo käme man denn dahin, wenn man einen totalen Versager auf einmal abwählt …

09. November – Die Firmen Pfizer und BioNTech geben bekannt, dass sie einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt haben, der 90% effektiv sein soll. Einen Tag später sagt Russland, dass ihr Sputnik-V-Impfstoff 92% effektiv sein soll. Neun Tage später sagen Pfizer und BioNTech, dass ihr Impfstoff 95% effektiv sein soll. Russland überlegt daraufhin, ob ihr Impfstoff nicht auch noch junges Gemüse ohne Vitaminverlust putzt.

17. November – Der US-amerikanische Regisseur Spike Lee gibt bekannt, dass er einen Film über Viagra drehen will. Nicht nur das: Es soll auch ein Musical werden. Wer also schon immer auf einen Song gewartet hat, in dem die Standhaftigkeit eines geriatrischen Penis besungen wird …

25. November – Diego Maradona stirbt mit 60 Jahren. Der ehemalige argentinische Fußballnationalspieler war einer der bekanntesten Fußballspieler der Welt und verstirbt komischerweise nicht daran, dass er eine Badewanne voll Kokain schnupft.

28. November – Schauspieler und Bodybuilder David Prowse stirbt. Seine bekannteste Rolle war sicherlich die des Darth Vader in den »Star Wars«-Filmen. Wegen seiner großartigen Schauspielkunst ersetzte man ihn allerdings in den Szenen, in denen Vader keine Maske trägt, lieber durch einen anderen Darsteller.

05. Dezember – Russland beginnt damit sein Sputnik-V-Vakzin, bei dem man ein paar Schritte zur Zulassung unterschlagen hat, unter die Leute zu bringen. Zuvor hatten 52 Prozent von 3040 befragten russischen Ärzten und im Gesundheitsbereich arbeitenden Personen gesagt, dass sie das lieber nicht nehmen würden. Beruhigend.

07. Dezember – Chuck Yeager, amerikanischer Testpilot und erster Mensch, der die Schallmauer durchbrach, stirbt mit 97 Jahren. Sagen wir mal so: Mit dem Sterben hat er sich mehr Zeit gelassen, als mit dem Fliegen.
Außerdem gibt IKEA bekannt, dass es nach 70 Jahren keinen gedruckten Katalog mehr geben wird. Den gibt es nur noch im Internet – zum herunterladen und selbst zusammenbauen.

08. Dezember – In Großbritannien beginnt man mit den Massenimpfungen gegen Covid-19. Im Gegensatz zu Russland arbeitet man hier mit einem Impfstoff, bei dem man nicht sagte »Eh, passt schon.«

14. Dezember – Der Vulkan Ätna bricht mal wieder aus, weil der sich dachte, dass die Katastrophenlage im Jahr 2020 noch nicht voll ausgeschöpft war.

20. Dezember – Nachdem man eine neue, deutlich ansteckendere Variante des Covid-19-Virus in Großbritannien ausgemacht hat, beschließen viele Länder Einreisestopps für Personen, die von dort kommen. »Könnt ihr euch schon mal dran gewöhnen, wie das nach dem Ablauf der Brexit-Frist ist«, sagen viele EU-Bürger zu den Briten.

21. Dezember – Eine große Konjunktion von Jupiter und Saturn findet statt, d.h. beide Planeten kommen sich so nahe wie seit rund 20 Jahren nicht mehr.
Jupiter: »Und? Wie isset?«
Saturn: »Ach, muss.«

22. Dezember – Covid-19 gibt es jetzt auch offiziell in der Antarktis. Damit hat der Virus es auf jeden Kontinent geschafft und kriegt einen Preis oder so.

24. Dezember – Die EU und die Briten einigen sich doch noch kurz vor Ablauf der Frist auf ein Handelsabkommen für die Nach-Brexit-Zeit. Ein kleines Weihnachtswunder. Um das Handelsabkommen in einfachen Worten zu beschreiben: Es ist in etwa so, als hätten die Briten beim Weihnachtsessen darauf bestanden, dass sie selber ihre eigene Mahlzeit kochen, während sie ihre Küche in Brand gesetzt haben, und die EU überlässt ihnen nachträglich zumindest noch etwas die Reste vom Nachtisch.

27. Dezember – In der EU beginnt die Impfung gegen Covid-19. Ein deutscher Pilot, Samy Kramer, möchte die Leute daran erinnern und fliegt mit seinem Flugzeug eine Route, die man später auf dem Flugradar als große Spritze erkennen kann.

