Sebastian Niedlich

Geschichten zum Tag: 15.08. – Mariä Himmelfahrt

Heute ist der 15. August und an diesem Tag feiern mehrere christliche Konfessionen »Mariä Aufnahme in den Himmel«, auch »Mariä Himmelfahrt« oder in den Ostkirchen auch »Hochfest des Entschlafens der allheiligen Gottesgebärerin« genannt, weil das besser über die Zunge geht. Mancherorts ist das sogar ein Feiertag, damit man genug Zeit hat, sich im Gedenken an sie ordentlich einen anzulöten.
Nun kann man sich fragen: Was genau soll denn Mariä Himmelfahrt sein und warum zum Teufel schreibt man die mit »ä«?
Beantworten wir mal den zweiten Teil zuerst: Im Lateinischen spricht man von der Jungfrau Maria als »Mariae virginis«. Irgendwer, der das übersetzen sollte, meinte dann wohl, dass man das »e« nicht unterschlagen sollte und weil »ae« im Deutschen eben »ä« ergibt, sagt man noch heute »Mariä«. Natürlich hätte damals jemand dem Übersetzer auch eine über die Rübe ziehen können, damit der seinen Job richtig macht, aber Gläubige sind ja friedfertig – zumindest wenn sie nicht gerade mit Andersgläubigen zu tun haben – weswegen das vielleicht keiner wollte.
Ansonsten ist der Name bei »Mariä Himmelfahrt« schon Programm: Sie soll an dem Tag in den Himmel aufgefahren sein. Mit Leib und Seele. Sagte zumindest mal Bischof Kyrill von Alexandrien im frühen fünften Jahrhundert, also vierhundert und ein paar zerquetschte Jahre nach dem Tod von Jesus und vermutlich seiner Mutter, weil man das da noch so gut im Gedächtnis hatte.
Kyrill war maßgeblich daran beteiligt, dass man Maria als »Gottesmutter« sah. Das hatte er durch Bestechung und Gewalt erreicht, denn … so macht man das halt als guter Christ. Und weil er das schon mal erreicht hatte, meinte er auch gleich noch: »Irgendwie müssen wir die doch auch feiern, meint ihr nicht?«
Und alle sagten: »Also wenn wir damit wieder eine Gelegenheit für Sauf- und Fressgelage kriegen… klar! Was genau wollen wir denn feiern? Ihren Geburtstag?«
»Weiß doch kein Schwein, wann das war.«
»Wann sie gestorben ist, weiß doch auch keiner.«
»Stimmt. Aber bei Gedenken hat man halt in erster Linie den Tod im Kopf, oder?«
Alle nickten.
»Aber wann wollen wir das denn machen? Ist ja nicht so, als ob da in der Bibel irgendwas konkretes steht. «
Daraufhin sagte Kyrill: »Am 15. August ist doch so ein römisches Fest, Feriae Augusti. Da die Römer ohnehin auf dem absteigenden Ast sind, können wir das doch übernehmen und die Leute wissen schon mal, das an dem Datum gefeiert wird.«
Und alle so: »Mensch, tolle Idee, du.«
Also im Grunde nahm man einen römischen Feiertag, an welchem dem Sieg von Augustus über Marcus Antonius und Kleopatra gedacht wurde, zu einem christlichen Feiertag, weil da die Mutter Gottes vielleicht-aber-eigentlich-nicht gestorben war. Oder zum Himmel auffuhr. Wichtiger Unterschied. Für manche.
Über die Jahrhunderte hinweg hat man das immer ordentlich gefeiert, dennoch war es für manche ein Problem, dass die Aufnahme von Maria in den Himmel in der Bibel bestenfalls als »schwammig bis nicht vorhanden« beschrieben werden konnte.
Glücklicherweise gibt es in der Kirchenlehre etwas, dass sich »Dogma« nennt. Ein Dogma ist eine feststehende Definition oder eine grundlegende Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich gilt. Und da 1870 der damalige Papst mal gesagt hatte, dass er und alle anderen Päpste in Kirchenfragen alles besser wissen und deswegen gefälligst alle anderen die Fresse zu halten haben, konnte Papst Pius XII. am 01. November 1950 sagen: »Leute, Maria wurde in den Himmel aufgenommen. Und weil ich das sage, is dat so!«
Papst Pius XII. war übrigens auch der Papst, der sich im Zweiten Weltkrieg eher beiläufig bis gar nicht zu den Verbrechen der Nazis äußerte. Also ein ganz patenter Typ.
Um das Ganze etwas zusammenzufassen:
Heute ist ein Feiertag, der auf einem umfunktionierten römischen Fest basiert, dessen Grundlage zumindest nicht an diesem Tag oder überhaupt stattfand, sanktioniert von einem Typen, der sich fragwürdig zur Nazizeit verhalten hat.
Da wünschen wir doch allen viel Spaß!

Geschichten zum Tag: 01.07. – Der Kongofreistaat

Heute, in Zeiten von »Black Lives Matter« und dem neuen internationalen Sport »Schmeiß die Statue vom Sockel«, gibt es hin und wieder etwas Aufmerksamkeit für den ehemaligen König von Belgien, Leopold II. Der gründete nämlich am 01. Juli 1885 den Kongo-Freistaat. Und was da passierte ist etwas, was man im Gegensatz zu vielen anderen Dingen tatsächlich mit dem Holocaust im Zweiten Weltkrieg vergleichen kann.

Setzt euch hin, nehmt euch einen Keks, trinkt einen Kaffee oder Tee … das dauert jetzt einen Moment. Und ist nicht lustig. Eine kleine Geschichtsstunde …

Im 19. Jahrhundert waren viele europäischen Staaten der Meinung, dass sie irgendwo auf der Welt, wo Leute wohnten, die eine dunklere Hautfarbe als sie selbst hatten, den Menschen mal ordentlich Kultur und Christentum nahebringen mussten, egal ob vor Ort schon eine andere Kultur oder andere Religionen existierten. Großbritannien gelang es so, sich praktisch auf der ganzen Welt als Arsch aufzuführen, und manche anderen Staaten dachten: »Toll, das wollen wir auch!«

Leopold II. von Belgien kam 1865 auf den Thron. Als König hoffte er, dass er sein Land mal richtig voranbringen könnte, aber da es sich um eine konstitutionelle Monarchie handelte, sagte das Parlament ganz gerne: »Leo, jetzt chill doch mal. Wir machen das schon.« Seine Politik setzte sich also nicht so richtig durch. Und sein größter Wunsch war es, dass Belgien ebenfalls eine Kolonialmacht werden würde, weswegen das Parlament meinte: »Bursche, wer soll den Scheiß denn bezahlen?«
»Na, ich!«, sagte Leopold, der zu dem Zeitpunkt einer der reichsten Menschen der Erde war, weil er u.a. mit Anteilen des Suezkanals spekuliert hatte.
Das Parlament war trotzdem nicht beeindruckt. »Wenn du die Knete hast, dann kannst du ja dein Privatvermögen dafür einsetzen, aber lass uns als Staat da raus.«
Und Leopold grübelte kurz und sagte dann: »Okili dokili!«

1866 sagte er dem belgischen Botschafter in Madrid: »Ey, fragt mal die Königin von Spanien, ob die mir nicht die Philippinen verkaufen will«, woraufhin der Botschafter sagte … eigentlich sagte er nichts. Er fand die Idee bescheuert und hielt lieber die Klappe, weswegen die Sache mit den Philippinen irgendwie im Sande verlief.

1876 finanzierte Leopold eine internationale Konferenz, in der er mehr oder weniger sagte: »Leute, um Afrika sollte man sich mal kümmern und da den Fortschritt hinbringen. Und ganz viel Philanthropie.«
»Wat?«
»Menschenliebe.«
»Ach so. Ja, das klingt eigentlich ziemlich dufte. Vielleicht solltest du da mal Expeditionen und so weiter organisieren.«
Und Leopold grübelte kurz und sagte dann: »Okili dokili!«

1878 gründete Leopold das« Komitee zur Erforschung des oberen Kongo«, deren offizielle Mission wissenschaftlicher und philanthropischer Natur war. Dem Leiter der Expedition, Henry Morgan Stanley, gab er aber insgeheim zu verstehen, dass er Land erwerben und Elfenbein mitbringen sollte. »Der ganze Quatsch finanziert sich ja nicht von alleine, da will ich wenigstens einen Gegenwert haben.«
Stanley fuhr daraufhin in den Kongo, gründete einige Siedlungen, darunter die heutige Hauptstadt Kinshasa, die damals aber noch unter dem Namen Leopoldville lief, und verarschte einige Häuptlinge mit einem Brennglas-Trick, weswegen die dachten: »Der Typ beherrscht sogar die Sonne, da sollten wir ihm lieber unser Land überschreiben.«
Genau dafür gründete Leopold dann 1879 die »Internationale Kongo-Gesellschaft«, der alle diese Landstriche überschrieben wurden und deren alleiniger Anteilseigner er selbst war.

1884 und 1885 fand dann die Berliner Konferenz statt, die auch als »Kongokonferenz« bezeichnet wird. Im Grunde wollten da alle Staaten klären, wer auf was in Afrika Anspruch hatte. Das war zwar in weiten Teilen schon vorher klar, aber zumindest gab das dem Ganzen einen offiziellen Anstrich. Natürlich wurden die Afrikaner dabei nicht gefragt, denn … die konnten ja froh sein, dass sie zumindest nicht mehr als Sklaven verschifft wurden. So blieb eigentlich nur Äthiopien als einziges afrikanisches Land übrig, welches vollkommen selbstständig war. Und auch das nur für kurze Zeit. Aber viel wichtiger: Die »Internationalen Kongo-Gesellschaft« wurde als Besitzer des Kongo-Gebietes bestätigt. Genaugenommen hatte man Leopold II. den Privatbesitz eines Staates zugesprochen, der ungefähr siebzig Mal so groß war, wie das Land, von dem er König war.
Und Leopold grübelte gar nicht erst, sondern sagte gleich: »Okili dokili!«

Am 01. Juli 1885 gründete er den Kongo-Freistaat und begann damit, im Land Infrastrukturen aufzubauen. Das kostete natürlich alles ein Höllengeld, weswegen er von der belgischen Regierung einige Kredite bekam, weil die vermutlich dachten: »Mist, wir können ja wohl kaum unserem König einen Kredit verwehren, oder?«. Außerdem brachte das irgendwie die Unabhängigkeit des Kongo-Freistaats doch ein wenig ins Wanken, aber wollen wir mal nicht kleinlich sein.
Problematisch war auch, dass die Wirtschaft im Land eigentlich auf Tauschhandel basierte, was ihm bei der Steuererhebung aber irgendwie nicht half. Also sollten die Kongolesen ihre Steuern in Naturalien bezahlen, was größtenteils in Elfenbein erfolgte und so ziemlich alle Handelsnetze, die man im Kongo mal aufgebaut hatte, kaputtmachte. Leopold gab allen möglichen Firmen die Erlaubnis, im Kongo-Freistaat tätig zu werden, allerdings mussten sie hohe Steuern zahlen, denn … das Geld muss ja irgendwo herkommen.
Irgendwo an dieser Stelle, sollte man wohl mal ein »Yay, Kapitalismus!« fallen lassen.

Glücklicherweise für Leopold, unglücklicherweise für die Bevölkerung, hatte Jahre zuvor Charles Goodyear ein Patent für die Vulkanisierung von Gummi erhalten. Gummireifen waren sehr gefragt und deswegen auch der Rohstoff Kautschuk, den es im Kongo in Massen gab. 1888 erfand John Dunlop noch dazu den Luftreifen, der die Nachfrage nach Kautschuk noch einmal steigerte. Was machte also Leopold? Er schickte seine Truppen, also praktisch eine Privatarmee, in die Dörfer und ließ den Leuten befehlen, Kautschuk zu sammeln, sonst würden ihre Hütten abgebrannt werden. Wer deswegen zu fliehen versuchte, sollte erschossen werden. Die Firmen, die gekommen waren, um im Grunde ebenfalls den Kautschuk auszubeuten, machten praktisch dasselbe.
Es gab dabei aber ein Problem: Munition ist teuer und viele der Soldaten jagten einfach so gerne irgendwelche Tiere. Um also sicherstellen zu können, dass mit seiner Munition auch tatsächlich Menschen getötet worden waren, mussten die Soldaten zum Beweis die Hände der erschossenen Menschen vorlegen. Und diese Hände gammelten schon mal, bis der zuständige Beamte mit dem Zählen hinterherkam. Also wurden sie geräuchert, um sie haltbar zu machen.

Einige der Soldaten wollten aber trotzdem jagen. Um zu beweisen, dass sie die Munition aber nicht bei einer Jagd verschwendet hatten, hackten sie eben lebenden Menschen die Hände ab. Und weil das so viel Spaß machte, hackten sie auch gleich noch Leuten die Hände ab, die ihrer Meinung nach nicht genug Kautschuk gesammelt hatten. Es gab also jede Menge Leute, deren Arbeitskraft irgendwie geringer ausfiel, weil sie plötzlich 50% weniger Arbeitsmittel hatten. So vielleicht die nüchterne Betrachtung eines der damaligen Leute. Einige verstanden, dass man die Sache mit dem Abhacken von Händen vielleicht etwas einschränken sollte. Die einigten sich dann darauf, dass es stattdessen auch Nasen tun würden, damit die Arbeiter weiter arbeiten konnten.
Natürlich waren damit die Ungeheuerlichkeiten nicht erschöpft. Manche Arbeiter wurden kopfüber von Bäumen gehängt und dem Tod überlassen. Anderen wurden die Beine durchbohrt oder bis zur Bewusstlosigkeit ausgepeitscht. Was man z.T. mit den Geschlechtsteilen machte, wird hier mal außen vor gelassen.

