Sebastian Niedlich

Mariä Himmelfahrt

Heute ist der 15. August und an diesem Tag feiern mehrere christliche Konfessionen »Mariä Aufnahme in den Himmel«, auch »Mariä Himmelfahrt« oder in den Ostkirchen auch »Hochfest des Entschlafens der allheiligen Gottesgebärerin« genannt, weil das besser über die Zunge geht. Mancherorts ist das sogar ein Feiertag, damit man genug Zeit hat, sich im Gedenken an sie ordentlich einen anzulöten.

Nun kann man sich fragen: Was genau soll denn Mariä Himmelfahrt sein und warum zum Teufel schreibt man die mit »ä«?

Beantworten wir mal den zweiten Teil zuerst: Im Lateinischen spricht man von der Jungfrau Maria als »Mariae virginis«. Irgendwer, der das übersetzen sollte, meinte dann wohl, dass man das »e« nicht unterschlagen sollte und weil »ae« im Deutschen eben »ä« ergibt, sagt man noch heute »Mariä«. Natürlich hätte damals jemand dem Übersetzer auch eine über die Rübe ziehen können, damit der seinen Job richtig macht, aber Gläubige sind ja friedfertig – zumindest wenn sie nicht gerade mit Andersgläubigen zu tun haben – weswegen das vielleicht keiner wollte.

Ansonsten ist der Name bei »Mariä Himmelfahrt« schon Programm: Sie soll an dem Tag in den Himmel aufgefahren sein. Mit Leib und Seele. Sagte zumindest mal Bischof Kyrill von Alexandrien im frühen fünften Jahrhundert, also vierhundert und ein paar zerquetschte Jahre nach dem Tod von Jesus und vermutlich seiner Mutter, weil man das da noch so gut im Gedächtnis hatte.
Kyrill war maßgeblich daran beteiligt, dass man Maria als »Gottesmutter« sah. Das hatte er durch Bestechung und Gewalt erreicht, denn … so macht man das halt als guter Christ. Und weil er das schon mal erreicht hatte, meinte er auch gleich noch: »Irgendwie müssen wir die doch auch feiern, meint ihr nicht?«
Und alle sagten: »Also wenn wir damit wieder eine Gelegenheit für Sauf- und Fressgelage kriegen… klar! Was genau wollen wir denn feiern? Ihren Geburtstag?«
»Weiß doch kein Schwein, wann das war.«
»Wann sie gestorben ist, weiß doch auch keiner.«
»Stimmt. Aber bei Gedenken hat man halt in erster Linie den Tod im Kopf, oder?«
Alle nickten.
»Aber wann wollen wir das denn machen? Ist ja nicht so, als ob da in der Bibel irgendwas konkretes steht. «
Daraufhin sagte Kyrill: »Am 15. August ist doch so ein römisches Fest, Feriae Augusti. Da die Römer ohnehin auf dem absteigenden Ast sind, können wir das doch übernehmen und die Leute wissen schon mal, das an dem Datum gefeiert wird.«
Und alle so: »Mensch, tolle Idee, du.«
Also im Grunde nahm man einen römischen Feiertag, an welchem dem Sieg von Augustus über Marcus Antonius und Kleopatra gedacht wurde, zu einem christlichen Feiertag, weil da die Mutter Gottes vielleicht-aber-eigentlich-nicht gestorben war. Oder zum Himmel auffuhr. Wichtiger Unterschied. Für manche.

Über die Jahrhunderte hinweg hat man das immer ordentlich gefeiert, dennoch war es für manche ein Problem, dass die Aufnahme von Maria in den Himmel in der Bibel bestenfalls als »schwammig bis nicht vorhanden« beschrieben werden konnte.
Glücklicherweise gibt es in der Kirchenlehre etwas, dass sich »Dogma« nennt. Ein Dogma ist eine feststehende Definition oder eine grundlegende Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich gilt. Und da 1870 der damalige Papst mal gesagt hatte, dass er und alle anderen Päpste in Kirchenfragen alles besser wissen und deswegen gefälligst alle anderen die Fresse zu halten haben, konnte Papst Pius XII. am 01. November 1950 sagen: »Leute, Maria wurde in den Himmel aufgenommen. Und weil ich das sage, is dat so!«
Papst Pius XII. war übrigens auch der Papst, der sich im Zweiten Weltkrieg eher beiläufig bis gar nicht zu den Verbrechen der Nazis äußerte. Also ein ganz patenter Typ.

Um das Ganze etwas zusammenzufassen:
Heute ist ein Feiertag, der auf einem umfunktionierten römischen Fest basiert, dessen Grundlage zumindest nicht an diesem Tag oder überhaupt stattfand, sanktioniert von einem Typen, der sich fragwürdig zur Nazizeit verhalten hat.

Da wünschen wir doch allen viel Spaß!

Geschichten zum Tag: 04.07. – Der amerikanische Unabhängigkeitstag

Jedes Jahr Anfang Juli fängt der durchschnittliche US-Amerikaner an, besonders stolz auf sein Land zu sein. Nicht, dass er es nicht auch sonst wäre, aber da nimmt das Ganze noch ganz andere Dimensionen an. Immerhin ist da doch vor Jahren was passiert! Aber was genau? John oder Joan Normalamerikaner hat da mitunter die wildesten Theorien!
»Da kam Jesus auf die Erde und Amerika gegründet!« – falsch, John, aber es geht halbwegs in die richtige Richtung. Diese ganze Gott-Sache, solltest du vielleicht weglassen.

Also, was ist am 04. Juli 1776 passiert? Und dazu vielleicht etwas Vorgeschichte?

1492 war ein gewisser Italiener namens Kolumbus im Auftrag von Spanien in Richtung Westen gesegelt. Da hat er dann Land entdeckt, das für Indien gehalten und die Einwohner der Inseln, die er da getroffen hatte, einfach mal als »Indianer« bezeichnet. Weil das ja »Indien« war.
Und die amerikanischen Ureinwohner sagten: »Wat?«

Ein paar Jahre später erforschte ein anderer Italiener die Küste der »Indianischen Inseln«, wie man zunächst dachte. Der sagte dann irgendwann: »Leute, dit is nich Indien. Dit is’n neuer Kontinent.«
Und der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller sagte daraufhin: »Mensch, dit hat der ja super erkannt. Ick zeichne den ganzen Rotz jetzt mal auf und dann nenne ich den Kontinent nach dem Typen, der entdeckt hat, dass dit’n Kontinent is. Also Vespucci.«
Und die amerikanischen Ureinwohner sagten: »Wat?«
Und Waldseemüller sagte: »Ja, jut, geht nicht so ins Ohr. Vielleicht lieber den Vornamen von dem Typen. Amerigo. Nee, wartet mal … wir nennen dit Ganze Amerika.«
Und die amerikanischen Ureinwohner sagten: »Wat?«

Danach dauerte es dann nicht lange, bis einige Länder, vor allem die mit großen Seestreitkräften, nach Amerika fuhren und hier und da sagten: »Dit gehört jetzt allet uns!«
Und die amerikanischen Ureinwohner sagten: »Wat?«

An der Ostküste des Nordteils des neuen Kontinents machten sich dann vor allem die Briten breit und gründeten mehrere Kolonien. Und weil Briten damals ja besonders bekannt dafür waren, supertolerant gegenüber den Ureinwohnern der Länder zu sein, in die sie einfielen, gab es schon relativ bald Stress mit denen. Um die britischen Siedler zu schützen, schiffte man also lauter Soldaten über den Atlantik, die natürlich alle ausgerüstet und versorgt werden mussten. Was nicht unbedingt billig war.
Noch mehr Soldaten mussten dann rübergeschafft werden, als sich mal wieder die Franzosen und die Briten gegenseitig die Köpfe einschlugen. Das taten sie nämlich mitten in Europa, im Siebenjährigen Krieg, als auch in Nordamerika, wo man sich darum stritt, wer jetzt wo den Ureinwohnern Land wegnehmen durfte.
Wenig überraschend sagten die amerikanischen Ureinwohner dazu: »Wat?«
Allerdings kämpften sie auch auf der einen oder anderen Seite mit, trugen also ihren Teil zu dem ganzen Mist bei.
Irgendwann war dann auch mal genug mit dem Krieg. Die Franzosen ließen die Briten an der Ostküste machen und verzogen sich hinter den Mississippi, wo sie dann eigentlich auch keine Ahnung hatten, was sie da sollten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Der wichtige Punkt war eigentlich, dass die ganze Kriegsführerei die britische Staatskasse arg strapaziert hatte. In Großbritannien selbst war es aber schwierig, mehr Geld aufzutreiben. Stattdessen schaute man nach Amerika, wo die Siedler erheblich weniger Abgaben hatten als die Leute, die in der Heimat geblieben waren. Im Grunde hatte man damals gesagt: »Passt uff, ihr geht nach Amerika, siedelt vor euch hin und zahlt praktisch keine Steuern, dafür müsst ihr halt gegebenenfalls damit rechnen, den Schädel von irgendwelchen Ureinwohnern gespalten zu kriegen.«
Und es gab genug Leute, die das okay fanden.
Aber es gab ja auch genug Leute, die das nicht nur okay fanden, sondern meinten: »Ey, scheiß auf die Einigungen mit den Ureinwohnern, ich will jetzt das Land von denen haben, denn das ist viel cooler als das andere Land und überhaupt!«
Also gab es wieder Stress mit den Ureinwohnern, mehr Soldaten mussten geschickt werden etc. pp.