31. Dezember – Tausende trauern, weil sie ihren Kindern nicht wie jedes Jahr zum Jahreswechsel, explosive Stoffe in die Hand drücken können, die das Potential haben, eben diese Hand in einen Haufen Kohle zu verwandeln.

Jetzt erhältlich: Kolumbus hat Indien immer noch nicht entdeckt Band 1-4!

Hallo Fans!

Viele, die mir in den sozialen Medien Folgen (zur Erinnerung: Hier meine Online-Präsenzen), kennen meine Tagesrückblicke der Geschichte schon. Und diese gibt es jetzt gesammelt als vier Taschenbücher bzw. E-Books.

Warum vier Bücher?
Nun, wie sich herausstellt sind 366 Tage, die erzählt werden wollen, recht umfangreich und von daher stellte sich heraus, dass jedes Buch schon rund 450 Seiten enthält. Das hätte man nicht mal in zwei Büchern unterbringen können, geschweige denn eines. Und ein Buch pro Quartal klingt ja auch sinnvoll, oder?

Was gibt es darin?
Ganz einfach: Was geschah an welchem Tag in der Geschichte? Historische Fakten mit einem Augenzwinkern aufbereitet. Und für jeden Monat ein extra angefertigtes Bild meiner Coverdesignerin Cannira.

Die Bücher sind überall im Handel erhältlich, d.h. auch über euren normalen Buchladen um die Ecke bestellbar.

Kolumbus hat Indien immer noch nicht gefunden Band 1Kolumbus hat Indien immer noch nicht gefunden Band 2Kolumbus hat Indien immer noch nicht gefunden Band 3Kolumbus hat Indien immer noch nicht gefunden Band 4

Ein (bisschen) Ende

Hallo liebe Follower, Leser, Unterstützer!
Gelegentlich habt ihr mich schon mal jammern gehört, dass man mit der Schriftstellerei eher wenig verdient, wobei ich da eigentlich noch in einer ziemlich privilegierten Position bin. Nun … die Zeit ist gekommen, wo ich sagen muss »Ja, dit war schon irgendwie witzig und schön, aber die Wohnung / das Auto / die goldenen Wasserhähne zahlen sich nicht von alleine.«
Ich fange demnächst also wieder einen Vollzeitjob an und betreibe die Schriftstellerei nur nebenbei als Hobby.
Außerdem erscheinen demnächst vier Bücher mit den Tagesübersichten, die ich immer auf Facebook und Steady gepostet habe. Beide Dinge werden folgende Auswirkungen haben:

1. Ich stelle das Posten der Tagesübersichten auf Facebook und Steady ein. Mittlerweile solltet ihr auch alles gesehen haben, manches sogar mehrmals. Vielleicht poste ich hin und wieder an bestimmten Tagen noch etwas, aber die Regelmäßigkeit wird wegfallen. Den Monat mache ich noch zu Ende, dann war es das.

2. Den Merchandising-Shop mit den T-Shirts, Masken etc. mit Motiven der Katzen Simon und Garfunkel habe ich bereits geschlossen.

3. Ich schließe meinen Steady-Account. Den Leuten, die das betrifft, habe ich bereits Bescheid gegeben, also … wer mich weiterhin unterstützen will: Kauft meine Bücher! Gerne mehrmals! Die funktionieren auch prima, um zu kurze Tischbeine auszugleichen!

4. Ich werde sehr wahrscheinlich wesentlich weniger posten. Nur mal hier und da Kleinigkeiten. Durch den bisherigen Nebenjob habe ich ja ohnehin nicht mehr allzu oft längere Texte gepostet, aber das wird jetzt wahrscheinlich noch weniger. Im Zweifelsfall folgt mir auf Twitter, wo ich dann nur kurzen Blödsinn von mir gebe.

5. Es werden weniger Bücher von mir erscheinen. Eigentlich war fürs nächste Jahr ein Roman, ein Kurzgeschichtenbuch und ein Buch mit geschichtlichen Kuriositäten geplant. Das Kurzgeschichtenbuch kommt wahrscheinlich noch. Ansonsten könnt ihr euch ein paar der »geschichtlichen Kuriositäten« auch in meinem YouTube-Kanal von mir erzählen lassen. Oder ihr lest die dort von meinen Lippen ab, falls das eher euer Ding ist. Ich will euch da keine Vorgaben machen.

Ich möchte gerne allen danken, die meine Bücher gekauft und mich all die Jahre unterstützt haben. Ich höre mit Sicherheit nicht mit der Schreiberei auf, aber im Gegensatz zu früher, wo ich Anfang 30 und Single war, kann ich mir auch nicht mehr vorstellen, direkt nach der Arbeit bis spät in die Nacht zu schreiben und am nächsten Tag den Eindruck zu erwecken, ich wüsste, was ich tue. Das nächste Buch kommt bestimmt, aber es dauert eben etwas länger.