Warum ging gegen diese Greuel niemand vor? Nun … es gab praktisch keine rechtlichen Strukturen in diesem Land, welches ungefähr die Größe Westeuropas hatte. Irgendein Hanswurst aus Belgien wurde in den Kongo versetzt, hatte mit der Hitze, der Feuchtigkeit, allerlei Krankheiten wie Malaria und einer ziemlich angepissten Bevölkerung zu tun, was bei ihm Ängste auslöste … da fängt der ordentliche Kleinbürger schon mal an durchzudrehen und sich gewissen Allmachtsfantasien hinzugeben. Hilft natürlich auch, wenn man sich generell für etwas Besseres hält, nur weil man eine andere Hautfarbe hat.
Und all die anderen Länder? Nun, die bekamen schlichtweg gar nicht mit, was in dem Land vorging. In dieser Zeit vor Flugzeug, Fernschreiber und Internet waren Nachrichten aus dem Dschungel halt relativ selten. So konnte die Gewalt über Jahre im Kongo ausgeübt werden. Und abgesehen von den vielen abgehackten Händen sorgte der Drang, möglichst viel Kautschuk zu gewinnen, auch dafür, dass die Bevölkerung kaum noch Zeit hatte sich um die Felder zu kümmern. Anders ausgedrückt: Wer nicht ohnehin seine Hand verlor und nicht mehr ordentlich arbeiten konnte, bekam sowieso nichts mehr zu essen.

In den 1890er Jahren kam dann der englische Schriftsteller Joseph Conrad in den Kongo und schaute sich das Ganze an. Er schrieb daraufhin das Buch »Herz der Finsternis« (»Heart Of Darkness«), welches Jahre später übrigens als Vorlage für den Film »Apocalypse Now« von Francis Ford Coppola diente. Die in dem Buch beschriebenen Greueltaten sorgten dann europaweit für Entrüstung. Gleichzeitig kamen auch ein paar Leute auf die Idee, sich mal anzuschauen, was für Waren eigentlich aus und in den Kongo geliefert wurden. Aus dem Kongo kamen Elfenbein und Kautschuk, in den Kongo wurden nur Waffen, Ketten und Sprengmaterial verschifft. Es war also klar, dass da irgendwas nicht optimal lief. Missionare äußerten sich ebenfalls kritisch. Der Journalist und Autor Edmund Dene Morel, der in dem Zuge die erste große Menschenrechtsbewegung begründete, führte einen langen Kampf in den Medien gegen Leopold II.
1903 schickte Großbritannien dann mal jemanden in den Kongo, der schauen sollte, ob Morel Blödsinn redete oder ob das wirklich alles so stimmte. Und derjenige kam zurück und sagte: »Alter …«
1905 veröffentlichte Mark Twain, der Autor von u.a. »Tom Sawyer«, eine Streitschrift namens »König Leopolds Selbstgespräch«, in dem er die Öffentlichkeit quasi über die Greueltaten informierte. Er forderte darin sogar einen internationalen Gerichtshof, der König Leopold II. wegen seiner Verbrechen zum Tode verurteilen sollte.
Im Grunde sagte die ganze Welt zu Leopold »Du blödes Arschloch …«. Die belgische Regierung verabschiedete ein Gesetz, das vorsah, dass der Staat Belgien ihm den Kongo-Freistaat abkauft und es in eine Kolonie umwandelt.
Darauf sagte Leopold dann 1908 notgedrungen: »Okili dokili.«
Im Belgisch-Kongo wurde die Zwangsarbeit abgeschafft, ein Rechtssystem eingeführt, aber sagen wir mal so … wirklich toll wurde es deswegen dort trotzdem nicht und die Zwangsarbeit ging trotzdem noch eine Weile weiter.

Man geht davon aus, das zwischen 1885 und 1905 von ursprünglich etwa 25 Millionen Einwohnern nur etwa 15 Millionen übrig blieben. Durch Spätfolgen hatte der Kongo 1924 sogar nur noch 10 Millionen Einwohner. Zu seiner Zeit gaben ohnehin schon viele Leute ihm die Schuld für den Tod oder das Nicht-Vorhandensein von rund 15 Millionen Menschen, da die Bevölkerung des Kongos in der Zeit ja normalerweise gewachsen wäre.
Zum Vergleich: Im Ersten Weltkrieg starben rund 9,5 Millionen Soldaten. Die Opfer des Holocaust werden mit rund 6,3 Millionen Juden angegeben.

Wie wurde Leopold II. für seine Taten bestraft?
Er hat rechtzeitig Geld beiseitegeschafft, damit er nicht bankrott ging. Einen Prozess gegen ihn hat es nicht gegeben.
Er starb 1909 als längster amtierender König von Belgien, nach 44 Jahren Amtszeit. Kurz nach seinem Tod begann dann das große Vergessen. Wirklich auseinandergesetzt hat man sich mit seinen Taten danach nicht mehr. Stattdessen stehen noch heute etliche Statuen zu seinen Ehren in Belgien. Allerdings gibt es dagegen immer mehr Widerstand. Man stelle sich nur mal vor, dass in Deutschland noch immer Statuen von Adolf Hitler auf öffentlichen Plätzen ausgestellt wären. Undenkbar. In Belgien? An der Tagesordnung.

Einen kleinen Trost gibt es allerdings. Bei seinem Trauerzug wurden seine sterblichen Überreste von der belgischen Bevölkerung ausgebuht.

 

Bei diesem Text handelt es sich um ein Facebook-Posting aus dem Jahr 2020.

Neues Buch: Mafiosi, Drache, Tod und Teufel

Mafiosi, Drache, Tod und Teufel

Seit Anfang Mai gibt es ein neues E-Book mit Kurzgeschichten von mir: Mafiosi, Drache, Tod und Teufel.

Im ersten Monat ist es exklusiv bei Thalia erhältlich, danach dann überall. Außerdem ist es als Hörbuch bei Audible erschienen.

Aber was für Kurzgeschichten sind das?
Ein paar Mafiosi, die einen Typen um die Ecke bringen wollen, der sich allerdings hartnäckig weigert sein eigenes Grab zu schaufeln…
Ein paar Politiker, welche die Drogenbekämpfung im Land mit neuen sonderbaren Mitteln lösen wollen …
Ein Ritter, der eine holde Maid aus den Fängen eines Drachen befreien will, der ungern als „Ungeheuer“ oder „Monster“ bezeichnet werden will….
Wie man eine Waschmaschine heutzutage in einem modernen Elektronikmarkt kauft …
Eine ungewöhnliche Begegnung zwischen ein Mann und ein paar Aliens, die unbedingt fernsehen müssen …
Tod und Martin sind in Afrika bei einem ungewöhnlichen Unglücksfall …
Mephy, der Teufel, hilft einem Mann beim Aufbau eines Regals…
Und ein paar Limericks gibt es immer mal zwischendurch.
Also ein Wiedersehen mit ein paar alten Freunden und ein paar neue kommen gleich noch dazu. Viel Spaß!

Neues Buch: Besoffene Elche und gekaufte Päpste

Besoffene Elche und gekaufte Päpste

Wer hielt sich einen besoffenen Elch als Haustier? Warum gibt es keinen Monat, der Horst heißt? Und eigentlich gibt es doch immer nur einen Papst, oder?
Die Historie ist voll von Merkwürdigkeiten, über die man in Geschichtsunterricht meistens nicht viel hört, die aber trotzdem interessant sind. Denn wer weiß schon, welches der kürzeste Krieg der Menschheitsgeschichte war? Oder dass bei der Olympiade Rattengift gereicht wurde?

„Besoffene Elche und gekaufte Päpste“ enthält 25 kuriose Geschichten auf 270 Seiten.

Hier gibt es das Taschenbuch
Hier gibt es das E-Book

Ihr könnt die Taschenbücher auch mit Widmungswunsch bei mir bestellen. Dazu einfach eine Mail an bestellung (a) sebastianniedlich.de schicken. Allerdings muss ich dann 15 Euro pro Buch nehmen und es dauert länger. (Stand 02.02.: Ich habe meine Exemplare selbst noch nicht bekommen!) Bezahlt werden kann per Überweisung oder Paypal.
Auf jeden Fall wünsche ich euch viel Spaß und hoffe, dass ihr eine Rezension hinterlasst, wenn ihr es gelesen habt.

Jahresrückblick 2021

Nach 2020 dachte man »Kann ja eigentlich nur besser werden«, aber in gewissem Sinne haben sich 2020 und 2021 abgeklatscht und 2021 dabei gesagt »Ey, halt mal mein Bier«. Aber nicht alles war schlecht. Manches war auch einfach nur doof. Und manches amüsant.

01. Januar – Großbritannien tritt endgültig aus der EU aus. Ein halbes Jahr später errechnet man, dass der ganze Brexit die Briten ungefähr 47,5 Milliarden Euro gekostet hat. Außerdem stellt man fest, dass es an allen Ecken und Enden an Waren, Lastwagenfahrern usw. fehlt. Also alles total super gelaufen.

06. Januar – Anhänger des US-Präsidenten Donald Trump, der bei den Wahlen im November unterlag, stürmen das Kapitol in Washington D.C., weil viele danken »Waaat? Wie kann denn unser Präsident verlieren? Der steht doch für so fortschrittliche Dinge wie Frauenbelästigung, Rassismus und Dummheit!«
Am Ende sind zahlreiche Personen verletzt, fünf Menschen tot und weltweit ist man sich im Grunde sicher, dass das ein Putschversuch gewesen ist. Nur die Republikaner argumentieren im Nachgang, dass da vermutlich Leute der Antifa und verkleidete Demokraten sich genau so gegeben haben, wie man das von Republikanern erwartet, um die Republikaner schlecht dastehen zu lassen.

Außerdem an diesem Tag:
Chinesische Wissenschaftler geben bekannt, dass sie das weltweit größte Netzwerk aus Quantenkommunikationsnetzwerken aufgebaut haben. Sie überlegen noch, ob sie es Skynet nennen und damit Killerroboter in die Vergangenheit schicken sollen.

07. Januar – Elon Musk überholt den bisherigen Rekordhalter Jeff Bezos und wird zum reichsten Menschen der Welt. Sein Vermögen beträgt laut Forbes (Stand 15.01.21) 182,9 Milliarden Dollar. Da ist es nur folgerichtig, dass der Bau seiner Fabrik in Brandenburg vom Staat subventioniert werden muss.

10. Januar – In Kasachstan finden Parlamentswahlen statt. Die Regierungspartei erhält 71,09% der Stimmen. Schon faszinierend, wie sowas erreichen kann, wenn man einfach Gegner der eigenen Partei in psychiatrische Kliniken einweisen kann.

13. Januar – Gegen US-Präsident Donald Trump wird das zweite Amtsenthebungsverfahren eingeleitet, das erste Mal, dass dies einem Präsidenten der USA passiert. Man wirft ihm vor, er habe seine Anhänger am 06. Januar zum Angriff auf das Kapitol aufgefordert. Einen Monat später stimmen 57 von 100 Mitgliedern des Senats für »schuldig«. Weil das aber nicht einer Zweidrittelmehrheit entspricht, wird er freigesprochen. Im Anschluss bekräftigten einige Senatoren, die für »nicht schuldig« gestimmt haben, dass sie eigentlich schon der Meinung sind, dass er schuldig wäre, aber irgendwie ist man doch ein elitärer Club, da will man ja keinen seiner eigenen Leute verurteilen.

15. Januar – Die Anzahl an weltweiten Todesfällen durch COVID-19 steigt auf 2 Millionen. Schwurbler sagen »Wat denn? Sind doch nur 0,03% der Weltbevölkerung!«

25. Januar – Der globale Eisverlust beschleunigt mit einer Rate, die den Worst-Case-Szenarien des Weltklimarats entspricht. Oder wie man in Deutschland sagen würde: »Aber was ist mit den Arbeitsplätzen im Kohleabbau?«

02. Februar – Captain Tom Moore stirbt mit 100 Jahren. Der ehemalige Soldat wurde im Jahr 2020 berühmt, als er mit seinem Rollator im eigenen Garten Runde um Runde drehte, um für das staatliche Gesundheitssystem der Briten Spenden zu sammeln, welches zu der Zeit mit Covid-19 völlig überlastet war. (Hier einen eigenen Witz einfügen, dass es 100-jährige Spendensammler braucht, um ein Gesundheitssystem am Laufen zu halten.) Tom Moore hatte außerdem die Ehre eine Coverversion des Songs »You Never Walk Alone« einzusingen, die es bis auf Platz 1 der britischen Charts schaffte und ihn somit zur ältesten Person machte, die dort jemals einen Nummer-1-Hit hatte. Für sein Engagement wurde er zudem persönlich von der Queen geadelt. Letztendlich stirbt er an den Folgen einer Lungenentzündung und Covid-19.