Das britische Parlament sagte also irgendwann: »Wenn die blöden Siedler da nich mit die Indianers klarkommen, dann sollen se halt wenigstens Geld für den Unterhalt von den Truppen beisteuern.«
Man erließ verschiedene Steuern, die immer noch weit unter dem lagen, was die Briten in der Heimat zu zahlen hatten.
Dennoch sagten die Kolonisten: »Leute, jetzt hackt’s!«
»Wat habta denn?«, fragte das Parlament.
»Wenn wa schon besteuert werden, wollen wir wenigstens auch im Parlament vertreten sein!«
»Pfft, ihr könnt doch wählen, wenn ihr wollt.«
»Ey, schon mal gemerkt, dass unsere Wahlunterlagen alle viel zu spät ankommen, WEIL DA EIN VERDAMMTER OZEAN ZWISCHEN UNS LIEGT?«
»Ihr sagt das so, als wäre das unser Problem.«
»Alter!«

Danach gab es dann immer wieder mal Proteste, von denen zwei besonders hervorzuheben sind.
Am 5. März 1770 beschwerte sich in Boston ein Perückenmacherlehrling bei einer Wache, dass ein Offizier seine Friseurrechnung nicht bezahlt hatte. Nach über einer Stunde Gebrüll des Lehrlings, watschte ihm die Wache kräftig eine und meinte: »Sieh zu, dass du Land gewinnst.«
Daraufhin kehrte der Lehrling mit mehreren Kumpels zurück und brüllte die Leute von der Wache noch mehr an. Die Kolonisten warfen mit Schneebällen und beschimpften die Wachen, wobei vermutlich irgendwelche Sätze fielen, in denen Wörter wie »Treibe Unzucht mit dir selbst« und »deine Mutter« enthalten waren.
Die Menschenmenge schwoll an, ein Wort gab das andere, irgendwann haute jemand einen Typen von der Wache und dann fielen Schüsse. Fünf Leute starben, sechs wurden verletzt. Im anschließenden Prozess wurden die Wachen, die geschossen hatten, aber freigesprochen, weil durch eine Bedrohung der Soldaten durch die Menge ausgegangen werden musste.
Wenig überraschend sagten die Bostoner: »Wat?«

Am 16. Dezember 1773 hatten dann einige Bostoner genug, verkleideten sich als Ureinwohner, stürmten ein paar Schiffe der East India Company und warfen dann über 300 Kisten mit Tee ins Wasser.
Und mit »verkleiden« meine ich, dass sich die Leute z.T. eine Feder an den Hut steckten und sagten: »Guck ma, isch bin Indianer.«
Da ist niemand im Lendenschurz rumgerannt, weil es nämlich arschkalt war. Aber man wollte mit der »Verkleidung« wohl irgendwie symbolträchtig sein. So nach der Art »Wir werden von der Krone so schlecht behandelt wie die Ureinwohner von uns! Dit kann ja wohl nich sein, wa?«

Da es für Briten nichts Schlimmeres gibt, als wenn irgendwer am Tee rumpfuscht, war man in Großbritannien natürlich etwas ungehalten. Der König war sogar »not amused«. Manche mögen sogar behaupten, dass er »Wat?« gesagt habe.
Jedenfalls war man auf die Kolonien nicht mehr sehr gut zu sprechen und verabschiedete ein paar Gesetze, die als »Intolerable Acts« (Unerträgliche Gesetze) in die Geschichte eingingen.
So schloss man z.B. den Hafen von Boston für den Handel und sagte »Seht doch zu, wo ihr Zeuch herkriegt, Ihr *hier unflätiges Wort einsetzen*!«
Dann nahm man Massachusetts die Eigenverwaltung, stellte alles wieder unter die Verwaltung der Krone und sagte: »Versammeln is nich mehr!«
Außerdem beschloss man noch, dass irgendwelche britische Truppen zu Leuten nach Hause gehen konnten und sagten »Ey, ich wohne jetzt hier«, gewisse Landstriche ganz anderen Kolonien zugesprochen wurden – man konnte sich also nicht mehr so breitmachen, wie man wollte – und als Sahnestück obendrauf, dass Rechtsstreitigkeiten nicht mehr in den Kolonien verhandelt werden durften, sondern nur noch in der Heimat.
»Ey, aber wenn ich erst Monate über den Ozean fahren muss und dann die Verhandlung stattfindet, wer kümmert sich dann um mein Geschäft? Ich verliere ja meinen ganzen Lebensunterhalt!«
»Ist uns doch egal, Du Nulpe!«

Im Grunde zeigte also das britische Parlament und der König den Kolonisten den Stinkefinger … und umgekehrt. Die Kolonisten setzten sich dann irgendwann mal zusammen, um darüber zu beraten, wie man denn damit umgehen sollte. Das Ganze nannten sie den »Ersten Kontinentalkongress«, was schon ein halber Schritt in Richtung Regierungsbildung in den Kolonien war, obwohl die meisten Kolonisten zu dem Zeitpunkt nicht an Unabhängigkeit, sondern Gleichberechtigung interessiert waren. Auf dem Kongress beschloss man, dass man eine eigene Miliz – also praktisch eine Armee – gründen sollte, die ggf. den britischen Truppen auf die Finger haut, wenn da irgendwo was schief lief. Außerdem wollte man, wenn die »Intolerable Acts« nicht aufgehoben würden, britische Waren boykottieren und vor allem auch nichts mehr von den Kolonien nach Großbritannien liefern.
Und die Briten sagten: »Wat?«

Und dann gab es ein paar Gefechte zwischen Briten und Kolonisten, wobei die Kolonisten zunächst nicht sonderlich gut aussahen. Aber Frankreich schaute auf die Entwicklung und sagte: »Ha! Wenn wir damit den blöden Briten eins auswischen können, schicken wir euch Waffen und Kram.«
Und so wurde es bei den Gefechten dann wieder ausgeglichener.

Irgendwann setzten sich die Kolonisten dann noch einmal zusammen und nannten das »Zweiter Kontinentalkongress«. Alle Kolonien schickten ein paar Abgesandte, die diskutierten. Es war praktisch schon ein amerikanisches Parlament. Und weil mittlerweile niemand mehr so richtig gut auf die Briten zu sprechen war, überlegte man, ob man nicht die Unabhängigkeit anstreben sollte.
»Wat is? Unabhängigkeit?«
»Jau.«
»Ey, John Adams, du kannst doch gut mit Worten, setz‘ doch mal’n Wisch auf, wo wir dem König sagen, wo er sich sein Zepter hinstecken kann.«
»Nee, laß mich in Ruhe mit dem Scheiß. Soll Thomas Jefferson das doch schreiben.«
»Thomas?«
»Wat is?«
»Mach ma.«
»Ja, wat jetzt genau?«
»Na, schreib mal auf, dass die Briten doof sind, wir unser eigenes Ding durchziehen und wat die Leute in unserem Land so für Rechte haben sollten.«
»Ja, welche denn so zum Beispiel?«
»Na … alle.«
»Also so … Leben?«
»Ja, sicher.«
»Freiheit?«
»Selbstredend.«
»Alle Leute sind gleich?«
»Jau.«
»Wirklich alle?«
»Jau.«
»Wie jetzt? Auch Schwarze?«
»Nee, die natürlich nich.«
»Und Indianer?«
»Nee, auch nicht.«
»Soll ich das also irgendwie gesondert aufschreiben, dass alle gleich sind, außer …«
»Nee, das klingt ja auch blöd.«
»Ich will das nur geklärt wissen, denn ich hab ja Sklaven, und wenn die plötzlich gleich und vor allem frei wären …«
»Ja, nee, schon klar, aber wenn wir da jetzt noch einen Absatz einfügen, für wen das jetzt alles nicht gilt, was macht das dann für einen Eindruck? Da kümmern wir uns irgendwie später drum.«
»Es wäre halt blöd, wenn da irgendwer gerne mit der einen Sklavin rumschnackseln will und die dann plötzlich frei wäre und sagen könnte ‚Nee‘.«
»Wat?«
»Wat?«
»Das war jetzt merkwürdig spezifisch.«
»Okay, ich schreib einfach, das alle gleich sind, frei sein dürfen und das irgendwie das Volk über alles entscheiden soll, kein König oder so.«
»Jau, dat klingt doch jut.«

Thomas Jefferson schrieb also die Unabhängigkeitserklärung und ein paar andere schauten noch mal drüber und sagten »Jau, geht schon.«
Am 02. Juli 1776 stimmte man dann darüber ab. und sagte: »Jau, dann sind wir mal unabhängig, wa?«

Moment … am 02. Juli 1776? Wenn das da schon beschlossen wurde, warum wird dann der 04. Juli als Unabhängigkeitstag gefeiert?