Vielen Dank euch allen!
Sebastian

Schreibtipp: Zum Thema Humor und Charaktere

In letzter Zeit wurde ich des Öfteren nach Schreibtipps gefragt bzw. habe mit anderen darüber diskutiert. Bisher habe ich mich dahingehend hier etwas zurückgehalten, weil ich nicht weiß, wie viele das wirklich interessiert. Dennoch wollte ich etwas loswerden, da es um „mein“ Genre, Humor, geht.

Gestern diskutierten wir in kleiner Gruppe darüber, weil ein Bekannter von mir eine Komödie schreiben soll. (Er ist Drehbuchautor.) Er ist nicht … ähm, wie drücke ich das aus … unbedingt der lustigste Typ. Nicht, dass er keinen Humor hat, aber humorvolles Schreiben ist vielleicht nicht seine Berufung.
Er fragte, wie man das am besten angeht. Und was ich ihm sagte, ist auch das, was ich gerne anderen Autoren / Autorinnen auf den Weg geben möchte:

Humor heißt nicht, dass die Figur andauernd Witze machen muss. Humor heißt nicht, dass die Figur tollpatschig sein muss. Humor heißt nicht, dass der Figur andauernd etwas Lustiges passiert.
Um humorvoll zu schreiben, muss man sich vor allem seine Figuren anschauen, denn der Humor kommt aus ihnen. Was ist ihre Weltanschauung? Was ist ihr Beruf? Wie ist die generelle Einstellung? Wie sind die Umstände?

Ein des Lebens überdrüssiger Bäcker macht andere Witze, als ein lebensfroher Totengräber. Und diese Witze sind nicht(!) austauschbar! Natürlich kann man Figuren Witze erzählen lassen, aber der wirkliche Humor ergibt sich aus den Charakteren. Anders gesagt: Die Gags, die in „Ghostbusters“ funktionieren, funktionieren nicht in „Der Prinz aus Zamunda“ und umgekehrt. (An der Stelle gerne beliebige Filme, Bücher, Serien, Hörspiele, wasweißich einsetzen.)

Ein des Lebens überdrüssiger Bäcker reagiert auf Fragen anders, als ein lebensfroher Totengräber. Auf die Frage „Und, wie geht’s dir?“, zeigt der Bäcker vielleicht einfach auf die Tonne mit den am Ende des Tages weggeworfenen Teigwaren. Der Totengräber hingegen weist vielleicht darauf hin, dass der Tag sonnig und er an der frischen Luft ist und die Leichen ordentlich rutschen. Das sind jetzt vielleicht nicht die besten Gags, aber sie sind spezifisch und deswegen nicht beliebig.

Findet den Humor in den Charakteren.

Manche Charaktere sind schlagfertig, manche nicht. Wenn einer erst nach 15 Minuten auf eine Beleidigung reagiert, kann (muss aber nicht) das lustig sein.
Manche Charaktere sind gar nicht lustig. Das kann brüllend komisch sein.
Manche Charaktere können am laufen Band Witze erzählen und sind dabei einfach nur nervig und gar nicht witzig.

Ganz wichtig:
Der Charakter, über den du schreibst, ist nicht du.
Sicher, manche Charaktere mögen sich nach dir anhören – davon kann ich sicherlich ein Lied singen – aber der Stil hat nur bedingt was mit dem Humor der Charaktere zu tun. Obwohl Martin, Jonas und Mephy durchaus Ähnlichkeiten untereinander und mit mir haben, sind sie doch ganz unterschiedlich. Einer von Mephys Charakterzügen ist beispielsweise, dass er – der Teufel – halt gerne Leute quält bzw. piesackt. Wer „Dicker Teufel umständehalber in liebevolle Hände abzugeben“ gelesen hat, weiß, was ich meine. Martin oder Jonas würden so etwas nie tun. Und deswegen sind die Gags, die sich in dem Buch finden, eben nicht mit den anderen Büchern austauschbar.

Schaut auf die Charaktere. Ihre Ansichten. Ihre Umstände. Bringt sie in Schwierigkeiten. Wie reagieren sie darauf? Ein Busfahrer mit Angstneurose reagiert auf eine Entführung anders als ein masochistischer Polizist. Inwiefern kann man das gagmäßig ausschlachten?

Viel Spaß und Glück beim Schreiben!