09. Februar – Die Raumsonde »al-Amal« (Hoffnung) der Vereinigten Arabischen Emirate begibt sich in eine Marsumlaufbahn und beginnt das Marsklima zu untersuchen. Außerdem will man schauen, ob man da nicht auch irgendein hohes Gebäude errichten kann.

22. Februar – Die USA sind das erste Land der Welt, das offiziell 500.000 Tote durch Covid-19 zu beklagen hat. Eigentlich will man das mit einer ordentlichen Schießerei feiern, aber da man am Vortag erst zwei davon hatte, wartet man noch vier Tage, um gleich drei davon zu haben.

06. März – Papst Franziskus und Ayatollah Ali as-Sistani treffen im Haus des Letzteren im Irak aufeinander. Es ist das erste Mal, dass sich ein Papst und ein Ayatollah begegnen.
Franziskus: »Ali, wie isset?«
Ali: »Ja, muss, ne?«

19. März – Die Türkei tritt aus der sogenannten »Istanbul Konvention« aus, einem internationalen Abkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. In der Türkei ist man also der Meinung, dass es schon ganz okay sei, wenn es abends nicht nur was zu essen, sondern auch was auf die Fresse gibt.

23. März – Das Schiff »Ever Given«, eines der größten Containerschiffe der Welt, läuft im Suezkanal bei starkem Wind auf Grund. Sechs Tage lang sperrt es den Verkehr in beide Richtungen und bringt somit einen Großteil des Welthandels zum Erliegen. Der Kapitän daraufhin: »Huch! War ich das etwa?«

Auch an diesem Tag:
In Israel findet die Wahl zur 24. Knesset – also dem israelischen Parlament – statt. Es ist die vierte Wahl innerhalb von drei Jahren. Auch ein Hobby …

03. April – In einer großen Parade werden 18 Könige und vier Königinnen aus der Pharaonenzeit vom alten ägyptischen Museum in der Kairoer Innenstadt zum neuen ägyptischen Museum, welches näher an den Pyramiden liegt, transportiert. Die »The Pharaohs‘ Golden Parade« hat für jeden Pharao ein eigenes Auto mit speziellen Kisten drauf, die durch Stickstoffkühlung die Mumien erhalten. Um etwaige Erschütterungen zu vermeiden, wurden sogar die Straßen, auf denen der Transport stattfindet, z.T. neu asphaltiert. In Ägypten liegt zwar einiges im Argen, aber immerhin sind die Straßen jetzt schnittig.

13. April – US-Präsident Joe Biden gibt bekannt, dass alle US-Truppen in Afghanistan bis zum 11. September abgezogen werden. Alle Afghanen, die mit den US-Militärs zusammengearbeitet haben: »Ihr nehmt uns doch dann mit, oder? Oder?!«

14. April – Im polnischen Krakau kontaktiert eine Frau den Tierschutzverein, um sich über das unheimliche Tier, welches im Baum vor ihrem Haus sitzt, zu beschweren. Schon zwei Tage lang säße es dort und hätte sich nicht bewegt. Als der Tierschutzverein vorbeigeht und sich genauer umsieht, stellt man fest, dass das bedrohliche Tier nicht mal Tier ist, sondern ein Croissant.

18. April – Die Mülheimer Polizei erwischt einen T-Rex während der Ausgangssperre. Weil ich es nicht lustiger ausdrücken kann, als die Polizei in ihrer Stellungnahme: https://essen.polizei.nrw/presse/keine-ausnahme-fuer-t-rex-ausgangssperre-auch-fuer-dinosaurier

19. April – Erstmals in der Geschichte nominieren die Grünen eine Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl. Annalena Baerbock wird im Zuge der Kandidatur mehrmals kritisch hinterfragt, weil sie u.a. einen nicht ganz stimmigen Lebenslauf und in einem Buch nicht alle Quellen gekennzeichnet hat. Für viele ist das Grund genug, ihr zu unterstellen, dass sie für das Amt nicht geeignet ist. Ganz im Gegensatz zu den anderen Kandidaten, die entweder andauernd lügen, inkompetent oder gar in milliardenschwere Betrugsskandale involviert sind …

20. April – Rechtzeitig zu Hitlers Geburtstag stellt die CDU Armin Laschet als Kanzlerkandidaten vor.

24. April – Auf einem Feld in Lincoln, Nebraska, versammeln sich Hunderte Leute, die mit Vornamen Josh heißen. (Und vermutlich ein paar Zuschauer, die nicht so heißen.)
Begonnen hatte das Ganze als Witz ein Jahr zuvor, als Josh Swain aus Langeweile in der Covid-19-Pandemie mehrere Leute über Twitter anschrieb, die alle denselben Vor- und Nachnamen hatten. Er lud alle zu einem Kampf ein Jahr später ein, um durch den Kampf den Josh Swain herauszufinden, der dann den Namen behalten dürfe. Aber wie das mit dem Internet so ist: Blödsinn verbreitet sich rasend schnell und so wurde aus dem Witz ganz schnell ein echtes Event. Am Ende gewinnt der Organisator des Ganzen in einem Stein-Schere-Papier- bzw. »Schnick Schnack Schnuck«-Spiel den Namen Josh Swain. Allerdings gibt es auch den Kampf um den »Ultimate Josh«, an dem alle teilnehmen können, die Josh heißen. Die Kämpfe dazu werden mit Poolnudeln ausgetragen. Am Ende gewinnt der 4-jährige Josh Vinson, Jr. und ein Kinderkrankenhaus, an welches all die Spenden gehen, die während der Veranstaltung eingenommen wurden. Übrigens wird überlegt, ob die Veranstaltung jedes Jahr stattfinden soll, allerdings immer mit verschiedenen Namen.

28. April – Michael Collins stirbt. Collins war der »dritte Mann« während der ersten Mondlandung von Apollo 11. Während Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond ihr Unwesen trieben, flog er im Kommandomodul um den Mond, was ihn »zum einsamsten Menschen seit Adam« machte, wie manche Stimmen titelten. Collins sollte später eventuell noch einmal selbst den Mond betreten, aber als die NASA ihm das anbot, sagte er nur »Nee, lasst ma …«

22. Mai – Das Finale des Eurovision Song Contest 2021 wird in Rotterdam abgehalten. Wer gewonnen hat, ist eigentlich egal. Wichtig zu wissen ist nur, dass keiner »Jaja Ding Dong« gespielt hat, was im Grunde die ganze Veranstaltung überflüssig macht.

23. Mai – Der regimekritische weißrussische Journalist Raman Pratassewitsch fliegt von Athen nach Vilnius. Die Ryanair-Maschine muss dabei durch Weißrussland fliegen, wo der Präsident Aljaksandr Lukaschenka meint »Leute, da ist doch bestimmt eine Bombe an Bord der Maschine. Fangt die mal mit Kampfflugzeugen ab und schießt die gegebenfalls vom Himmel, falls die nicht landen wollen.«
Die Leute im Flugzeug so: »Wat?«
Lukaschenka: »Ja, echt jetzt.«
Die Piloten: »Äh, wir landen dann lieber mal.«
Pratassewitsch: »Die wollen mich einfach nur ins Gefängnis stecken.«
Die Piloten: »Ja, sollen wir uns abschießen lassen, oder wat?«
Die Maschine landet, Pratassewitsch wird festgenommen. Einen Tag später gibt er ein Interview im Fernsehen. »Allet tuffig und super!«, sagt er, dem man die überschminkten Foltermerkmale trotzdem ansieht.

06. Juni – Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Die Nazis werden zweitstärkste Kraft. Keine Pointe.

20. Juni – Brasilien wird das zweite Land der Welt, in dem mehr als 500.000 Personen an Covid-19 gestorben sind. Der brasilianische Präsident Bolsonaro: »Wurscht, Hauptsache der Wirtschaft geht’s gut! Geht es nicht? Ach? Äh.«

27. Juni – Polizisten in Maine nehmen einen Mann fest, der wegen eines Raubs gesucht wird. Er versucht daraufhin die 200 Dollar Kaution mit Falschgeld zu bezahlen und landet überraschenderweise wegen gleich zwei verschiedenen Delikten im Gefängnis.

03. Juli – Ab diesem Tag ist Einweg-Plastik in Deutschland nicht mehr erlaubt. Die Plastik-Trinkhalme, die man bei Fast-Food-Ketten bekommt, sind also ab jetzt mehrfach verwendbar.

07. Juli – Der Präsident von Haiti, Jovenel Moïse, wird in seinem Privathaus umgebracht. Vermutlich beteiligt am Mord: Mehrere Ex-Militärs aus Venezuela und eventuell Leute aus den eigenen Reihen. Stellt sich heraus, dass es vielleicht nicht gut ankommt, wenn man in seinem ohnehin armen Land Gelder veruntreut, korrupt ist und generell in die eigene Tasche wirtschaftet.

08. Juli – Die Anzahl an weltweiten Todesfällen durch COVID-19 steigt auf 4 Millionen, hat sich also innerhalb von sechs Monaten verdoppelt. Aber der Onkel von der Schwägerin der Tante des angeheirateten Ehemanns hat ja seine eigenen Recherchen bei Telegram angestellt und meint, dass das gar nicht sein kann.

12. Juli – Ab diesem Tag verursacht das Tief »Bernd« in Mitteleuropa schwere Regenfälle, vor allem in Deutschland. Der Deutsche Wetterdienst bezeichnet das als Ereignis, das nur einmal in mehr als 100 oder vielleicht 1000 Jahren auftritt. Tatsächlich wurde vorher eingehend gewarnt, aber weil man in Deutschland dachte »Warnsirenen? Brauchen wir die noch?« oder »Wat? Warum soll ich auf Wissenschaftler hören?«, kommt es zu 220 Todesfällen, davon allein 183 in Deutschland. Und weil die Not danach noch nicht groß genug ist, nutzen gleich noch ein paar »Querdenker« die Situation aus, um Leute zu verarschen und die Arbeit der Helfer zu behindern.

20. Juli – Die Firma Blue Origin, ein privates US-amerikanisches Raumfahrtunternehmen, startet ihren ersten bemannten Raumflug. Die Rakete sieht ein wenig aus wie ein Penis, was etliche Vergleiche zwischen dem Austin-Powers-Bösewicht Dr. Evil und dem Gründer der Firma und Teilnehmer des Raumflugs Jeff Bezos hervorbringt. Jeff Bezos bedankt sich im Anschluss herzlich bei den Mitarbeitern seiner Firma Amazon: »Wenn ich bei euch nicht am Gehalt gespart hätte, hätte ich mir das nie leisten können!«

23. Juli – Die Olympischen Sommerspiele 2020 werden mit einem Jahr Verspätung in Tokio eröffnet. Aufgrund der COVID-19-Pandemie finden die Wettkämpfe aber ohne Zuschauer statt. Die Geräuschkulisse läuft vom Band und stammt von früheren Olympischen Spielen. Außerdem versucht man – wegen COVID-19 – die Sportler und Sportlerinnen vom Sex abzuhalten, indem man sie auf Kartonbetten schlafen lässt, die schnell zusammenfallen sollen. Vermutlich weil Personen auf der Höhe ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit keine andere Möglichkeit finden, wie man Sex haben könnte.

25. Juli – Auf YouTube wird ein Video eines Hamsters hochgeladen, der – je nachdem welchen Klorollentunnel er in seinem Käfig benutzt – verschiedene Kryptowährungen kauft oder verkauft. Stellt sich heraus, dass er damit bessere Entscheidungen trifft als Warren Buffett, US-amerikanischer Großinvestor und viertreichster Mensch der Welt.

04. August – Forscher geben bekannt, dass sie das Rätsel einer portugiesischen Frau gelöst haben, die eine weiße Flüssigkeit aus ihrer Achselhöhle absonderte. Es offenbart sich, dass die Frau an Polymastie leidet und quasi eine weitere Brust unter der Achsel hat. Sie schwitzt buchstäblich Muttermilch aus.

05. August – Schweizer Wissenschaftler von der FH Graubünden verlautbaren, dass sie Pi bis auf 62.8 Billionen Nachkommastellen ausgerechnet haben. Damit stellen sie den bisherigen Rekord von 50 Billionen Nachkommastellen ein. Ob es daraufhin einen Pie zum Essen gibt, ist nicht bekannt.

11. August – Ein Stück des Hochzeitskuchens von Prinzessin Diana und Prinz Charles wird versteigert und erreicht dabei den Preis von 1.850 Pfund – über 40 Jahre nachdem die Hochzeit stattgefunden hat und 29 Jahre nachdem die Ehe bereits geschieden wurde. Wenn man schon ungenießbaren Kuchen kauft, dann muss er auch wenigstens teuer sein, nicht wahr?

15. August – Die Taliban nehmen Kabul ein und somit auch de facto die Herrschaft über Afghanistan. Im Grunde sagt der afghanische Präsident Aschraf Ghani »Äh, ich muss weg!«. So ziemlich alle Nicht-Afghanen und einige Afghanen selbst sagen kurz darauf genau dasselbe. Die Taliban hingegen meinen »Mensch, wir sind doch jetzt viel besser als früher und total lieb! Ihr müsst halt nur Muslime sein und möglichst keine Frau, dann ist im Grunde alles tuffig und super!«

02. September – Mikis Theodorakis stirbt 96-jährig in Athen. Zunächst Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus im Zweiten Weltkrieg, wurde er später selbst Mitglied im griechischen Parlament und sogar Staatsminister ohne Geschäftsbereich. Nebenbei komponierte er noch rund 1000 Musikstücke, darunter u.a. die Filmmusik zu »Alexis Sorbas«, die ihn weltbekannt machte, und schrieb Bücher. Sein jahrzehntelanges Engagement machte ihn zu einem griechischen Volkshelden.