Man hat am 02. Juli 1776 zwar abgestimmt, sagte dann aber zu Jefferson: »Ey, da müssen wir aber noch mal an den Text ran.«
»Leute, wir haben buchstäblich gerade darüber abgestimmt.«
»Ja, aber da fehlt halt ein Komma! Und hier ein Viertel von dem Text ist doch eigentlich überflüssig.«
»Alter, ich hab schon’n Krampf in der Hand!«
»Jetzt mach schon.«

Zwei Tage später, am 04. Juli, legte man dann das überarbeitete Dokument vor und der Präsident des Kontinentalkongresses, John Hancock, setzte seine Unterschrift drunter. Damit war dann das Dokument sozusagen rechtsgültig.
Im Anschluss fragten dann noch ein paar andere Delegierte, ob sie nicht auch darunter unterschreiben könnten.
John Hancock war erbost: »Leute, wichtig war doch, dass ich den Wisch als Vorsitzender unterzeichne. Ob ihr da noch unterschreibt oder nicht, ist doch vollkommen wurscht.«
»Ja, aber wir möchten doch so gerne.«
»Meine Fresse, ich dachte ich bin der einzige Unterzeichner. Deswegen habe ich da jetzt so groß unterschrieben.«
»Macht doch nüscht. Unterschreiben wir halt etwas kleiner.«
»Aber wie sieht dit dann aues?«
»Können wir da jetzt unterschreiben oder nicht?«
»Ach, macht doch wat ihr wollt. Ist ja ein freies Land, wa?«
Dann hat man vermutlich das ein oder andere alkoholische Getränk zu sich genommen, die Unabhängigkeitserklärung drucken lassen und dem König in Großbritannien auf den Tisch geknallt, der daraufhin sagte: »Wat?!«

Übrigens hatte die große Unterschrift von John Hancock später noch Folgen. In den USA gibt es eine Redewendung, die man benutzt, wenn man etwas unterschreibt: »Setz‘ mal deinen John Hancock drunter«. Quasi wie man bei uns seinen »Kaiser Wilhelm« druntersetzt.

Die Amerikaner feiern also heute ihren Unabhängigkeitstag, weil an dem Tag ein Typ einen Wisch unterschrieben hat, den man zwei Tage zuvor beschlossen hatte. Und lauter andere Typen, die auch unbedingt unterschreiben wollten, unterschrieben zum Teil erst viel später. Aber es war schön genug, damit man an dem Tag ordentlich die Vögel mit Feuerwerk erschrecken kann, ein halbes Rind auf den Grill schmeißen und sein halbautomatisches Gewehr in die Luft ballern kann. Immerhin haben ja in Amerika alle Rechte. Nur Ausländer vielleicht nicht. Oder Schwarze. Oder Frauen.
Aber man hat das Recht, strunzdoof zu sein. Ist doch auch was.

Geschichten zum Tag: 17.06. – Der Aufstand vom 17.Juni 1953

Die meisten Leute denken, wenn man sie auf den »Tag der deutschen Einheit« anspricht an den 03. Oktober. Und an die Tatsache, dass sie da nicht arbeiten müssen.
»Da war’sch hackedicht!«
Ja, danke, aber darum geht es nicht.
Der 03. Oktober liegt nahe, weil das nun einmal der Tag ist, an dem West- und Ostdeutschland wiedervereinigt wurden. Jahrelang war der »Tag der deutschen Einheit« aber eigentlich der 17. Juni. Allerdings nur im Westteil. Aus Gründen. Die ich jetzt näher ausführen will.

Nachdem Deutschland sich ein paar Jahre zuvor quasi als Riesenarschloch herausgestellt und mal eben den Großteil der Welt in einen Krieg verwickelte hatte, bekam es bis 1945 so viel auf die Mütze, dass man letztlich sagte »Ja, uff ey.«
Daraufhin schauten sich die Siegermächte an und sagten »Hm, wat machen wir denn jetzt mit denen? Allein lassen kann man die Leute in Deutschland ja offensichtlich nicht. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass die Scheiße bauen.«
Zur Erinnerung: Bei den Siegermächten handelte es sich um die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und aus irgendwelchen Gründen, die eigentlich keiner so richtig verstand, auch Frankreich. Vermutlich wollte man dem Land, welches mehr oder weniger von Anfang des Krieges bis 1944 von Deutschland besetzt war sagen »Okay, darfst du auch mal was sagen.« Oder man wollte die Leute, die Großbritannien und die USA im Krieg gegen Deutschland unterstützt haben, irgendwie belohnen. Weswegen man dann aber die Niederlande und Polen etc. rausgelassen hat … tja. Vielleicht haben die Franzosen besser gekocht. Was weiß ich.
Die Siegermächte, auch Alliierte genannt, teilten also Deutschland unter sich auf und bekamen Gebiete zugesprochen, in denen sie sagen konnten, wo der Hammer hängt, die sogenannten Besatzungszonen. Die Briten kümmerten sich grob gesagt um den Norden (also ungefähr das, was heute Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist), die USA um den Süden (Hessen, Bayern und Teile von dem, was heute Baden-Württemberg ist), Frankreich um den Westen (Rheinland-Pfalz, Saarland, Teile Baden-Württembergs) und die Sowjetunion um das, was mal die DDR werden sollte. Ein Sonderding fuhr man in Berlin, wo man die Stadt allein noch einmal in vier Besatzungszonen aufgeteilt hatte. Vermutlich weil man dachte, dass die Berliner die Schlimmsten von allen waren. Als Berliner würde ich das sogar unterschreiben.
Ursprünglich sollten die ganzen Zonen streng voneinander getrennt bleiben, allerdings stellte sich schnell heraus, dass die Idee vielleicht nicht ganz so toll war. Die Briten hatten mit Nordrhein-Westfalen das große Industriegebiet und die USA mit dem Süden Deutschlands den Großteil der Agrarwirtschaft und beide konnten irgendwie nicht unabhängig voneinander wirklich auskommen.
Also sagten die Briten und die USA: »Wat is’n, wenn wir aus den ganzen Zonen so einen vereinigten Wirtschaftsraum daraus machen, denn sonst ist ja auch irgendwie blöd, oder?«
Und Frankreich und die Sowjetunion sagten: »Habt ihr sie noch alle? Im Grunde wäre das ja dann wieder ein Deutschland. Haben wir ja gerade gesehen, was die zusammen dann so machen.«
Daraufhin sagten die Briten und die USA: »Egal, dann machen wir aus unseren beiden Zonen eben einen vereinigten Wirtschaftsraum mit Kapitalismus und allem Pipapo und so. Das Ganze nennen wir dann einfach Bizone.«
Die Bizone wurde dann Anfang 1947 offiziell, sehr zum Unmut vor allem der Sowjetunion, die in ihrer Besatzungszone mit Kapitalismus und dergleichen nicht viel am Hut hatte und alles eher nach dem eigenen Vorbild gestalten wollte. Generell konnten sich die Westmächte und die Sowjetunion nicht mehr so wirklich gut leiden, weswegen die Zusammenarbeit zunehmend schwierig wurde. Das lag natürlich überwiegend an Josef Stalin, der die Sowjetunion als totalitärer Diktator beherrschte und dabei wenig freundlich vorging. Die Westmächte, die eher nach dem Motto lebten »Vielleicht ist Demokratie gar nicht so schlecht und das Umbringen von irgendwelchen Völkern, besonders dem eigenen, keine so gute Idee«, hatten mit den Ansichten Stalins da so ihre Probleme.
Die Zusammenarbeit wurde so schwierig, dass irgendwann selbst Frankreich sagen musste: »Mon Dieu! Dann packen wir jetzt unsere Besatzungszone mit zur Bizone, dann wird daraus halt eine Trizone!«
Und weil es ja auch irgendwie doof war, dass das Geld in Deutschland praktisch keinen Wert hatte, führte man in der Trizone eine Währungsreform durch und geboren war die Deutsche Mark. Als die dann auch in West-Berlin eingeführt wurde, fanden das Stalin und die Sowjetunion blöd.
»Wat seid ihr doch für Spalter! Dafür blockieren wir jetzt Berlin!«, sagten die Sowjets.
Dann kam die Berlin-Blockade und die Westmächte belieferten West-Berlin aus der Luft mit Lebensmitteln und allem möglichen Kram, bis die Sowjetunion sagte: »Manno.«
Deutschland war also zu diesem Zeitpunkt nicht nur besatzungszonenmäßig, sondern auch wirtschaftlich gespalten. Letztendlich zeigten sich die Westalliierten und die Sowjetunion gegenseitig die Stinkefinger und so wurden 1949 zuerst die Bundesrepublik Deutschland und dann die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Die komplette Spaltung Deutschlands war vollzogen.

Soweit zum Vorgeplänkel. Die eigentliche Vorgeschichte zum 17. Juni 1953 begann allerdings etwa ein Jahr zuvor, im Jahr 1952.