07. September – El Salvador wird das erste Land, welches Bitcoin als Landeswährung akzeptiert. Da man ansonsten auch nichts mit den Finanzen anzufangen weiß, ist das also halb so wild.

09. September – Die jährliche Preisverleihung des Ig Nobelpreises, der dazu gedacht ist, wissenschaftliche Leistungen zu ehren, die »Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen«, findet statt. In diesem Jahr werden unter anderem folgende Dinge ausgezeichnet:
– eine Studie, die herausgefunden hat, dass das Übergewicht der Politiker als Indikator für die Korruption im Land dienen kann
– der Nachweis, dass ein Orgasmus ebenso nasenabschwellend wirkt wie Nasenspray
– die experimentelle Bestimmung darüber, ob sich Nashörner sicherer über Kopf transportieren lassen

28. September – Am Morgen nach einem Trinkgelage mit Freunden wacht der Türke Bayhan Mutlu auf und geht aus dem Wäldchen, in dem er die Nacht verbracht hat. Auf dem Heimweg trifft er einen Suchtrupp, dem er sich spontan anschließt. Erst nach über einer halben Stunde fällt ihm auf, dass der Suchtrupp eigentlich nach ihm suchen soll. Vermutlich geht man darauf einen Trinken.

30. September – Am Flughafen München will ein 28-jähriger Fluggast seinen Flug in die Türkei kriegen, als er von der Security aufgehalten wird. In seinem Gepäck wird eine alte Mörsergranate gefunden, die jederzeit explodieren könnte. »Ach, die habe ich vor ein paar Wochen beim Wandern in der Schweiz gefunden.«
Der 28-Jährige darf hinterher die Kosten für die aus Sicherheitsgründen erfolgte Sperrung und die dreistündige Verzögerung von etlichen Airlines tragen.

02. Oktober – Nachdem der Fahrer Brandon Brown das Sparks 300 Rennen auf dem Talladega Superspeedway gewonnen hat, interviewt ihn die Reporterin Kelli Stavast. Während des Interviews stimmen etliche Zuschauer »Fuck Joe Biden«-Sprechchöre an. Die Reporterin, die vermutlich fürchtet, dass ihr Beitrag zensiert werden könnte, sagt zum Fahrer, dass die Leute »Let’s Go Brandon« rufen.
Im Nachgang geht »Let’s Go Brandon« als »Fuck Joe Biden«-Ersatz insbesondere bei politisch rechts verankerten Leuten geradezu viral. Rap-Songs werden geschrieben, elektronische Straßenschilder gehackt, um den Spruch zu zeigen, und selbst eine Kryptowährung unter dem Namen wird eingeführt. Auch Politiker nutzen die Phrase während öffentlicher Reden. Die politische Rechte, die sonst nicht viel mit cleveren Aussagen auftrumpfen kann, freut sich, auch mal was halbwegs Pfiffiges sagen zu können, auch wenn der wiederholte Gebrauch der Phrase, die eine Halbwertszeit von normalerweise einem Tag gehabt hätte, mehrere Wochen danach nur noch albern wirkt.
Mitte November fragt ein Reporter die Sprecherin des Weißen Hauses, was Joe Biden darüber denkt. Ihre Antwort: »Ich glaube nicht, dass er viel Zeit damit verbringt, darüber nachzudenken.«

03. Oktober – Mehr als 600 Journalisten aus 117 Ländern decken anhand von tausenden Dokumenten auf, dass die Reichen und Mächtigen in großem Stil Steuervermeidung und auch Geldwäsche betreiben. Und alle Leute auf der Welt so: »Ach?«
Was vermutlich dieselbe Reaktion ist, wenn es darum geht, daraus irgendwelche Konsequenzen zu ziehen.

09. Oktober – Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz tritt zurück. Ihm wird nicht nur vorgeworfen, in der Ibiza-Affäre falsche Aussagen gemacht zu haben, sondern auch Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Viele Politiker schauen sich danach einfach an und fragen: »Ja, aber darum wird man doch Politiker, oder nicht?«

13. Oktober – Schauspieler und manchmal »Sänger« William Shatner, größtenteils bekannt aus seiner Rolle als Captain James Tiberius Kirk in »Star Trek«, wird mit 90 Jahren, sechs Monaten und 22 Tagen zum ältesten Menschen, der bisher ins All geflogen ist. Amazon-Chef Jeff Bezos hatte ihn beim zweiten bemannten Raumflug seiner Blue Origin Firma mitgenommen. »Ist quasi als Dankeschön dafür, dass wir mit Neuauflagen von Star Trek den Fans so viel Geld aus der Tasche gezogen haben.«

15. Oktober – Alitalia, Italiens große Luftfahrtgesellschaft, stellt nach 75 Jahren den Betrieb ein. Der Firma ging es schon seit Jahren nicht gut, aber die COVID-19-Pandemie brach ihr nun endgültig das Genick. Aus ein paar Überresten von Alitalia macht die italienische Regierung nun die staatliche Gesellschaft Italia Trasporto Aereo (ITA). Dabei fällt mir ein alter Witz ein … Warum küsst der Papst immer den Boden, wenn er irgendwo mit dem Flugzeug angekommen ist? Weil er Alitalia geflogen ist …

25. Oktober – Unter Führung von Generalleutnant Abdel Fattah Abdelrahman Burhan putscht sich das Militär im Sudan an die Macht. Die Welt reagiert daraufhin überwiegend mit »Alter … pass mal auf …«, woraufhin er knapp einen Monat später den eigentlichen Premierminister wieder zurückkehren lässt.

01. November – Die Anzahl an weltweiten Todesfällen durch COVID-19 steigt auf 5 Millionen. Damit ist COVID-19 also ungefähr so tödlich wie die Napoleonischen Kriege. Da kann man gleich mal einen Champagner aufmachen.

04. November – Zeitungen weltweit berichten darüber, dass ein neuseeländisches Pärchen in ihrem Garten eine 7,9kg schwere Kartoffel ausgegraben hat. Die bisherige, kartoffelige Rekordhalterin im Guinnessbuch der Rekorde hatte ein Gewicht von knapp unter 5kg. Die Gartenbesitzer nennen ihre Kartoffel liebevoll »Doug« und hoffen, dass sie daraus am Ende Wodka machen können.

16. November – In Brasilien entkommt eine Kuh aus dem Schlachthaus, wandert ein wenig durch die Gegend und dringt schließlich in ein Schwimmbad ein, wo sie dann die Wasserrutsche benutzt. Später im TV-Interview sagt die Kuh: »Also ich wollte schon immer mal ins Spaßbad und dann dachte ich, wann wenn nicht jetzt?«
Die Story hat ein Happy End: Ein Rancher adoptierte die Kuh und hält sie jetzt als Haustier. In dem Zuge erhielt die Kuh auch den Namen »Tobogã«, der so viel wie »Riesenrutsche« bedeutet.

19. November – Während der Überführung von Geld auf einem Highway bei San Diego, USA, gehen die Türen eines Geldtransporters auf und Säcke mit Geld fallen auf die Straße. Kurz darauf kommt der gesamte Verkehr zum Erliegen, als Leute einfach auf der Autobahn anhalten, um das Geld aufzusammeln. Die Polizei muss die Leute später daran erinnern, dass sie das Geld nicht einfach mitnehmen können, denn »wenn ein Laster Fernseher verliert, kann man sich die ja nicht auch einfach greifen«.
Faszinierenderweise ist das nicht der erste Vorfall, bei dem herumfliegendes Geld in San Diego zur Sperrung eines Highways führte. Bereits 2009 hatten Drogenkriminelle während der Flucht 20- und 100-Dollar-Scheine aus ihrem Auto geworfen, um die Verfolgung durch die Polizei zu behindern.

24. November – Eine Bibliothek in Boise, Idaho, staunt nicht schlecht, als ein ausgeliehenes Buch zurückgegeben wird. Nach 110 Jahren. Das Buch selbst, der Roman »New Chronicles of Rebecca«, ist in gutem Zustand. Auf die Frage, warum das Buch erst jetzt wieder zurückgegeben wurde: »Ich lese halt einfach nicht so schnell.«

Ebenfalls an diesem Tag: Magdalena Andersson wird zum ersten weiblichen Premierminister von Schweden gewählt. Da ihr Budget vom schwedischen Reichstag aber abgelehnt wird, tritt sie nur Stunden nach der Wahl gleich wieder zurück. Am 29. November wird sie dann aber noch mal gewählt, weil es so schön war.

26. November – Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält ein Notfall-Meeting ab, um über die neue COVID-19-Variante names Omikron zu sprechen, die offenbar noch ansteckender als die Delta-Variante ist. Langsam stehen den Leuten die Schweißperlen auf der Stirn, weil ihnen die griechischen Buchstaben ausgehen.

08. Dezember – In den Vereinigten Arabischen Emiraten (kurz: VAE) findet eine Razzia während eines Kamel-Schönheitswettbewerbs statt. Letztlich werden über 40 Kamele disqualifiziert, weil man sie mit Botox behandelt oder Schönheitsoperationen unterzogen hatte. Bei einem Preisgeld von 66 Millionen Dollar kann man vermutlich nachvollziehen, dass Leute da auf bekloppte Ideen kommen.

Außerdem an diesem Tag: Deutschland hat einen neuen Bundeskanzler. Olaf Scholz nimmt die Arbeit auf und Angela Merkel will, laut irgendwelchen Quellen, ab sofort Morde in der Uckermark aufklären.

10. Dezember – Zeitungen aus Damariscotta, Maine melden, dass die Eichhörnchenpopulation in diesem Jahr deutlich … an Gewicht zugenommen hat. Das feuchte Wetter dieses Jahres hatte in der Gegend für jede Menge Futter gesorgt, welches die Eichhörnchen entsprechend in sich hineinschaufelten. Insofern wird davon gesprochen, dass manche von ihnen nicht mehr laufen, sondern nur noch »wanken«. Natürlich gibt die Bevölkerung den Tieren entsprechende Namen, so z.B. »Squirrelzilla« oder »Fatty McFatterson«.

25. Dezember – Das James-Webb-Weltraumteleskop, kurz JWST, wird gestartet. Der wissenschaftliche Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops sollte eigentlich schon 2007 gestartet werden, aber wegen Finanzierungsproblemen wurde der Start dann auf 2014, dann auf 2019, dann auf 2020 und schließlich 2021 verschoben. Damit hat die Entwicklung fast so lange wie bei einem bestimmten Flughafen gebraucht.

26. Dezember – Deutschland überschreitet die 7-Millionen-Marke bei COVID-19-Fällen. Nordkorea hingegen hat offiziell noch keinen einzigen Fall gemeldet. Hat schon was für sich, wenn man seine Leute einsperrt.

31. Dezember – Trotz Böllerverbot wird in Deutschland trotzdem geknallt, als müsste man noch ein paar Schlachten aus dem Zweiten Weltkrieg nachholen. Weltweit gibt es seit Beginn der Pandemie fast 5,5 Millionen Covid-Tote zu beklagen. Russland scheint kurz davor in der Ukraine einzumarschieren. Die Lebensmittelpreise steigen. Aber am schlimmsten: In drei Tagen geht die Schule wieder los bzw. ist der Urlaub vorbei.

Frohes neues Jahr!

Ein Krankenhausaufenthalt mit Appendizitis

Vor kurzem hatte ich das Vergnügen, eine sogenannte Appendizitis zu haben, oder wie man umgangssprachlich sagt: Isch hatte Blinddarm.
Das scheint ja so ein Ding zu sein, dass man einfach das Körperteil nennt, das irgendwie betroffen ist, und alle nicken danach nur wissend. »Isch hab Rücken! Isch hab Knie! Isch hab kleiner Zeh!«
Es begann am Samstagabend, nachdem meine Frau und ich eine ordentliche Portion Wurstgulasch gegessen hatten. Plötzlich hatte ich Schmerzen in der Seite, die jedes Mal, wenn ich mich in irgendeiner Form bewegte, unmissverständlich klarmachten, dass sie darauf keinen Bock hatten.
»Hab dich nicht so. Du hast dich nur überfressen«, meinte meine Frau.
Sagen wir so: Klang für mich erstmal naheliegend.
Ich ging dann auch mit Schmerzen ins Bett und hatte eine nicht ganz so tolle Nacht, denn die Schmerzen hörten nicht plötzlich auf. Ich schlief also schlecht, wachte am nächsten Tag immer noch mit Schmerzen auf und quälte mich aus dem Bett. Ich fühlte mich fiebrig und maß die Temperatur. 38°C. Nicht wirklich toll.
»Du musst einfach mal furzen oder auf Toilette, dann geht das wieder«, sagte meine Frau.
Ich dachte: Vielleicht. Wollte aber alles nicht so richtig. Zu dem Zeitpunkt ahnte ich schon, was mich erwischt hatte.
Gegen Nachmittag und einige Google-Suchen, die mir sagten, dass ich wahrscheinlich sterben würde, später, hatte ich die Schnauze voll und fuhr ins Krankenhaus.
»Wat wollen Sie?«, fragte mich die nette Dame am Empfang der Notaufnahme, nachdem ich mich die Stufen emporgequält hatte, weil irgendein Superhirn auf die tolle Idee kam, die Notaufnahme nicht ins Erdgeschoss zu bauen.
»Ich glaub, ich hab Blinddarm.«
»Ach?«
»Doch.«
»Na, hier haben Sie erstmal ein Bändchen mit ihrem Namen drauf. Wollen wir doch mal schauen, was das dann wirklich ist. Sie können ja im Wartebereich Platz nehmen.«
Derart motiviert ging ich also in den Wartebereich, der glücklicherweise relativ leer war. Es saßen nur vier Leute da, ich hatte also Chancen, vor Dienstagabend ranzukommen. Und tatsächlich, schon nach wenigen Minuten rief mich eine junge Ärztin zu sich, die von oben bis unten tätowiert war, aber vergaß, mir ihren Namen zu nennen, vermutlich weil die Beschreibung »Die hatte einen heulenden Wolf auf dem Arm« schneller zur Identifikation führen würde, als wenn ich »Die hieß Schultze oder so« sagen würde.
Ich erklärte ihr alles und sagte, ich hätte Fieber.
»38°C ist kein Fieber.«
»Okay. Dann halt erhöhte Temperatur.«
Sie steckte mir einen Temperaturfühler ins Ohr. »Nee, Sie haben keine erhöhte Temperatur.«
»Ja, dann … nicht. Schmerzen habe ich aber trotzdem.«
»Wo denn?«
»Da so …«
Ich zeigte auf die Stelle.
Häuptling heulender Wolf drückte auf mir herum.
»AAAAAAAH«, sagte ich.
»Ach, da tut’s weh?«
»Wie ich schon sagte.«
»Und hier?« Sie drückte an einer etwas anderen Stelle, aber immer noch in der Nähe.
»AAAAAAAH«, sagte ich.
»Tut weh, wa? Na, ich lege ihnen mal einen Zugang, nehme ihnen Blut ab und dann könnten sie hier noch mal ins Becherchen pinkeln.«
Sie führte mich zu einem Klo, dessen Tür nicht abgeschlossen werden konnte und dessen Fenster so sperrangelweit offen stand – und offen stehen bleiben sollte –, sodass mich die RTW-Fahrer, die davor standen und sich über Kuchenrezepte austauschten, beim Pinkeln anfeuern konnten.
Im Anschluss führte mich heulender Wolf zu einem anderen Behandlungsraum.
»Haben sie eigentlich ein Schmerzmittel genommen?«, fragte sie mich.
»Nee.«
»Warum nicht?«
»Kam mir, ehrlich gesagt, gar nicht in den Sinn. Ich hatte ja gehofft, dass es von alleine wieder weggeht.«
Sie schüttelte nur mit dem Kopf. »Männer.«
Wir erreichten den anderen Behandlungsraum, wo ich mich auf die Liege packen und abwarten sollte.
»Wollen sie denn jetzt ein Schmerzmittel?«
»Hilft das denn?«, fragte ich etwas unbeholfen, weil ich eigentlich daran dachte, ob das Schmerzmittel eventuell die Untersuchung erschweren würde.
Heulender Wolf rollte mit den Augen. »Ja, Schmerzmittel helfen.«
»So meinte ich das ni …«
»Wat denn nu?«
»Ja, bitte.«
Sie ging und ich lag keine fünf Minuten auf der Liege, bis ein Pfleger kam. »Sie können hier nicht bleiben, wir brauchen den Raum.«
»Okay, aber …«
»Können ja im Wartezimmer warten.«
Also wieder zurück ins Wartezimmer zu den anderen Gestalten, die den üblichen Gesichtsausdruck von Renaissance-Bildern teilten.
Ich wartete auf weitere Informationen und vor allem: mein Schmerzmittel.
45 Minuten vergingen.
Ich kroch vornübergebeugt zum Schalter der Notaufnahme, um nachzufragen.
»Wat?«
»Eigentlich wollte die Ärztin mir ein Schmerzmittel geben, aber …«
»Ja, ich frag mal nach.«
Ich kroch vornübergebeugt zurück zu meinem Platz im Wartezimmer.
Es vergingen weitere 45 Minuten, bis eine weitere Ärztin mich bat, ihr zu folgen. Heulender Wolf war nirgends mehr zu sehen. Ich bin mir auch sicher, dass sich die neue Ärztin vorstellte, aber ich hatte irgendwie so mit meinem Schmerzen zu tun, dass ich mir den Namen nicht merkte.
In einem neuen Behandlungsraum legte ich mich auf die Liege und im Grunde wurde ich dasselbe wie vorher gefragt.
»Wo tut’s denn weh?«
»Da so«, sagte ich und deutete auf die Stelle.
Die Ärztin drückte darauf herum.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Ah, da tut’s also weh.«
»Wie ich schon sagte.«
»Und was ist hier?« Sie drückte an einer anderen Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Ach, da also auch. Und was hier hier?« Sie drückte an noch einer anderen Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich erneut.
»Ach, das tut weh, ja?«
»Schon.«
»Aber eigentlich tut es da weh, ja?« Sie drückte noch mal die Stelle, die ich ihr ursprünglich gezeigt hatte.
»AAAAAAH«, sagte ich und ergänzte dann. »Genau.«
»Also der Schmerz sitzt schon eher hier, richtig?«, sagte sie und drückte die Stelle noch einmal.
»AAAAAAH«, sagte ich erneut und nickte.
»Also, scheint schon eine Blinddarmentzündung, genauer gesagt Appendizitis, zu sein. Ihre Blutwerte sagen nämlich auch, dass sie eine Entzündung haben.«
»Ach?«
»Und wenn es da weh tut«, sie drückte noch einmal auf die Stelle, weswegen ich auch noch mal »AAAAAAH« sagte, »dann ist das schon sehr wahrscheinlich.«
»Ach?«, wiederholte ich mich. »Und jetzt?«
»Muss ich mal den zuständigen Chirurgen holen. Der muss sich das noch einmal ansehen und dann entscheiden. Wollen sie in der Zwischenzeit ein Schmerzmittel?«
»Ja, bitte.«
Sie drückte mir noch einmal auf die Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Doch, doch. Ganz klassische Appendizitis.«
Dann ging sie heraus.
Ich lag noch eine Weile auf der Liege, bis eine weitere Ärztin kam, die sich als Chirurgin vorstellte.
»Wo tut’s denn weh?«
»Da so.«
Sie drückte die Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Und hier?« Sie drückte etwas daneben.
»AAAAAAH«, sagte ich.
»Und hier?« Sie drückte noch einmal an einer etwas anderen Stelle.
»AAAAAAH«, sagte ich zum wiederholten Male.
»Hm, könnte Appendizitis sein.«
»Ach?«
»Könnten auch Gallensteine sein.«
»Na, das ist jetzt mal was Neues.«
»Sollten wir im CT überprüfen. Schmerzmittel haben sie nicht?«
»Ich wollte, aber irgendwie …«
»Ich gebe mal Bescheid.«
Die Chirurgin verschwand. Bald kam eine Schwester und hängte einen Tropf an, der wohl Schmerzmittel enthielt. Es tat freilich immer noch ziemlich weh, wenn ich mich mal bewegen musste.
Einige Minuten später schob mich dann eine Schwester zum CT.
Was einem als seltener Besuch im Krankenhaus auffällt, wenn man denn mal als Patient da ist, ist, wie wenig Platz eigentlich zum manövrieren von den durchaus klobig zu nennenden Betten bleibt. Durch die Türen passen die Dinger gerade so und auch auf den Gängen steht halt dies und das, was so eine Fahrt interessant macht. Besonders, wenn man eine Krankheit hat, die auf jede Bewegung reagiert.
»Au … au … au …. au…«, machte ich, als wir über irgendwelche Bodenschwellen fuhren, die sich ein Sadist beim Bau des Krankenhauses ausgedacht hatte. Beim Fahren um eine Ecke krachte das Bett dann auch gegen eine Kante, weswegen ich zur Abwechslung auch mal »Aaaauuuuu« sagte. Am Ende landete ich aber vor der Tür zum CT und wurde an einer Stelle auf dem Flur abgestellt, die man gewisser Berechtigung das Hermsdorfer Kreuz des Krankenhauses bezeichnen konnte. Der Verkehr war jedenfalls groß und ich hatte Gelegenheit Schwestern, Ärzte und Ärztinnen bei Diskussionen zu belauschen, die sich um kesse Pfleger, blöde Klamotten oder Corona drehten, was eine Pflegerin mit »Ich kann es nicht mehr hören« kommentierte.
Es war auch die Gelegenheit einem – so schien es zumindest – besoffenen Typen ein paar Türen weiter zu hören, der mehrmals »AUA! AUFHÖREN!« brüllte, was in meinem Fall nur das Kopfkino antrieb, welches in dem Fall aus Monty Python Mitgliedern bestand, die in Verkleidung als spanische Inquisition den Mann mit flauschigen Kissen piesackten.
Endlich wurde ich in den Raum mit dem CT geschoben. Das Schmerzmittel wurde abgemacht und mir ein kokosnussgroßes Ding in Plastikfolie in die Hand gedrückt, welches eine Farbe hatte, die Verkäuferinnen auf QVC gerne als »off-white« beschreiben.
»Was soll ich damit?«
»Das ist der Hodenschutz. Den machen Sie sich um die Hoden rum und ziehen dann am besten die Unterhose drüber.«
»Aha«, sagte ich, während sich die CT-Schwester oder -Ärztin umdrehte, damit ich das Ding in Ruhe anbringen konnte. Die beiden Ärzte oder Pfleger, die hinter einer Glasscheibe saßen und mich munter weiter anstarrten, brauchten mich wohl nicht zu stören.
Ich benötigte einen Moment, um zu begreifen, wie man das Ding am besten »anbringt«. Es war relativ schwer, vermutlich weil darin irgendwie Blei verarbeitet war, um die Strahlung abzuhalten, aber biegsam und so versuchte ich irgendwie gleichzeitig meine Unterhose zu dehnen und dabei das Ding über meine Familienjuwelen zu bekommen. Das ging auch, allerdings neigte das Teil dazu, sich eigenmächtig zu schließen und dann Dinge zu drücken, die besser nicht gedrückt werden, es sei denn, man steht auf sowas. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass der offizielle Name des Hodenschutzes vermutlich »Klötenquetsche 3000XL« ist.
Danach durfte ich mich dann wieder hinlegen, was mir unter viel Stöhnen auch gelang, und dann wurde mir Kontrastmittel an den Zugang angeschlossen. Immerhin will man auf den CT-Bildern ja auch etwas sehen.
Wer noch nie Kontrastmittel bekommen hat: Da läuft einem über einem Zugang das Zeug in den Arm oder wo auch immer der Zugang angebracht ist, und plötzlich hat man einen metallischen Geschmack im Mund. Es ist wirklich faszinierend, dass man Dinge, die man irgendwo hineingepumpt kriegt, schmecken oder gar riechen kann.
Und wer keine Ahnung hat, was mit CT gemeint ist: Ein Computertomograph ist ein großes, röhrenartiges Gerät, welches zwei Dinge erfüllt. 1. Es macht Bilder vom Inneren eines Körpers, ähnlich wie ein Röntgengerät, aber man sieht damit auch Weichteile, nicht nur Knochen. 2. Während des Betriebs macht es ein paar sexy Geräusche, die einem sanft ins Ohr gesäuselt werden und beruhigen sollen, Geräusche wie »Brrrrrrrrrrrrrt!«, »KLACKKLACKKLACK« oder »CHKCHKCHCK«.
Nach besagten Geräuschen durfte ich wieder aufstehen. Die Damen und Herren hinter der Glasscheibe sahen mir diesmal nicht dabei zu, wie ich an der Klötenquetsche 3000XL hantierte. Sie starrten offenbar auf mein Innerstes auf ihren Bildschirmen. Ist ja auch schön, wenn sich mal jemand für die inneren Werte interessiert.
Das Schmerzmittel wurde wieder angeschlossen und nach einem Umweg über das Hermsdorfer Kreuz wartete ich in einem Zimmer auf das Ergebnis der Untersuchung, welches auch relativ bald kam. Die Chirurgin, die mich schon vorher besucht hatte, kam herein und sagte mir, dass es tatsächlich Appendizitis war. Komischerweise musste sie mir dabei nicht mehr auf dem Bauch rumdrücken.
»Sie werden jetzt zur Station gefahren und werden dann von da zur Operation abgeholt.«
»Die Operation findet gleich heute statt?«
»Ja, natürlich.«
»Wow, okay.«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee.«
»Besser is es.«
Ein Pfleger schob mich von der Notaufnahme auf mein Zimmer in die Chirurgie. Diesmal zählte ich lediglich 345 Bodenschwellen und zwei Kanten. Im Zimmer angekommen hatte ich das Vergnügen mich auf die Operation vorzubereiten, d.h. Klamotten aus und super aufregende Netzunterwäsche an.
Um das etwas näher zu erklären: Man bekommt ein etwa waschlappengroßes Stück Stoff aus dünner Baumwolle, welches man aufklappen kann. Darin sind zwei Löcher für die Beine und dann zieht man sich das über den Hintern und Genitalbereich. Wenn man etwas korpulenter ist, so wie ich, sind die Abstände zwischen den Maschen so groß, dass im Grunde nichts der Fantasie überlassen wird, wenn man vor einem steht. Der Sinn der Hose hat sich mir nicht ganz erschlossen, weil im Grunde nur die Nudel weggeklemmt wird, man ansonsten aber praktisch nichts davon hat.
Kaum hatte ich die Reizwäsche an, kam erneut eine Chirurgin, um mich über die Operation aufzuklären.
»Im Grunde läuft alles gut oder sie sterben«, war kurzgesagt das, was ich von der Konversation mitbekommen habe.
»Prima«, sagte ich.
»Dann bitte hier unterzeichnen. Eine andere Wahl haben Sie im Grunde nicht.«
»Ich fühle mich bei Ihnen total gut aufgehoben«, sagte ich und unterschrieb den Zettel, den ich nicht gelesen hatte.
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Das wurde ich schon gefragt. Nee.«
»Besser is es.«
Im Anschluss kam noch eine Pflegerin und drückte mir einen elektrischen Rasierer in die Hand. »Da müssten Sie mal Ihren Bauch rasieren.«
»Okay.«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee, immer noch nicht.«
»Besser is es.«
Also stand ich kurz darauf im Badezimmer und rasierte mir den Bauch. Als ich gerade zwei Streifen weg hatte und noch weit davon entfernt war fertig zu sein, ging die Tür erneut auf.
»So, geht los«, sagte eine Pflegerin.
»Ich bin noch gar nicht fertig«, erwiderte ich.
»Den Rest machen die im OP. Oder auch nicht. Ich bin nicht deren Mutter.«
»Ach?«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee, wirklich nicht. Vielleicht könnte sich das mal jemand aufschreiben.«
»Besser is es.«
»Wäre es.«
»Wat?«
»Schon gut.«
Ich wurde im Bett bis zum OP-Bereich geschoben. Die Anzahl der Bodenschwellen hielt sich in Grenzen. Dort angekommen wurde ich vom Anästhesisten begrüßt.
»Hallo! Ich werde sie gleich ausknocken!«
»Wie Mike Tyson?«
»Hm?«
»Schon gut.«
»Haben Sie Zahnersatz oder Allergien?«
»Nee.«
»Besser is es. Dann will ich sie noch darüber aufklären, was wir machen.«
»Das hatte eigentlich schon die Chirurgin.«
»Hier geht es speziell um die Anästhesie.«
»Ach?«
»Ja, im Grunde geht alles gut oder sie sterben«, sagte der Anästhesist. Zumindest war das so die Quintessenz von dem, was er sagte. »Aber Sie sind bei uns in guten Händen.«
»Beruhigend.«
»Haben Sie eigentlich Zahnersatz oder Allergien?«
Ich sah den Anästhesisten an. Er sah mich an.
»Nun, fragte er?«
»Immer noch nicht.«
»Besser is es. Hier unterschreiben.«
Ich unterschrieb den nächsten Zettel, den ich vorsichtshalber nicht gelesen hatte.
»Na, dann kann es ja gleich losgehen.«
»Wie lange bin ich weg?«
»So ca. eine Stunde. Wir machen Sie im OP wieder wach, auch wenn Sie sich hinterher vielleicht nicht mehr daran erinnern können, dass wir miteinander gesprochen haben.«
»Okay.«
Man steckte mir noch ein paar Messgeräte an Finger und Oberkörper, dann wurde mir auch schon eine Maske aufgesetzt und kurz darauf war ich weg.