Das mit der Spaltung von Deutschland war zwar blöd, ging aber bis dahin mehr oder weniger gut. Während es im Westen mit der Wirtschaft langsam bergauf ging, hatte man im Osten vor allem damit zu kämpfen, dass man alles nach Stalins Vorbild gestalten wollte. Im Grunde hatte man die Bilder von Hitler mit den Bildern von Stalin ausgetauscht und meinte »Hier, der Typ, der alle möglichen Leute umbringen lässt, ist viel cooler als der andere Typ, der früher alle möglichen Leute hat umbringen lassen.«

Etliche Leute in der DDR schauten sich an, wie es lief und sagten sich »Vielleicht gehe ich lieber in den Westen, zumindest kriege ich da was zu essen und ordentliche Kippen!«
Ende Mai 1952 machte aber die DDR die Grenze dicht. Zu den Leuten sagte man sinngemäß: »Wie wäre es denn, wenn ihr hierbleibt und gefälligst arbeitet! Und, äh, nicht von den Faschisten im Westen, äh, verführt werdet.«
Und die Leute sagten: »Grmpf.«

Die herrschende »Sozialistische Einheitspartei Deutschland«, kurz SED, unter Walter Ulbricht kam dann im Juli 1952 zur Parteikonferenz zusammen, wo man den »planmäßigen Aufbaus des Sozialismus« beschloss. So richtig hatte die Partei aber anscheinend keinen Plan, oder zumindest keinen guten, denn alles was beschlossen wurde, stieß im Grunde auf recht wenig Gegenliebe bei den Arbeitern und Bauern des Arbeiter- und Bauernstaats.
Zu den Dingen, die beschlossen wurden, gehörte u.a.

  • der Aufbau einer Armee, weil man sich vor den bösen, bösen Westmächten schützen musste, obwohl man früher meinte, dass kein Deutscher mehr eine Waffe tragen sollte
  • die Einführung eines Arbeitsdienstes für Jugendliche
  • eine Hetzkampagne gegen Christen und das Ausschließen von Christen in der höheren Bildung
  • eine Bodenreform, in welcher den Bauern praktisch gesagt wurde, dass sie alle doof sind und gefälligst in Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPGs) zusammenkommen sollten
  • mehr Steuern für Handwerker und Gewerbetreibende, denn warum zum Teufel sind die nicht für staatliche Betriebe tätig und überhaupt
  • die Ahndung von kleineren Vergehen mit Zuchthausstrafen, denn das hebt die Stimmung
  • die Förderung der bisher in Ostdeutschland praktisch nicht vorhandenen Schwerindustrie und die gleichzeitige Schwächung der Produktion von Konsumgütern

Der eigentlich größte Knaller war allerdings, dass man einfach mal so beschloss, die Normen in der Produktion zu erhöhen.
»Wat soll denn dit heißen?«
»Na, ihr sollt alle mehr arbeiten.«
»Kriegen wir dafür mehr Geld?«
»Nee, natürlich nicht.«
»Wie, natürlich nicht?!«
»Ey, wir wollen hier den Sozialismus aufbauen.«
»Ihr wollt also weniger Konsumgüter herstellen, so dass wa nüscht mehr wirklich einkaufen können und ick soll mehr arbeiten und dafür weniger Geld kriegen?«
»Höre ich da etwa Kritik an der Partei? Die Partei hat immer Recht.«
»Ach?«
»Wir können die Diskussion auch im Zuchthaus fortsetzen.«
»Nee, lass ma.«

Man hatte also das Land dichtgemacht, für alle das Arbeitsleben verschlimmbessert, kriegte die Versorgung nicht auf die Reihe und sah irgendwie nicht ein, dass die ganze Idee von der Planwirtschaft vielleicht nicht die beste war.
»Wenn wir sagen, dass ein Feld soundsoviel Ertrag erwirtschaftet, dann ist das gefällgst so!«
»Leute, so funktioniert die Natur aber nicht!«
»Komm mal mit, wir haben hier eine nette Zelle für dich.«

Hier und da kam es in der DDR zu Streiks in Bezug auf die Normenerhöhung. Die Rädelsführer werden oftmals festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Und größtenteils auch bald wieder freigelassen, nachdem sich alles wieder beruhigt hatte. Aber die Beruhigung war nur kurzfristig. Zufrieden waren die Arbeiter natürlich trotzdem nicht.

Am 5. März 1953 starb dann auch noch Stalin nach einem ordentlichen Saufgelage auf seiner Datscha. Die Führungsriege in der Sowjetunion wechselte und auf der ganzen Welt, aber besonders in den Ostblockstaaten, schaute man, wie die Sowjetunion weiter agieren würde. Würde alles etwas entspannter werden oder nicht? Eine der größten Fragen war: Wie würde sich die neue Führung in Bezug auf die DDR verhalten?
Nun, die neue Führungsspitze hatte ganz klar gesehen, dass das, was die SED in der DDR machte, irgendwie Bullshit war und zitierte eine Delegation der SED-Führungsriege nach Moskau, darunter auch Walter Ulbricht. Denen zog man dann kräftig am Ohr und sagte denen, als würden sie mit einem Lausebengel reden: »Leute, so geht dat nicht. Wollt ihr in zwei Wochen auch noch einen Staat haben?«
Und die SED sagte: »Na ja, aber wenn wir jetzt alles rückgängig machen, sehen wir doch aus wie Deppen, könnten wir da nicht …«
»Macht gefälligst was wir euch sagen.«
»Okay.«

Die SED nahm also ein paar Maßnahmen zurück, was dazu führte, dass die Bevölkerung den Eindruck hatte, die Regierung weiß nicht so recht, was sie tut. Kommt schon irgendwie doof rüber, wenn die Partei, von der im Lied »Die Partei hat immer recht« gesungen wird, plötzlich Fehler eingesteht.
Man machte also einige der Sachen, die man im Jahr zuvor für den planmäßigen Aufbau des Sozialismus beschlossen hatte, rückgängig. Nur nicht die Normenänderungen. Und das kam gar nicht gut an. Immer lauter wurden die Stimmen, die Kritik an der Regierung äußerten. Hier und da wurden schon mal freie und geheime Neuwahlen gefordert oder Rücktritt der Partei-Führung. Die SED steckte aber lieber die Finger in die Ohren und machte »Mimimimi…«

Am Samstag vor dem 17. Juni fand eine gesellige Dampferfahrt von Bauarbeitern aus Ost-Berlin statt, auf der – wie man sich vielleicht vorstellen kann – das ein oder andere alkoholische Getränk zu sich genommen wurde. Und da Alkohol es irgendwie mit sich bringt, dass man da schon mal mehr quatscht als sonst, wurde ausgiebig über die Normenerhöhung gesprochen, die erst kurz zuvor noch einmal bekräftigt wurde. Und dann wurde auch mal auf die Tische gekletter und beschlossen, dass man am kommenden Montag, den 15. Juni, streiken würde.
Am Sonntag erschien dann auch noch ein Artikel in der Zeitung »Neues Deutschland«, eigentlich das Parteiorgan der SED, der ungewöhnlich kritisch mit der Partei war. Durch die Blume wurde da mitgeteilt: »Also wat der Walter Ulbricht macht, is ja ooch eher so mit’m Holzhammer, wa?«
Die Arbeiter fühlten sich also eher bestätigt und bestärkt.
Am Montag wurde dann auf einigen Baustellen in Berlin tatsächlich gestreikt. Die Arbeiter wollten eine Rücknahme der Normenerhöhung, die ihnen vom Gewerkschaftsbund FDGB »freiwillig« übergeholfen wurde. Man hoffte, dass sich der FDGB dann auch irgendwie dazu äußern würde, im Sinne von »Ja, war jetzt nicht die beste Idee«. Tatsächlich kam am nächsten Tag in einer Zeitung auch eine Stellungnahme des stellvertretenden FDGB-Vorsitzenden Otto Lehmann, allerdings sagte er sinngemäß: »Die Normenerhöhung ist doch voll super!«
Die Arbeiter fanden sich dann also von jemandem, der eigentlich auf Seiten der Arbeiter sein sollte, ein wenig verarscht und hatten das Gefühl, dass da nur die Linie der Regierung propagiert werden sollte. Auch das kam der Stimmung nicht unbedingt zugute.
Obendrein bereichtete der West-Berliner Radiosender RIAS über die Vorgänge im Ostteil der Stadt, wodurch viel mehr Leute in der DDR hörten, was in der Hauptstadt passierte. Eigentlich sollte man in der DDR ja keine West-Sender hören, weil ja im Grunde alles, was irgendwie aus dem Westen kam, »faschistoid« sein sollte, aber komischerweise machen Leute nicht immer das, was ihnen leicht diktatorische Regime so sagen.
Die DDR-Regierung, die schon ihre Felle davonschwimmen sah, gab auch noch eine Erklärung heraus, die ungefähr lautete »Okay, das mit der Normenerhöhung war eine bescheuerte Idee, aber ihr solltet echt nicht auf irgendwelche westlichen Provokateure hören, die da irgendeinen Scheiß erzählen.«
»Wat für westliche Provokateure?«
»Na, die die… äh, da so böse Dinge gegen uns sagen.«
»Aber ihr habt doch den ganzen Mist mit der Normenerhöhung und so beschlossen…«
»Seid ihr etwa westliche Provokateure?«

Am Dienstag dem 16. Juni weiteten sich die Streiks in Ost-Berlin aus. Mittlerweile wurde nicht mehr nur in Bezug auf die Normenerhöhungen demonstriert, sondern auch zunehmend für politische Forderungen, wie z.B. die Senkung der Lebenshaltungskosten und freie Wahlen. Aus den paar Arbeitern, die streikten, waren mittlerweile Massen geworden und die Volkspolizei hatte Mühe, alles irgendwie im Zaum zu halten. Der Programmdirektor des Radiosenders RIAS aus West-Berlin rief in einem Kommentar noch zusätzlich die Ost-Berliner Bevölkerung dazu auf, sich an den Protesten zu beteiligen.
Die DDR-Führung saß abends noch im Friedrichstadtpalast zusammen und ging gar nicht weiter auf die Ereignisse des Tages ein. »Ach, wird schon«, war so ziemlich die Auffassung.

Am 17. Juni waren dann einige sowjetische Panzer auf dem Weg nach Berlin, weil man da die Panzerdivision in Karlshorst aufstocken wollte. Außerdem waren die Sowjets eh gerade im Manöver, weswegen eine sehr gute Bereitschaft bei deren Streitkräften bestand. Die SED, die mitbekam, dass an dem Tag die Proteste noch einmal eine ganz neue Größenordnung annehmen würden, wurde mittlerweile doch etwas nervös. Ulbricht und Konsorten besprachen sich mit der Besatzungsmacht, ob man vielleicht irgendwie gegen die Leute vorgehen sollte, die da protestierten, aber erstmal hielten sich die Sowjets zurück.
In der Zeitung »Neues Deutschland«, dem Zentralorgan der SED, wurde der Beschluss der SED publiziert, dass die Normerhöhungen zurückgenommen werden. Die Schuld für die Ereignisse des Vortages gab man allerdings nicht sich selbst, sondern West-Berlin, weil man offenbar nicht erkannte, dass es bei den Protesten auf der Straße nicht mehr nur um die Normenerhöhungen ging.
In den Morgenstunden liefen bei der SED, der Staatssicherheit, der Polizei und den Sowjets allerdings die Leitungen heiß, weil immer mehr Meldungen aus dem ganzen Land eintrafen, in denen über Arbeitsniederlegungen, Streiks, und Demonstrationen berichtet wurde.
In ganz Ostdeutschland nahmen die Demonstrationen eine Größe an, dass die Polizei kaum in der Lage war, die Demonstrierenden irgendwie aufzuhalten. In mehreren Städten wurden Haftanstalten, Polizeidienststellen, Stadtverwaltungen und Einrichtungen der Staatssicherheit gestürmt und Häftlinge befreit. Interessanterweise passierte all dies spontan. Es gab keine zentrale Stelle, die alles irgendwie koordinierte. Die Arbeiter in den Städten und Industrieregionen hatten halt einfach die Schnauze voll. So kam es zu Protesten in Halle, Magdeburg, Leipzig und Dresden. Heute geht man davon aus, dass zwischen 400.000 bis 1,5 Millionen Menschen an den Protesten beteiligt waren.
Da die DDR-Einsatzkräfte offensichtlich völlig überfordert waren und sich die SED-Führungsriege bei den Sowjets in Karlshorst versteckte, sagten die Sowjets irgendwann: »So, jetzt reicht’s. Dann sorgen wir eben für Ordnung!«
Die Besatzungsmacht rief den Ausnahmezustand aus und ab 13 Uhr galt in der DDR das Kriegsrecht. Im Grunde hatte die Sowjetunion somit in der DDR wieder die Regierungsgewalt übernommen.
Und weil man möglichst schnell Ruhe im Karton wollte, schickte man die Panzer los, die glücklicherweise alle schon kampfbereit waren.
Die Demonstranten sahen die Panzer und reagierten entsprechend.
»Also so’m Polizisten kann ich ja mal eins auf die Fresse geben, aber wat soll ick’n bei nem Panzer machen? Hm, ick könnte mich jetzt vom Panzer überrollen lassen, aber … vielleicht lieber nicht!«
Etliche der Demonstrationen lösten sich recht schnell wieder auf. Dennoch kam es landesweit immer wieder zu kleineren Aufständen und Angriffen und zu einer erheblichen Verhaftungswelle. Dabei wurde nicht zimperlich vorgegangen. Viele Protestierende wurden verhaften und in den folgenden Tagen vor Standgerichte gezerrt, wo sie zum Tode verurteilt und erschossen wurden. Oder hohe Zuchthausstrafen bekamen. Hier und da fanden in der DDR zwar noch bis in den Juli hinein Streiks und Aufstände statt, aber da konnte man dann schon auf die Erschossenen verweisen und sagen: »Wirklich? Wollt ihr wirklich?«
»Äh, yay, sozialistisches Vaterland!«
»So ist fein.«

Mindestens 55 Todesopfer waren aufgrund des Aufstandes zu beklagen. 1526 Anklagen wurden erhoben. Westdeutschland und die Westmächte, die so überrascht über die Aufstände, wie die DDR-Regierung selbst waren, stellten schnell klar, dass sie damit nichts zu tun hatten. Das hinderte die DDR freilich nicht daran zu behaupten, dass es sich um einen »faschistischen Putsch« handelte, von »bezahlten Provokateuren, vom gekauften Abschaum der Westberliner Unterwelt« und »ein Anschlag auf die Freiheit, ein Anschlag auf die Existenz, auf die Arbeitsplätze, auf die Familien unserer Werktätigen versucht« wurde. Das sind übrigens Original-Zitate.
Anders gesagt: Die DDR-Führung wies alle Verantwortung von sich und machte den Westen verantwortlich.

Walter Ulbricht, der so viel falsch gemacht hatte, dass ihm quasi das Volk entglitten war und eigentlich auf dem besten Weg war, abgesetzt zu werden, ging durch die Maßnahmen der Sowjetunion gestärkt hervor. Die Besatzungsmacht hatte ihm buchstäblich den Arsch gerettet. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass es weiter Unmut in der Bevölkerung gab. Es wagte nur keiner mehr so deutlich zu werden. Standrechtliche Erschießungen sind in der Hinsicht schon irgendwie abschreckend.
In den Folgejahren zog es vor allem viele junge Leute weiter in den Westen. Bis Ulbricht dann 1961 auf die Idee kam, dass man doch das eigene Volk prima einmauern könnte. Er hatte also doch noch einen Weg gefunden, das Volk einzusperren.

Während man im Osten die Aufständischen als Faschisten diffamierte, gedachte man im Westen Deutschlands der Opfer des Aufstandes freilich etwas anders. Fünf Tage nach Ausbruch des Aufstandes benannte West-Berlin die Berliner Straße und die Charlottenburger Chaussee zwischen dem Brandenburger Tor und dem S-Bahnhof Tiergarten in »Straße des 17. Juni« um. Am 4. August 1953 erklärte der Bundestag den 17. Juni zum »Tag der deutschen Einheit« und gesetzlichen Feiertag. Der Bundespräsident erklärte ihn am 11. Juni 1963 zusätzlich zum »Nationalen Gedenktag des deutschen Volkes«. Bis dann die tatsächliche Wiedervereinigung stattfand.
Die Idee hinter dem »Tag der deutschen Einheit« war natürlich, dass man das Gefühl hatte, die Aufständischen hätten darum gekämpft, ein wiedervereinigtes Deutschland zu haben. Was ja nur bedingt stimmt. Aber es hindert einen ja nicht daran, trotzdem daran zu denken, was am 17. Juni und den Tagen drumherum passiert ist.

Neues Buch im Frühjahr 2024: Otto in der Unterwelt

Otto in der Unterwelt

Im Frühjahr 2024 erscheint mein neuer Roman: „Otto in der Unterwelt“.

Und darum geht es:
Einmal Hades und zurück … Bei den Bauarbeiten für einen neuen U-Bahn-Tunnel stoßen Arbeiter auf ein Tor – dem zur allgemeinen Überraschung ein waschechtes Monster entspringt. Aber kann es sich bei dem riesengroßen dreiköpfigen Dackel wirklich um Cerberus aus der griechischen Mythologie handeln … und was hat der in Berlin verloren? Während plötzlich überall auf der Welt Fabelwesen und antike Götter für Chaos sorgen und die Menschheit sich fragt, ob sie mit Christentum und Vatikan möglicherweise auf das falsche Pferd gesetzt hat, will der Musiker Otto nur mit seiner Band groß rauskommen. Doch dann hat seine Freundin einen saublöden Unfall … und für Otto steht fest: Er muss Rike aus der Unterwelt retten! Aber ist das so einfach, wie er es sich vorstellt?

Wie man sich anhand der Beschreibung vielleicht denken kann, ist es eine moderne Fassung der Orpheus-Sage, allerdings mit einem Twist. Neben Göttern, Fabelwesen und religiösen Fragen geht es um Musikschulen, Rockbands, Castingshows und ungesunde Beziehungen in jeder Form. Aber keine Bange, natürlich bleibe ich meinem Stil treu und es wird witzig.

E-Book und Taschenbuch sind mittlerweile vorbestellbar. Ein Hörbuch wird ebenfalls folgen.

Geschichten zum Tag: 25.04. – Die erste Benutzung der Guillotine

Manchmal stoße ich bei meinen Recherchen zu irgendwelchen geschichtlichen Themen auf Dinge, die mich am Kopf kratzen lassen. Ich war bisher immer der Meinung, dass die Guillotine von Joseph-Ignace Guillotin erfunden wurde, nach dem sie dann auch benannt wurde.

Ist gar nicht der Fall.

Sie wurde zwar nach Guillotin benannt, aber der hatte eigentlich nur gesagt, dass die Leute, die zur Todesstrafe verurteilt worden waren, etwas humaner hingerichtet werden sollten. Zur damaligen Zeit gab es nämlich ein paar wirklich appetitliche Hinrichtungsmethoden.