Ich erwachte im OP, wo der Anästhesist mich ansah und mich mit freundlichen Augen fragte: »AHALSKDHLAKSJBBXS?«
»Garglgarglgarglbla.«, sagte ich.
»Na, dann ist ja alles in Ordnung. Ist gut gelaufen!«
Von der anschließenden Fahrt ins Zimmer, bekam ich im Grunde nichts mit. Im Zimmer selbst war ich zumindest wieder so weit auf dem Damm, dass ich noch eine Nachricht an meine Frau schicken konnte. »Alles gut gelaufen. Bis morgen.«
Es war mittlerweile so um 22 Uhr und geschafft vom Tag und der OP fiel ich in den Schlaf.

Gegen 1 Uhr in der Nacht ging das Licht an und eine Schwester kam hereingestiefelt. Ich riss die Augen auf, wusste aber nicht, wo vorne oder hinten war.
»Palim, Palim! Wir müssen mal einen Tropf anschließen.«
Mein Geisteszustand ließ in dem Moment nicht zu, dass ich eine schlagfertige Antwort gab, sonst hätte ich vielleicht gefragt, ob sie eine Flasche Pommes Fries haben will. So lag ich einfach nur da, starrte verwirrt in die Gegend und sagte: »Wa?«
»… Tropf anschließen …«
»Blblblblblbl«, war ungefähr die Antwort, die ich herausbrachte.
»Waren sie schon pinkeln?«
»Wa?«
»Ob sie schon pinkeln waren?«
»Nee, ich hab geschlafen.«
»Sagen sie mir Bescheid, wenn sie pinkeln müssen. Wir müssen das überprüfen.«
»Ach?«, sagte ich, bevor ich wieder einschlief.
15 Minuten später ging die Tür erneut auf. Die Schwester kam wieder herein. Ich riss erneut die Augen auf.
»Wat zum Teufel?«
»Anderen Tropf anschließen.«
»Wa?«
»Sie können weiterschlafen.«
»Kann ich?«
Ich fiel wieder in den Schlaf.
15 Minuten später ging die Tür erneut auf.
»Palim, Palim! Der Tropf ist fertig.«
»Okay«, sagte ich, während sie das Ding abmachte und meinen Zugang wieder schloss. Sie ging heraus und mir fielen erneut die Augen zu.
Gegen 5 Uhr ging erneut das Licht an und die Schwester kam herein. Ich brauchte gefühlt zwei Minuten, um meine Augen in eine Position zu rollen, die das Sehen möglich machte.
»Aasdhlkjalfdkja«, sagte die Schwester.
»Wat?«, sagte ich.
»Das hier sind Schmerzmittel, falls sie welche brauchen.« Sie ergänzte noch eine lange Erklärung, von der ich aber nichts mitbekam, weil es 5 Uhr morgens war und ich geistig noch im Taka-Tuka-Land.
Ich versuchte, einen Moment so weit wach zu werden, um das Gesagte überhaupt zu verarbeiten. Wirklich verstanden hatte ich aber ohnehin nichts. »Ich glaube, ich brauche kein Schmerzmittel.«
»Na, ich stelle sie ihnen hier hin. Wollen sie jetzt vielleicht pinkeln?«
»Müssen sie dabei zuschauen?«
»Nein, wir müssen bloß sehen, dass das klappt.«
»Ich kann ja mal kurz…«
Ich wuchtete mich aus dem Bett, wobei mir mittlerweile nicht mehr die eine Seite, sondern gleich drei Stellen an meinem Bauch wehtaten. Es gelang mir ein paar Tropfen rauszudrücken, konnte der Schwester per Daumen hoch signalisieren, dass alles super gelaufen war, und fiel dann wieder ins Bett. Ist auch nicht alle Tage, dass man mit anderen Leuten darüber kommuniziert, wie das mit dem Wasser lassen so ist.
»Nehmen sie ruhig die Schmerzmittel, wenn ihnen etwas weh tut.«
»Es tut ja nur weh, wenn ich mich bewege, und im Bett tue ich das ja eigentlich nicht.«
Die Schwester ließ mich wieder allein und ich sank erneut in den Schlaf.
Gegen 6 Uhr bimmelten Glocken von der Kirche, die quer über den Platz steht. Normalerweise bin ich der Meinung, dass Kirchen, Moscheen oder was auch immer ihren Quatsch machen sollen, wenn sie meinen, aber in diesem Moment hätte ich, wenn ich einen entsprechenden Ministerposten im Bundeskabinett, der so etwas zulässt, gehabt hätte, geneigt gewesen einen Luftschlag anzufordern.
Ich dröselte erneut weg.
Gegen 7 Uhr war draußen offenbar ein Auto der Stadtentsorgung Potsdam, welches den Glasmüll aus einem Container auf dem Platz vor dem Krankenhaus verteilen musste. Zumindest hörte sich das so an.
Ich war noch immer hundemüde, aber mittlerweile so oft geweckt worden, dass ich immerhin feststellen konnte, dass das Fenster nicht nur auf war und munter kalte Luft reinbrachte, sondern auch nirgends irgendwelche Vorhänge hingen, die die mittlerweile aufgehende Sonne etwas abgemildert hätten.
Plötzlich kam ein freundlicher Herr in grünen Klamotten herein.
»Guten Morgen.«
»Wenn sie meinen.«
»Herr Niedlich?«
»Ja.«
»Ich wollte nur nachfragen, was sie denn heute essen wollen. Morgens Brötchen oder Stullen?«
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eineinhalb Tage nichts gegessen. Tags zuvor war mir der Hunger relativ egal gewesen, denn da hatte ich andere Sorgen. Als der Mann allerdings anfing, von Brötchen zu reden, sprang sofort die Speichelproduktion an und mein Magen begann zu knurren.
»Oh ja, Brötchen bitte.«
»Herzhaft oder süß?«
»Herzhaft.«
»Und mittags? Essen sie irgendwas nicht?«
»Fisch. Und Kapern.«
Der Mann machte sich Notizen.
»Und abends Schwarzbrot, Mischbrot oder Weißbrot?«
»Ganz ehrlich: Weißbrot.«
»Zwei, drei oder vier Scheiben?«
»Ich glaube, drei Scheiben genügen.«
»Gut, das habe ich mir notiert.«
Vor meinem geistigen Auge sah ich schon zwei Brötchen mit Wurst vor mir stehen und begann zu schmatzen.
»Ach, ich sehe gerade. Heute dürfen Sie noch gar nichts bekommen. Aber ich kann Ihnen einen Tee und etwas Erdbeerjoghurt bringen.«
Meine Laune sank ein ganzes Stück, aber natürlich sagte ich ihm, dass mich das freuen würde.
Kurz darauf kam er auch mit einer Tasse Tee und einer Schale zurück, die irgendeine zähviskose Flüssigkeit in rosa Farbe enthielt und mit allergrößter Wahrscheinlichkeit von den Teletubbies gestohlen war.
»Guten Appetit!«, sagte er. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass er mich verarschen wollte.
Ich nahm die Schale und den Löffel und stopfte mir eine ordentliche Portion in den Mund, denn immerhin hatte ich – wie gesagt – seit anderthalb Tagen nichts gegessen. Als allerdings der Tubby-Pudding meine Geschmacksnerven berührte, wollte mein Körper in den Sitzstreik gehen.
Man hat ja gewisse Vorstellungen davon, wie etwas schmeckt, bevor man es in den Mund nimmt. Man antizipiert ein gewisses Aroma. In meinem Fall hatte ich irgendwas Erdbeeriges und Joghurtartiges erwartet. Ein Hauch Erdbeere war auch tatsächlich zu spüren. Der geschmackliche und rezeptorische Gesamteindruck, der sich mir allerdings bot, ließ mich eher glauben, dass ich gerade an einer alten Raufasertapete in den halbverfallenen Ruinen der Beelitzer Heilstätten leckte.
Mein Körper gab mir jedenfalls unterschiedliche Signale. Zum einen war da der Impuls »Gib mir bloß irgendwas zu essen!« Und zum anderen die schrillen Alarmglocken im Kopf, die mir sagten, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem Fall für den Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag zu tun haben.
Ich entschloss mich, trotzdem alles aufzuessen.
Etwa eine halbe Stunde später, kam der nette Herr in Grün wieder vorbei und holte Tasse und Schale ab. »Na, hat nicht geschmeckt, wa?«, sagte er, während ich ihm mit zuckendem Auge nachschaute.
Irgendwann kam die Visite rein. Mehrere Ärzte standen um mein Bett herum und wollten meinen Bauch betrachten. Macht man auch nicht alle Tage. Irgendein Arzt, den ich vorher noch nie gesehen hatte, beschrieb meine Symptome und was man gemacht hatte und wandte sich dann an mich.
»Na, wie geht’s?«
»Ja, muss, ne?«, sagte ich, mein Hemdchen hochhaltend.
»Irgendwelche Schmerzen?«
»Nur, wenn ich mich bewege. Ansonsten ist eigentlich alles tuffig und super.«
»Na, da können wir ihnen ja noch etwas Schmerzmittel geben.«
»Schon gut, ich hab noch das aus der Nacht hier zu stehen, aber ich glaube, ich brauche das nicht.«
»Alles klar, na dann gute Besserung!«
»Könnten sie mir vielleicht sagen, wie lange ich im Krankenhaus bleiben muss?«
»Na, so zwei oder drei Tage werden es sein. Wenn alles gut läuft, sind sie eventuell Mittwoch schon wieder raus.«
»Und wann kriege ich wieder was Normales zu essen?«, fragte ich.
Der Arzt lachte nur und ging mit seiner ganzen Truppe wieder hinaus.
Ich hätte gerne ins Kissen gebissen, wenn das nicht so dünn gewesen wäre.
Fünf Minuten danach kam eine Schwester herein und wollte mir Schmerzmittel in die Hand drücken.
»Nee, ich hab noch aus der Nacht. Und ich glaube, ich brauche die nicht. Das hatte ich eigentlich auch dem Arzt gesagt.«
»Okay«, sagte die Schwester und ging wieder raus.

So etwa gegen 9 Uhr bekam ich dann einen Zimmernachbarn.
»Tach! Ich bin Thomas, 58 Jahre alt und habe Speiseröhrenkrebs.«
»Ebenfalls tach! Ich bin Sebastian, 46 Jahre alt und habe Blinddarm.«
»Ach, das macht ja der Pförtner.«
»Wenn der Pförtner ausgebildeter Chirurg ist, kann er das von mir aus machen.«
»Ich hatte jetzt Chemotherapie und Strahlenbehandlung. Das ist ganz schön scheiße.«
»Ach was?«
»Ich hab gar keine Haare mehr. Aber hier oben wächst schon wieder nach.«
»Was du nicht sagst.«
Innerhalb der nächsten Stunden hatte ich die gesamte Lebens- und Leidensgeschichte von Thomas erfahren. Ich wusste, dass seine Frau auch schwer erkrankt ist, ich wusste, dass in dem Krankenhaus, wo er vorher war, alles kaputtgespart wurde und wahrscheinlich Merkel daran Schuld hatte, ich wusste, wie oft er im Leben verheiratet war, wo seine Töchter lebten, wie das damals nach der Wende war, als die Treuhand alles kaputt gemacht hat und wie die generelle Arbeitssituation in seiner Firma ist. Er hatte lediglich vergessen, die Höhe seiner Miete oder die PIN seiner Kreditkarte zu erwähnen.
Kurz nach 11 Uhr kam dann meine Frau endlich mit ein paar Sachen für mich. Ich hatte ja im Grunde nur mich selbst mit ins Krankenhaus genommen. Sie war auch noch da, als mein Mittagessen kam, welches aus einem Tee und einer Schale rosa Pampe bestand, die ich bereits am Morgen erhalten hatte.
»Was ist das?«, fragte sie.
»Industrieschlamm«, erwiderte ich.
»Na, guten Appetit.«
Ich nahm einen Löffel voll in den Mund.
Meine Frau verzog das Gesicht, weil ich das Gesicht verzog. »Pelle?«, fragte sie.
Ich nickte.
»Nach was schmeckt das überhaupt?«
»Nach Schimmelpilzkulturen, an denen jemand mit einer Flasche Erdbeeraroma vorbeigelaufen ist.«
»Klingt ausnehmend lecker.«
Während meine Frau mir noch erzählte, wie Simon die Katze abends auf der Couch vergeblich nach mir gesucht hat, nur um sich dann auf meinem Platz zusammenzurollen, kam noch eine Schwester herein, die mir Schmerzmittel vorbeibringen wollte.
»Ich hab immer noch nicht die Pillen aus der Nacht genommen. Und ich glaube, ich brauche die auch nicht. Könnten sie das vielleicht irgendwie notieren, damit sie nicht unnötig die Tabletten verbrauchen?«, sagte ich.
»Alles klar«, sagte die Schwester.

Es wurde Nachmittag. Meine Frau war wieder weg und Thomas erzählte mir noch Details aus seinem Leben, die ich in der Form bisher von meinen besten Freunden nicht gehört hatte, noch jemals so ausführlich erzählt hätte. Ab und an musste er zu Untersuchungen oder ging rauchen, dann nutzte ich die Gelegenheit, um entweder zu lesen oder in der Mediathek die neue Staffel von »Warten auf’n Bus« zu schauen.
Dazu nutzte ich freilich das WLAN des Krankenhauses, welches mit 4 Euro am Tag nicht gerade billig war und dessen Erwerb auch unheimlich durchdacht war. Man konnte sich mit dem WLAN verbinden, um dann auf eine Anmeldeseite geschickt zu werden, wo man per Paypal zahlen konnte. Wenn man das allerdings versuchte, konnte man sich mit Paypal nicht verbinden, weil ja das Internet gesperrt war. Wer auch immer sich das System ausgedacht hatte: Bravo. Die Lösung für mich Frischoperierten war also: Aufstehen, über den Gang schlurfen, vier Stockwerke nach unten fahren, dort an einen Automaten gehen, das Internet für die kommenden Tage in bar bezahlen, denn natürlich nimmt die Maschine keine Karte, dann wieder nach oben fahren, über den Gang schlurfen und unter Stöhnen ins Bett fallen. Aber immerhin ging das Internet.
Am Nachmittag gelang es mir, auch mal kurz die Augen zuzumachen, immerhin hatte ich in der Nacht davor nur mit Unterbrechungen schlafen können. Erschwert wurde das nur dadurch, dass zwischenzeitlich irgendwelche Tropfe bei mir angeschlossen werden mussten und ich Schmerzmittel erhielt, die ich erneut dankend ablehnte.
Es wurde Abend und somit auch Zeit für das Abendbrot. Vielleicht würde ich ja ein paar Stullen erhalten, die mir am Morgen versprochen wurden. Aber eine Dame im grünen Kittel kam herein und stellte mir ein Schälchen mit rosa Pampe vor die Nase.
»Ist es das, was ich denke, was es ist?«, fragte ich.
»Was denken sie denn, was es ist?«
»Ein Kriegsverbrechen.«
»Das ist Erdbeerpudding.«
»Haben sie das mal probiert.«
»Ich weiß, es schmeckt nicht sonderlich.«
»Das ist eine Untertreibung. Geschmacklich ist es das Äquivalent zu einem schwarzen Loch. Es ist die komplette Antithese von Geschmack. Haben sie vielleicht irgendwas anderes, was sie mir geben könnten?«
»Nein, tut mir leid.«
»Dann … würde ich lieber gar nichts essen.«
»Wenn sie meinen.«
»Meine Empfehlung an den Chef. Es so hinzubekommen, dass die Geschmacksknospen die weiße Fahne schwenken, ist bestimmt nicht leicht.«
Vermutlich hatte ich mir gerade keine Freunde in der Küche gemacht, aber ich hatte das Gefühl, dass alternativ auch an der Bettdecke lutschen konnte, und in etwa denselben Effekt erzielen konnte. Hunger hätte ich ohnehin gehabt. So gehaltvoll war der Tubby-Pudding nicht, als dass ich wirklich satt geworden wäre.
Zumindest hatte ich Gelegenheit, Thomas beim Essen zuzuschauen. Ich gönnte ihm allerdings auch jeden Bissen, denn er würde am Mittwoch operiert werden und dann vermutlich für den Rest seines Lebens nicht mehr ordentlich essen können.

Die Nacht brach an. Mein Magen revoltierte. Abgesehen von zwei Portionen rosa Pampe hatte ich seit zwei Tagen nichts gegessen. Meine Hoffnung war, dass ich bald einschlafen würde und einfach den Hunger wegschlafen könnte. Denn Morgen würde ich ja bestimmt wieder normales Essen bekommen … oder? ODER?
Ich hatte gerade eine Position gefunden, die das Schlafen halbwegs möglich machen konnte, und die Geräuschkulisse des Krankenhauses irgendwie ausgeblendet, als die Tür aufgerissen wurde.
»Hallo Herr Niedlich. Ich will nur noch mal einen Tropf anschließen.«
Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach zwölf in der Nacht. »Warum muss das eigentlich mitten in der Nacht gemacht werden?«
Die Krankenschwester zuckte mit den Schultern. »Sie sollen das dreimal täglich bekommen und der Takt ist so vorgegeben.«
»Aber könnte man das nicht auch schon um 22 Uhr oder so machen, dann müsste man nicht noch um zwölf …«
Die Krankenschwester zuckte erneut mit den Schultern.
»Ja, jut, wäre das auch geklärt«, sagte ich.

An dieser Stelle kürze ich etwas ab, was in dieser Nacht passiert ist:

  • Ich ging irgendwann noch einmal raus, um mir den Tropf abnehmen zu lassen. Ein etwa zwei Meter großer Kerl mit einem Körperbau, der Superman neidisch machen würde, kam lediglich in Unterhose bekleidet auf den Flur stolziert, um zu erklären, dass sein Blasenkatheter undicht ist und er gerade von seinem Bett durch die halbe Station eine Spur hinterlassen hatte.
  • Mein Zugang wurde entfernt, weil der irgendwie nicht mehr gut war.
  • Mein Zimmernachbar stand mitten in der Nacht auf, um Pinkeln zu gehen, weswegen ich natürlich wieder hochschreckte.
  • Ein Auto fuhr in der Nähe herum und war offensichtlich der Meinung, dass man mitten in der Nacht ein Krankenhaus mit 90er Jahre Gangsta-Rap beschallen müsste.
  • Mir wurden Schmerzmittel angeboten, obwohl ich die schon mehrmals abgelehnt hatte.

Zusammengefasst: Ich schlief relativ wenig in der Nacht und gegen sechs Uhr morgens ging es mit dem Unterhaltungsprogramm im Krankenhaus weiter.

Die Schwester mit dem Frühstück kam vor der Visite. Statt der der rosa Pampe, bekam ich gelbe Pampe.
»Guten Appetit!«
»Das meinen sie nicht wirklich so, oder? Kann ich vermuten, dass das im Grunde die rosa Pampe ist, die jetzt nur eine andere Farbe hat?«
»Schon.«
»Hmmh.«
»Schmeckt nicht?«
»Wie stehen Sie geschmacklich zu Rollrasen?«
»Ich kann ihnen etwas Zucker reinmachen.«
»Das wäre … immerhin etwas«, sagte ich. »Vielen Dank.«
Sie ging heraus und kam noch einmal herein, um mir eine Menge Zucker in die Pampe zu schütten, der vermutlich meine Hausärztin Schweißperlen auf die Stirn getrieben hätte.
Ich rührte den Zucker ordentlich unter und nahm einen Bissen. Es schmeckte immer noch so, als hätte ich vom Fußabtreter genascht. Nur süßer.
Kurz darauf kam die Visite. Diesmal führte eine Ärztin den Pulk an.
»Na, wie geht’s uns denn?«
»Wie es Ihnen geht, weiß ich nicht. Ich fühle mich eigentlich prima, nur drückt es natürlich, wenn ich mich bewege.«
»Brauchen Sie Schmerzmittel.«
»Nein, eigentlich nicht. So schlimm ist es nicht. Was ich bräuchte, wäre was zu essen. Ich kriege nur das da.« Ich zeigte auf die gelbe Pampe.
»Warum kriegen Sie das denn?«
»Ich dachte, das wäre so verordnet?«
»Nee, sie können doch normal essen.«
Ich wusste einen Moment lang nicht, ob ich Aushulken und eine Kleinstadt in Schutt und Asche legen oder die Ärztin küssen sollte. »Könnten Sie der Essensschwester dann vielleicht sagen, dass ich gerne irgendwas anderes hätte?«
»Ja, machen wir.«
Vielleicht habe ich in diesem Moment eine Becker-Faust gemacht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall kam ein paar Minuten später die Schwester, die sich um die Essensverteilung kümmerte, wieder herein und brachte mir zwei Brötchen mit Butter und Wurst. Als ich den ersten Bissen nahm, meinte ich, dass irgendwo ein Chor »Halleluja« aus dem »Messias« von Händel sang.
Ich hatte seit zweieinhalb Tagen nichts oder fast nichts gegessen und hatte den Eindruck, dass Brötchen die tollste Sache auf der Welt sind. Eigentlich keine Zeitspanne, die irgendwie der Rede wert wäre. Ich fragte mich, was Leute, die wirklich und über viel längeren Zeitraum hungerten, wohl dazu sagen würden. »Idiot«, vermutlich.
Viel Zeit mit diesen Gedanken hatte ich nicht. Eine Schwester unterbrach mich, als sie hereinkam und mir Schmerzmittel in die Hand drücken wollte.

Ein weiterer Tag im Krankenhaus verging. Der Rest von »Warten auf’n Bus« wurde geschaut, Mittag gegessen und beim Abendbrot frohlockt, weil eine Tomate auf dem Teller lag. Ich schrieb meiner Frau, dass sie unbedingt noch einkaufen gehen müsste, damit wir Tomaten im Haus haben, wenn ich zurückkomme. Sie schrieb zwar eine nette Antwort, aber im Subtext meinte ich »Hast du sie eigentlich noch alle?« herauslesen zu können.
Da man mir in der Nacht zuvor den Zugang entfernt hatte, musste natürlich ein neuer gelegt werden. Die Antibiotika, die man mir per Tropf zuführte, wollten ja irgendwie in den Körper. Dummerweise schien mein Körper, der schon fünf oder sechs Stellen hatte, an denen man man mir Nadeln hineingeschoben hatte, zu sagen: »Ey, also unterstützen tue ich das nicht mehr.«
Die Ärztin, die mir einen Zugang legen wollte, hatte also arge Probleme, ein Blutgefäß zu finden, weswegen sie gleich weitere drei Male zustechen musste und ich an den Armen langsam aussah, wie ein Junkie, der im Bahnhofsklo vor sich hinsabbert. Das Krankenhauspersonal schien auch diese Karriere für mich vorzusehen, denn ich wurde weitere drei Male gefragt, ob ich denn nicht Schmerzmittel haben möchte.
In der Nacht war ich mittlerweile vorbereitet. Ich wusste, dass gegen zwölf in der Nacht noch einmal eine Krankenschwester käme, um mir ein paar Tropfe anzuhängen. Vorsichtshalber sagte ich auch noch einmal, dass ich kein Schmerzmittel brauchte, weswegen ich erst am nächsten Morgen erneut Schmerzmittel hingestellt bekam.
Bei der Morgenvisite konnte ich endlich fragen, ob ich denn entlassen werden könnte, und tatsächlich sprach wohl nichts dagegen. Es mussten nur noch ein paar Zettel ausgefüllt werden, oder so. Gegen Mittag konnte ich dann tatsächlich gehen, während mein Zimmernachbar zu seiner Speiseröhren-OP gefahren wurde.
Angezogen stand ich endlich vor dem Schwesternzimmer, um die Papiere abzuholen. Man drückte mir die Zettel in die Hand, die ich als Nachweis brauchen würde, und eine lange Plastikpackung.
»Ist das, was ich denke, was es ist?«
»Das ist Schmerzmittel, falls sie welches brauchen.«
Ich wischte mir mit der Hand über die Stirn, atmete tief durch und wünschte allen einen schönen Tag.