Da wären z.B.:

  • Vierteilen (sprich: Arme und Beine wurden an Pferde gebunden, die dann zogen, was zur Folge hatte, dass … nun, bei dem Namen kann man sich das vielleicht denken)
  • Erhängen (die Leute baumelten herum, röchelten vor sich hin, erleichterten sich noch und generell kein schöner Anblick…)
  • Enthauptung durch das Schwert (Problem: Die Henker verfehlten auch mal das Ziel und trafen Arme oder Torso oder sie brauchten mehrere Anläufe. Bis da dann einer tot ist, braucht es schon einen Moment…)
  • Verbrennen (Besonders beliebt für Ketzer, die angeblich irgendwas gegen die Kirche gesagt hatten…)
  • Kochen (Leute wurden buchstäblich bei lebendigem Leib gekocht. Vermutlich damit sie noch sagen konnten, ob Salz oder Pfeffer fehlte.)
Die eigentliche Maschine wurde von Antoine Louis entworfen und vom deutschen Cembalobauer Tobias Schmidt gebaut. Tatsächlich nannte man sie kurzzeitig sogar »Louisette« oder im Volksmund »Das nationale Rasiermesser«. Eine Weiterentwicklung davon mit vier Klingen und einer Klinge auf der Rückseite vermutlich „Guillotine Mach 3 Turbo“. Für eine noch gründlichere Enthauptung.

Am 25. April 1792  wurde sie zum ersten Mal zur Hinrichtung benutzt. Dummerweise war die Hinrichtung so sauber und so schnell vorbei, dass das Publikum hinterher enttäuscht war und den normalen Galgen wiederhaben wollte. Bekamen sie aber nicht. So effizient war das Töten noch nie und dem Henker, der kurz darauf Leute mit der Guillotine im Akkord entsorgen konnte, kam die Erfindung mehr als gelegen. Sein Beil nutzte sich nicht andauernd ab und er wurde nicht mehr so schnell müde.

Also, in Zukunft daran denken: Die Guillotine ist zwar nach Herrn Guillotin benannt, aber nicht seine Erfindung. Wenn bei „Wer wird Millionär?“ also mal so eine Frage aufkommt, könnt ihr alle glänzen und behaupten: „Nee, dit war Antoine Louis!“. Vielleicht gebt ihr mir ja was vom Gewinn ab. 🙂

Die grauenvolle, wahre Geschichte von Ostern

Pontius Pilatus, Statthalter von Judäa und Samaria, schaute an das Kreuz, an das er den merkwürdigen Mann hatte schlagen lassen, der in letzter Zeit so viel Unruhe gestiftet hatte.
»Können wir ihn mitnehmen?«, fragte Joseph von Arimathia, ein reicher Jude, den Pilatus nicht richtig leiden konnte, weil man nie so richtig wusste, woran man bei ihm war.
»Kommt darauf an«, sagte Pilatus. »Was macht ihr mit dem Leichnam?«
»Ich habe noch eine unbenutzte Grabstätte, in die wir ihn legen wollen.«
»Was genau meinst du mit Grabstätte? Irgendein Erdloch?«
»Nein, schon so richtig eine Höhle, aus dem Stein gehauen mit allem Pipapo und so. Und einen schönen Mühlstein für den Eingang hat das Ding auch.«
»Und das hast du einfach noch so über?«
»Tja, nun …«
Pilatus grübelte. »Du kannst mir versprechen, dass das Ding richtig dicht ist und nicht irgendein Depp die Leiche klaut, damit dann irgendwer hinterher herumrennen kann und sagt, dass der Joschua wieder auferstanden ist?«
»Äh … sicher.«
Pilatus musterte den reichen Mann, der vor ihm duckmäuserte und dabei schief lächelte. Wirklich vertrauen wollte er ihm nicht, andererseits war er damit die Leiche los und niemand von seinen eigenen Leuten musste sich damit beschäftigen.
»Also von mir aus, könnt ihr ihn mitnehmen. Aber wehe, ich muss irgendwann noch einmal irgendwas über den hören. Dann mache ich dich verantwortlich.«
Joseph von Arimathia schluckte. »Okay.«
»Gut«, sagte Pilatus. »Ich muss nämlich nach Bethanien und mich um etwas kümmern. Da ist irgendein Irrer, der die Leute beißt.« Dann schritt er davon.

Joseph nickte ein paar Frauen zu, darunter Maria, die Mutter von Joschua, und dessen Gefährtin Maria Magdalena sowie eine weitere Frau, die auch Maria hieß, da es in der Gegend damals keine tollen Ideen für die Namensgebung gab. Gemeinsam nahmen sie den Leichnam vom Kreuz, wobei vorher ein römischer Zenturio noch mal seinen Speer in die Seite des Leichnams rammte, nur um ganz sicherzugehen, dass der Tote auch wirklich tot war. Maria, also der Mutter von Joschua, entglitten dabei etwas die Gesichtszüge, aber Joseph schob sie schnell weiter, bevor sie vielleicht noch auf den Zenturio losging. Nikodemus, ein Kumpel von Jesus, tauchte kurz darauf auf und hatte in rauhen Mengen Myrrhe und Aloe mitgebracht.
»Wat willste denn damit?«, fragte Joseph.
»Na, Joschua einreiben«, sagte Nikodemus.
»Wat?«
»Das macht man so.«
»Muss das so riechen?«
»Ja. Und wenn wir fertig sind, wickeln wir ihn ein, dann ist das total super und er bleibt frisch.«
»Aber der Geruch bleibt?«
Nikodemus sah in verärgert an. Eine der Frauen, die nicht mitbekommen hatte, was die beiden gesprochen hatten, fragte, was Nikodemus da machte und ob das so riechen müsste.
»Ja doch!«, schrie Nikodemus.
»Schon gut, war doch nur eine Frage.«
Zur Gruft war es nicht weit. Aber so einen Leichnam packt man sich ja nicht eben mal über die Schulter. Schon gar nicht, wenn er mit Myrrhe und Aloe eingecremt ist.
»Hätten wir den nicht hinterher einreiben können?«, fragte Maria Magdalena keuchend, während sie am vorderen Ende das Tuch hob. Joseph nickte ganz entschieden, während er versuchte mit dem Zipfel des Tuches, in dem Joschua lag, nicht lang hinzufallen. Nikodemus hingegen rollte nur mit den Augen und schlurfte an seiner Ecke des Tuches weiter. Maria, Joschuas Mutter, folgte ihnen und weinte bitterlich.
»Weinst du wegen Joschua oder wegen des Geruchs?«, fragte Joseph und Nikodemus versuchte, ihn zu treten, traf aber nur Luft.
Ganz in der Nähe der Kreuzigungsstätte gab es einen Garten und dort hatte man die Gruft in den Fels gehauen. Als die fünf Gestalten den Berg hinabkamen, waren sie schweißüberströmt.
»Wer hätte gedacht, dass ein Typ, der so wenig isst, gefoltert und gekreuzigt wurde, so viel wiegt, was?«, sagte Nikodemus.
Maria weinte noch mehr und sagte: »Und so riecht!«
In der Höhle gab es so etwas wie einen steinernen Tisch, auf den sie den Leichnam legten. Als sie alle Ecken losgelassen hatten, stöhnte Joschua auf einmal. Alle zuckten zurück.
Maria schrie: »Er lebt noch!«, aber Joseph nahm sie beiseite und erklärte ihr, dass manchmal aus Leichnamen noch die letzte Luft entweicht.
»Schau mal«, sagte Nikodemus, und um es zu beweisen, drückte er dort, wo der Bauch von Joschua war, seine Hand hinein. Der Leichnam stöhnte erneut und Maria heulte auf.
»Jetzt hör auf mit dem Scheiß«, sagte Joseph und sie gingen nach draußen.
Vor dem Eingang stand ein riesiger, runder Stein, der dazu diente, dein Eingang zu verschließen. Nikodemus warf einen Blick darauf und sagte: »Wie sollen wir dat Ding denn bewegen? Hätte es eine Holztür nicht auch getan?«
»Nerv nicht, fass lieber mit an«, sagte Joseph und gemeinsam drückten sie den Stein vor den Eingang.
Nikodemus klopfte sich nach getaner Arbeit den Dreck von den Händen. »Das war ja einfacher als gedacht. Klappe zu, Affe tot, was?«
Daraufhin trat ihn Maria und ging dann mit Joseph und Maria Magdalena weg.