Drucker (Teil 2 – 2021)

Immer wieder stehe ich ja auf Kriegsfuß mit Druckern. Das geht eigentlich schon, so lange ich denken kann. Sei es damals mit den ersten Nadeldruckern, die Geräusche machten, als würde neben einem ein Kettensägermörder stehen, über Laserdrucker, deren Toner spontan explodierten, bis zu meinem Tintenstrahldrucker, der mich seit ein paar Jahren begleitet und immer wieder dafür sorgt, dass ich mir meine wenigen Brusthaare einzeln ausreiße. (Die Kopfhaare reiße ich nicht aus, ich will ja die Geheimratsecken nicht noch größer werden lassen.)
Vor ein paar Tagen hat mich meine Frau gebeten, eine Rechnung auszudrucken. Muss sie irgendwo einreichen. Irgendwo, wo man anscheinend von modernen Kommunikationsmitteln noch nie was gehört hat. Ich stelle mir dann ja immer Büros vor, in denen irgendwelche Leute in Hemd samt Strickweste sitzen und darüber reden, wie aufregend es doch war, als die mal vor fünfzehn Jahren eine Feueralarmübung hatten. Aber egal …
Meine Frau brauchte also eine ausgedruckte Rechnung. Und weil ich so ein lieber Ehemann bin, habe ich das gleich zwei Tage lang vergessen und dann aber doch noch dran gedacht, als meine Frau mich irgendwie komisch ansah. Ich schaltete also den Drucker an, der erstmal zehn Minuten Geräusche machte, als wäre er ein Rentner mit Diarrhö, der vor einer geschlossenen Toilettentür steht.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat willst du?«, dachte ich und schaute auf das Display.
»Photo Black ist alle.«
»Wat zum Teufel brauchst du Photo Black. Druck den Quatsch einfach so. Schwarz ist noch halbvoll.«
Ich weiß, dass das geht, ich habe nämlich vor einer Woche selbst etwas ausdrucken müssen, wo ich dem Drucker sagen konnte: »Bursche, drucke den Mist einfach mit dem anderen Schwarz! Warum brauchst du überhaupt zwei unterschiedliche schwarze Patronen? Und wenn du schon eine Patrone benutzt, die sich Photo Black nennt, warum wird die dann für Dokumente genutzt und nicht nur für den Ausdruck von Fotos?«
Überraschenderweise antwortete der Drucker nicht.
Jedenfalls drückte ich munter auf irgendwelchen Tasten herum, bis der Drucker meinte: »Ja, wat auch immer.«
Also rief ich die PDF mit der Rechnung auf, drückte auf das Druckersymbol, sagte »Schwarz-Weiß drucken« und klickte auf OK.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat?«
»Photo Black ist alle. Wurscht. Mach einfach.«
»Is nich, weil Photo Black ist alle.«
»Interessiert mich nicht. Mach.«
»Photo Black ist alle.«
»Meine Fresse.«
»Patrone ersetzen oder Druck abbrechen.«
»Warum gibt’s hier keine Taste, die ‚Weder noch‘ heißt?«
»Photo Black ist alle.«
»Ja doch!«
Ab diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass der Drucker einfach plante, einen Streit zwischen meiner Frau und mir vom Zaun brechen zu wollen. Aber ich dachte nur »Haha! Kannste vergessen!«
Ich hatte nämlich schon vor zwei Jahren vakuumverpackte Ersatztintenpatronen gekauft, denn die werden ja bekanntlich besser, je länger sie liegen. So wie Käse. Oder so.
»Dann tausche ich jetzt verdammt noch mal das blöde Photo Black aus.«
Also, Vakuumverpackung aufgeschnitten, Tintenpatrone raus, Klappe des Druckers hoch, alte Patrone raus, oranges Abdeckungsdingelchen von neuer Patrone ab, oranges Abdeckungsdingelchen auf alte Patrone rauf, neue Patrone rein, Klappe zu, triumphierend »Ich habe die Zauberkraft!« geschrien.
Drucker ratterte.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat?«
»Gelb ist alle.«
»WAT?«
»Gelb ist alle. Austauschen?«
»Ich will nur in schwarz-weiß drucken.«
»Mir doch egal.«
Ich weiß, dass Diskussionen mit dem Drucker da nichts bringen. Alles schon durch. Der Drucker verzog keine Miene. Ich kramte eine neue Gelb-Patrone hervor.
»TA-DA! Mich überraschst du nicht noch mal. Ich hab alles da!«
»Gelb ist alle.«
»Ja doch!«
Also, Vakuumverpackung aufgeschnitten, Tintenpatrone raus, Klappe des Druckers hoch, alte Patrone raus, oranges Abdeckungsdingelchen von neuer Patrone ab, oranges Abdeckungsdingelchen auf alte Patrone rauf, neue Patrone rein, Klappe zu, nicht ganz so triumphierend »Zauberkraft!« gerufen.
Drucker ratterte.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat? Wat denn jetzt?«
»Magenta ist alle.«
»WAT ZUM TEUFEL DU BLÖDES KACKBRATZENPILLEMANNSAUSACKARSCHLOCH? Hättest du das nicht gleich sagen können.«
»Magenta ist alle.«
»Ja doch!«
Ein Seitenblick auf den Monitor des Computers zeigte mir die Füllstände des Druckers an. Schwarz immer noch halbvoll. Photo Black voll. Gelb auch. Cyan … dümpelt irgendwo am Ende rum. Ich ahnte Schlimmes.
Also, Vakuumverpackung aufgeschnitten, Tintenpatrone raus, Klappe des Druckers hoch, alte Patrone raus, oranges Abdeckungsdingelchen von neuer Patrone ab, oranges Abdeckungsdingelchen auf alte Patrone rauf, dabei aus Versehen auf die Düse der alten Patrone gekommen, alle Finger voll mit Magenta, in einer Menge, mit der man vermutlich noch bis zum Jahr 3086 hätte drucken können, neue Patrone rein, Klappe zu, leise »Yay!« gesagt…
Drucker ratterte.
»Wehe, du machst Piep. Ich hau dich mit einem Foto-Stativ, dass definitiv kein Photo Black braucht.«
Aber der Drucker fragte mich einfach nur, ob ich jetzt drucken wollte.
»Wat, kein ‚Jetzt hätte ich gerne noch Cyan, Taupe, Mauve‘ oder irgendeine andere Farbe, von der man sich fragt, was zum Teufel es eigentlich ist?«
Ich drückte auf »Drucken«.
Der Drucker ratterte und knarzte und gab ein paar andere Töne von sich, aber zwischendurch konnte ich hören, wie das Papier eingezogen wurde. Immerhin meckerte der Drucker darüber mal nicht.
PIEP PIEP PIEP!
»Wat denn jetzt?«
»Papierstau.«

Und das war die Geschichte, wie ein Drucker auf einer der Hauptverkehrsstraßen von Potsdam für eine Massenkarambolage sorgte, als er urplötzlich vom Himmel fiel.

Drucker (Teil 1 – 2017)

Gestern hatte ich mal wieder einen dieser Momente, in denen ich am liebsten ausgehulkt wäre.
Neben mir auf dem Schreibtisch steht ein netter Epson XP-830 Drucker. Letzte Woche habe ich mit dem gedruckt. Schwarz/Weiß, so wie meistens. Der Drucker beschwerte sich, dass ich eine neue schwarze(!) Tintenpatrone bräuchte. Jut, hab ich bestellt.
Gestern kam die Patrone an. Keinen Tag zu spät, denn ich wollte eigentlich dringend etwas drucken, um es an ein Amt zu schicken. Also Drucker auf, Patrone rein. »Supi«, denke ich. »Müsste ja jetzt gehen.«
‚N SCHEISS!
(Ich entschuldige mich hiermit in aller Form für den Gebrauch des Kraftausdrucks, aber ich wollte so realistisch wie möglich darlegen, was in meinem Kopf vor sich ging.)
Nun beschwerte sich der Drucker, dass die Farbpatronen Cyan/Magenta/Gelb alle waren. Komischerweise hat er letzte Woche darüber nicht gemeckert.
»Worscht!«, dachte ich. »Ich will ja nur was in schwarz drucken. Und beide schwarzen Tintenpatronen sind ja voll.«
Nun sind Drucker ja sprachlich eher unbegabt. Meiner kommuniziert mit mir eher nonverbal. Gesichtsausdruck hat er auch keinen. Trotzdem hatte ich den Eindruck, er würde mir die Zunge rausstrecken und sich pathetisch eine Hand vor die Stirn halten.
Weil die Farbpatronen alle waren, weigerte sich der Drucker in schwarz zu drucken.
Ich so: »Herrgottwasfüreinscheißfrüherwarallesbesser!«
Im Internet recherchiert. Alle Seiten die ich fand kamen ungefähr zu demselben Schluß: »Tja, hm, pfft.«
Epson-Seite aufgemacht. Keine Info bei den FAQ zum Drucker gefunden. Chat mit ‚nem Servicemitarbeiter aufgemacht.
»Tach. Drucker will nicht, weil Farbpatronen alle, aber ich will nur in schwarz etwas ausdrucken und die sind voll. Kann ich das irgendwie umgehen? Danke.«
Zwei Minuten vergehen.
»Hallo!«, sagte die Chatmitarbeiterin.
»Hallo. Ja, Frage s.o.«
Zwei Minuten später folgt eine offensichtlich per Copy + Paste eingefügte Mauer von Text, die mir sagt: »Alter, ist nicht.«
»Aber die schwarzen Patronen sind voll. Ich will einfach was in schwarz drucken und nicht zwei Tage darauf warten, dass die neuen Patronen ankommen. Ich will JETZT etwas drucken.«
»Der Epson XP-830 braucht die Farbpatronen, denn das schwarz wird daraus gemischt.«
»Der Drucker hat drei Farbpatronen und zwei verschiedene Schwarzpatronen, für normalen Druck und Photodruck. Warum wird da das schwarz gemischt?«
Zwei Minuten später. »Sie müssen die Farbpatronen austauschen.«
»Ja, jut, aber kann ich will ja momentan nicht in Farbe drucken. Kann man das nicht umgehen?«
»Der Drucker mischt die Farben.«
»Warum mischt der die Farben, wenn er extra nicht nur eine sondern ZWEI schwarze Patronen drin hat, die bei mir auch noch voll sind?«
»Sie können versuchen auf Graudruck zu gehen.«
»Hab ich schon. Der meckert immer noch über die fehlenden Farbpatronen und bietet mir nur an die auszutauschen oder den Druck abzubrechen.«
»Dann reicht die Farbe in den Farbpatronen nicht mal mehr dafür aus.«
Ich schieb dir das Cyan ins Magenta bis du gelb wirst, dachte ich.
»Ich brauche die doch gar nicht! Ich will in schwarz ausdrucken. Und außerdem: Warum hat er nicht schon vorher gemeckert, dass er neue Farbpatronen braucht?«
»Sie müssen die Farbpatronen auswechseln.«
Zu diesem Zeitpunkt, hatte sich mein Gebiss irgendwie in der Tischkante verfangen und das Fenster zur Straße schien mir zuzuflüstern: »Schmeiß den Drucker hier durch.«
Ich teilte der Mitarbeiterin mit, dass es ja offenbar nichts bringt und schloss das Browserfenster. Dann schaute ich, was neue Druckerpatronen kosten, und kam zu dem Schluß, dass ich dafür entweder das nächste halbe Jahr den Mädels am Ortsausgang Groß-Glienicke Konkurrenz machen, zwei Nieren und eine Leber spenden oder so um die 200 Medikamententests über mich ergehen lassen müsste. Oder mir für 90 Euro einen neuen Drucker kaufen könnte, der nur noch schwarz druckt.
Dann war ich heute im Tintennachfüllladen™ und hab stattdessen 50 Euro für original nachgemachte Patronen bezahlt. Beim Einbauen hab ich mich dann noch mit Farbe vollgekleckert, sodass meine Hand so aussieht, als würde ich irgendwelche Wall Street Broker über Huey Lewis vollquatschen und anschließend mit der Axt das Gespräch beenden.
Und der Drucker sieht immer noch so aus, als würde er mir die Zunge rausstrecken.