Am Sonntag kam Maria Magdalena zurück zum Grab, um ein paar Blümchen hinzulegen und ein Schwätzchen mit dem Grabstein zu halten, der ihr zwar nicht antworten würde, aber immerhin hätte sie so trotzdem das Gefühl, sie könnte irgendwem ihr Leid klagen. Als sie im Garten und der Beerdigungsstätte ankam, stand die Höhle aber weit offen und der Grabstein war weggerollt. Ein schneller Blick ins Innere zeigte ihr, dass der Leichnam ihres Liebsten weg war. Sie lief zu Petrus und den anderen Jüngern und trat, ohne zu fragen, ein.
»Habt ihr Joschi weggenommen?«
»Wat?«, sagte Petrus. »Wovon sprichst du?«
»Der Joschi ist weg.«
»Wie weg?«
»Na, das Grab ist offen und er ist weg.«
»Kann doch gar nicht sein.«
»Wohle!«
»Das muss ich selber sehen.«
Simon und einer der anderen Jünger gingen hin und sahen, dass die Höhle tatsächlich leer war.
»Dit is ja ein Ding«, sagte Petrus.
»Und was macht ihr jetzt?«, fragte Maria Magdalena.
»Tja, hm«, murmelte Petrus in seinen Bart und starrte den anderen Jünger an, der mitgekommen war. Dann sagten alle beide: »Kann man nüscht machen, wa?«, und gingen wieder nach Hause. Maria Magdalena aber blieb vor dem Grab sitzen und zeigte ihnen beide Mittelfinger.
Verzweifelt, weil ihr Liebster nicht nur tot, sondern auch verschwunden war, weinte sie am Eingang, bis sie plötzlich ein Geräusch aus der Gruft hörte. Als sie hineinschaute, sah sie zwei Engel, die sich stritten.
»Wat machen wir denn jetzt?«, sagte der bärtige Engel auf der linken Seite, während der glattrasierte Engel auf der rechten Seite ihn genervt ansah und mit den Schultern zuckte. »Wenn der wirklich wiedergekommen ist, können wir gar nichts …«
Der Bärtige hörte auf zu reden, als sein Kollege ihm ein Zeichen gab und in Richtung Ausgang nickte, wo Maria Magdalena stand.
»Seid ihr Engel?«, fragte sie und die Engel warfen sich gegenseitig einen Blick zu.
»Wir sind in tausenden Kilometern umkreis die Einzigen, die wirklich reinweiße Kleider anhaben, was meinst du denn?«, sagte der Bärtige.
»Außerdem dachte ich, dass die riesigen Flügel da noch ein Hinweis drauf wären«, sagte der Glattrasierte und zeigte beiläufig mit dem Daumen in Richtung seines Rückens.
Maria Magdalena stürzte auf sie zu. »Habt ihr Joschi genommen? Ist er zum Himmel aufgefahren? Geht es ihm gut?«
»Joschi?«, sagte der Glattrasierte und kicherte.
Der Bärtige wandte sich jedoch an Maria Magdalena und sagte: »Nee, Joschi«, er machte Anführungszeichen mit den Fingerspitzen in der Luft, »geht es nicht gut. Genaugenommen befürchten wir, dass er …«
In dem Moment hörten sie ein tiefes Stöhnen, das vom Eingang her kam. Die beiden Engel sahen an Maria Magdalena vorbei und rissen entsetzt die Augen auf.
»Ach du liebes Lieschen!«, sagte der Bärtige.
Maria Magdalena drehte sich um und sah Joschua in der Tür stehen, der seinen Kopf schiefgelegt hatte und sie mit weiten Augen anstarrte.
»Äh, schön ihre Bekanntschaft gemacht zu haben«, sagte der Glattrasierte, klopfte Maria Magdalena noch einmal aufmunternd auf die Schulter und im nächsten Moment waren die Engel verschwunden.
Aber Maria Magdalena hatte eh nur Augen für ihren Joschua. Sie stürzte auf ihn zu, um ihn zu umarmen, aber der Geruch nach Myrrhe und Aloe schreckte sie doch etwas ab. »Vielleicht sollten wir dich doch erst mal waschen«, meinte sie und zwinkerte ihm zu.
Aber Joschua kam weiter auf sie zu und stieß einen tiefen, kehligen Laut aus. Als er nah genug an ihr dran war, öffnete er seinen Mund und biss ihr in die Schulter.
»Aua!«, schrie Maria Magdalena. »Du weißt doch, dass ich es nicht so grob mag.«
Ein sattes Ächzen kam aus seinem Inneren.
»Sehr gesprächig bist du seit deiner Kreuzigung aber nicht mehr, was? Könntest dich ruhig mal entschuldigen.«
Daraufhin biss Joschua sie erneut und Maria Magdalena kämpfte, um sich aus seinem Griff zu befreien. Sie schubste ihn gegen die Steinbank, auf den sie seinen Leichnam gelegt hatten, was ihn für einen Moment aus dem Gleichgewicht brachte, sodass sie aus dem Eingang rennen konnte.
»Spinnst du jetzt total?«, rief sie, aber Joschua stöhnte nur und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. Als das Sonnenlicht auf seine Hände fiel, sah man in ihren Schatten ein wenig Licht, dass durch die Wunden der Kreuzigung fiel.
Joschua fletschte die Zähne und Maria Magdalena hielt sich die Bisswunden auf der Schulter und machte dann, dass sie wegkam.

Petrus und die anderen Jünger hatten sich wieder in Petrus’ Heim versteckt, weil sie sich lieber nicht mit den anderen Juden, die Joschua hatten kreuzigen lassen, anlegen wollten, aber Maria Magdalena, die wusste wo sie waren, stolperte erschöpft zur Tür hinein, aus den Wunden an ihrer Schulter blutend.
»Joschua ist zurück!«, sagte sie und brach zusammen.
»Was?«, fragte Petrus. »Der Herr ist wiederauferstanden?«
»Weiß nicht …«, stöhnte Maria Magdalena, » … ob man das so … nennen kann.«
Ein paar Jünger halfen ihr auf und sahen sich ihre Wunden an.
»Was ist denn da passiert?«
»Er hat mich gebissen«, sagte sie.
»Na, das ist ja auch keine Art.«
»Eben.«
Aber noch während sie da saßen und sich um Maria Magdalena kümmerten, ging die Tür erneut auf und Joschua stand, einen tiefen Laut ausstoßend, darin.
»Josch, altes Haus!«, rief Petrus, aber Joschua antwortete nur mit einem weiteren gutturalen Geräusch.
Die Jünger sahen sich stirnrunzelnd an.
»Könntest du dich vielleicht etwas klarer ausdrücken?«, fragte Petrus und Joschua stöhnte erneut. »Bursche, zuerst hast du immer in Gleichnissen gesprochen, die kein Schwein verstanden hat, und jetzt nuschelst du so.«
Einer der anderen Jünger, Thomas, ging auf Joschua zu, aber als er ihm zu nahe kam, beugte sich Joschua vor und biss auch ihm in die Stelle zwischen Hals und Schulter.
Daraufhin sagte Thomas: »Aaaaaaaaah!«
»Was habe ich gesagt?«, brachte Maria Magdalena schwach hervor.
»Geht’s dir gut«, fragten die Jünger, die sich um sie kümmerten, aber sie schüttelte schwach den Kopf.
»Ich glaube, ich sterbe.«
»Aber wieso?«
»Weil ich danach in der Bibel nicht mehr vorkomme.«
»Ach so, ja, das ist einleuchtend.«
Daraufhin fiel sie kraftlos hintenüber und starb.
»Josch«, sagte Petrus, »ganz ruhig, man kann doch über alles reden.«
Aber Joschua stöhnte nur erneut.
Kurz darauf erhob sich Maria Magdalena mit weit aufgerissenen Augen und biss einen der Jünger, der noch neben ihr gestanden hatte, in den Oberarm.
»Aaaaaah, du blöde Kuh!«, sagte der Jünger und ohrfeigte sie. »Das Hemd war brandneu!«
»Christentum!«, ächzte Maria Magdalena und erhob sich, um gleich auf den nächsten Jünger loszugehen, der neben ihr stand. Ihn erwischte sie richtig am Hals und biss ein ganzes Stück heraus, woraufhin der Jünger zuckend zusammenbrach und alles vollblutete, weswegen sich die anderen Jünger vorsichtshalber die Hand vor den Mund hielten.
Joschua hatte Petrus fast erreicht, der entsetzt davon war, was in seinem Haus vor sich ging. Er versuchte Joschua, der nun vor ihm stand, mit den Händen abzuwehren, aber Joschua gelang es einen der Finger von Petrus abzubeißen.
Petrus schrie vor Schmerz und anschließend die anderen Jünger an, dass sie sich in Sicherheit bringen sollten.

Gemeinsam flohen die verbliebenden Jünger zum See Tiberias auf das Fischerboot von Petrus. Einige von ihnen hatten Blessuren, die sie notdürftig behandelten. Petrus hatte den Stumpf seines Fingers umwickelt.
»Das Wiedersehen mit Josch hatte ich mir etwas anders vorgestellt«, sagte er und die anderen Jünger nickten.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragten sie.
»Am besten wir bleiben draußen auf See, wo die nicht zu uns kommen können«, sagte Petrus, aber einer der anderen Jünger warf ein, dass Joschua schon einmal auf dem Wasser gewandelt war.
»Ja, scheiße auch, hast du eine bessere Idee?«, sagte Petrus und daraufhin schwiegen alle.
Am nächsten Morgen warfen sie die Netze aus, um ein paar Fische zu fangen und sich versorgen zu können. Am Ufer in der Ferne sahen sie eine einsame Gestalt.
»Meinst du, dass das Joschua ist?«, fragten sie Petrus.
»Wenn es so ist, dann bin ich jedenfalls froh, dass wir rausgefahren sind.«
In diesem Moment zuckten die Fischernetze.
»Oh, ich glaube, da haben wir was Großes im Netz«, sagte einer der Jünger, der begann das Netz einzuholen. Aber als er ein paar Meter davon aus dem Wasser gezogen hatte, erblickte er das verzerrte Gesicht von Maria Magdalena, die ihn mit starren, weiten Augen ansah und dann nach ihm Griff.
»Jungs, Hilfe!«, konnte der Jünger noch schreien, aber Maria Magdalena hatte sein Bein gegriffen und biss beherzt hinein.
Auf der anderen Seite des Bootes, beim anderen Netz, zuckte es ebenfalls. Verwundert mussten die Jünger, die gerade nicht gegen Maria Magdalena kämpften, feststellen, dass ihr Boot in Richtung Strand gezogen wurde. Voller Panik nahmen alle irgendwas in die Hand, was sie gegebenenfalls als Waffe würden benutzen können, aber keiner wusste richtig, was er tun konnte. Außerdem war das Stöhnen des Worts »Christentum« von Maria Magdalena äußerst nervig.
»Kann der vielleicht mal irgendwer den Kopf einschlagen?«, sagte Petrus und einer der Jünger tat wie ihm geheißen.
Daraufhin blieb Maria Magdalena still liegen und rührte sich nicht mehr.
»Oh, das ist ja praktisch. So können wir sie also besiegen«, sagte Petrus.

Sie hatten mittlerweile das Ufer fast erreicht. Zwei ihrer ehemaligen Mitjünger kamen langsam mit dem Netz aus dem Wasser gelaufen, mit dem sie das Boot gezogen hatten. Joschua stand am Strand, hatte die Arme ausgestreckt und stöhnte.
»Ja, das ist Josch«, sagte Petrus. »Man kann sogar die Löcher in den Händen von der Kreuzigung sehen. Wirklich eklig, wenn man mal drüber nachdenkt.«
Und die anderen Jünger nickten und sagten: »Und was machen wir jetzt?«
»Fliehen scheint eine angemessene Option, meint ihr nicht?«
Und alle sahen sich an, nickten und stimmten ihm zu.
Als das Boot auf Grund lief, sprangen sie herab. Ihren Freund, der von Maria Magdalena gebissen worden war, ließen sie zurück.
»Ey!«, rief er, aber die anderen Jünger schrien zurück: »Na ja, wat sollen wir denn machen, hätten wir dich tragen sollen?«, woraufhin der Jünger sagte: »Ja, natürlich!«, und die anderen Jünger riefen: »Aber dein Bein ist eklig.«, und er ihnen den erhobenen Mittelfinger zeigte.
Sie kletterten eine Hügelkette hinauf, in der Hoffnung, dass der Platz zum Rasten einfacher zu verteidigen wäre.
Die Hand von Petrus schmerzte, weswegen er öfter das Gesicht verzog und stöhnte.
»Geht’s dir gut?«, fragten einige der Jünger.
Und Petrus sagte: »Mir fehlt ein Finger, wie soll es mir schon gehen.«
Aber schon bald tauchte Joschua und die anderen Jünger auf, die gebissen worden waren. Auch der Jünger vom Boot, mit dem angebissenen Bein, war dabei, die Hand noch immer samt Mittelfinger erhoben. Das Stöhnen von Joschuas Untoten hallte den Berg hinauf. »CHRISTENTUM!«
Die Jünger auf dem Berg aber sagten: »Och, verdammt.«
Es kam zum Kampf. Es wurde getreten, gehauen und gebissen. Petrus gelang es, Joschua zu greifen und den Berg hinabzustoßen. Als er mit dem Kopf zuerst auf dem Boden aufschlug, blieb er liegen und rührte sich nicht mehr. Daraufhin gelang es den anderen Jüngern auch, ihre früheren Brüder zu überwältigen und ebenfalls in die Tiefe zu schubsen.
Außer Atem und fast am Ende ihrer Kräfte, fielen die Überlebenden auf den Gipfel des Berges.
»Meine Güte, wie wollen wir das den Leuten erklären?«, fragte einer.
»Wir sagen einfach«, antwortete Petrus, »dass Jesus wiederauferstanden und dann zum Himmel gefahren ist.«
»Und das soll irgendwer glauben?«
»Na meinst du, dass es besser ist, wenn wir erzählen, dass er wiederauferstanden ist und dann anfing alle Leute zu beißen?«
Da mussten die Jünger zustimmend nicken.
»Wir sollten noch die Leichen irgendwo verscharren, nicht dass die noch irgendwer findet«, sagte Petrus. »Sonst klappt das mit der Story wohl kaum.«
Also verbuddelten die Jünger Joschua und ihre gefallenen Brüder und gingen nach Hause, in der Hoffnung, dass nie wieder davon die Rede sein würde.

In der Nacht, als alle im Haus von Petrus schliefen, schlurfte dieser über den Holzboden. Er kam nicht richtig zur Ruhe, denn seine Hand oder genauer gesagt der abgebissene Finger schmerzte ihn sehr. Als einer der Jünger mitbekam, dass Petrus nicht schlafen konnte, wollte er ihm Gesellschaft leisten.
»Na, Petrus, was treibst du dich noch herum.«
Petrus drehte sich um und starrte ihn mit weiten Augen an. »CHRISTENTUM!«, stöhnte er und fiel über seinen Freund her.

Petrus und seine Leute zogen daraufhin durch die Lande und bissen, wen sie so vor den Mund bekamen. So breitete sich das Christentum langsam im Mittelmeerraum aus.

Frohe Ostern!

Von Roald Dahl und Zensur

Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass der britische Verlag Puffin Books Neuauflagen der Bücher von Roald Dahl herausgibt. Es wurde auch bekannt, dass es darin Änderungen geben wird, die von sogenannten »Sensitivity Readern« vorgenommen wurden, also Leuten, die Texte darauf abklopfen, ob sie irgendwie verletzend sein könnten, sei es für Leute mit bestimmter Hautfarbe, bestimmten körperlichen Einschränkungen oder sonstigen Merkmalen, die durch Sprache irgendwie unterdrückt werden könnten. Der Verlag schreibt in die Bücher folgenden Text: »Die wundervollen Worte von Roald Dahl können sie in verschiedene Welten transportieren und ihnen die fantastischsten Charaktere vorstellen. Dieses Buch wurde vor vielen Jahren geschrieben und wir überprüfen regelmäßig die Sprache, um sicherzustellen, dass es weiterhin von allen heutzutage genossen werden kann.«
Wie die Zeitungen vermelden, besteht dieses »Überprüfen der Sprache« darin, ganze Passagen zu streichen und zum Teil völlig andere Worte zu benutzen.

Nun möchte ich vorausschicken: Roald Dahl war kein sonderlich netter Mensch. Er war Antisemit, Rassist und auch ansonsten wohl nicht sehr einfach. Es geht also nicht darum, den Menschen irgendwie zu verteidigen. Ich bin weiterhin der Meinung, dass Sprache selbstverständlich verletzend sein kann. Ich glaube nicht, dass man heutzutage noch das N-Wort oder das E-Wort benutzen sollte. Ich glaube ebenfalls nicht, dass man, wenn man heute Kinderbücher schreibt, veraltete Sichtweisen oder irgendwie verletzende Dinge kolportieren sollte. Alles klar soweit? Gut.

WAS ZUM TEUFEL STIMMT MIT DEN LEUTEN NICHT?

Okay, ganz ruhig … erstmal muss ich etwas erklären.
Roald Dahl hat mehrere sehr bekannte Kinderbücher geschrieben, u.a. »Matilda«, »Charlie und die Schokoladenfabrik«, »Hexen hexen«, »Der fantastische Mr. Fox« & »James und der Riesenpfirsich«. Er hat auch Erwachsenenbücher geschrieben, die z.T. schon in Horror oder Erotik abgleiten. Aber um die geht es dabei weniger. Es geht um die Kinderbücher, bei denen z.B. beschreibende Worte wie »schwarz« bei gruseligen Traktoren gestrichen werden, weil man wohl mit dem Wort »schwarz« keine negativen Assoziationen verbinden soll. Aus »der verrückte Prinz« wird schon mal nur »der Prinz«. Aus »enorm fett« wird einfach nur »enorm«. Aus ein paar »schauderhaften Vetteln« werden »schauderhafte Tanten«. Aus »Selbst wenn sie als Kassiererin im Supermarkt arbeitet oder Briefe für einen Geschäftsmann schreibt« wird »Selbst wenn sie als Top-Wissenschaftlerin arbeitet oder ein Geschäft leitet«. Aus »wundervollen Eltern« wird »eine wundervolle Familie«.
Generell werden Adjektive, die irgendwelche Dinge oder Personen näher beschreiben, weggestrichen. Dicke oder fette Personen gibt es nicht mehr. Alles, was irgendwie aufs Geschlecht bezogen ist, wird wohl möglichst neutral gehalten. Ganze Reime werden komplett umgeschrieben, weil daran irgendwas den Lektoren des Verlags nicht passt.

Die britische Zeitung Telegraph hat eine lange Liste der Änderungen abgedruckt, die z.T. wirklich absurd sind.

Und ich finde das wirklich bedenklich.

Die Bücher von Roald Dahl sind z.T. 40, 50 oder 60 Jahre alt. Ja, natürlich wird da Sprache drin verwendet, die in der jeweiligen Zeit okay war und heute nicht mehr. Roald Dahl selbst hat z.T. Änderungen an seinen Büchern gemacht, weil gewisse Dinge irgendwann einfach nicht okay waren. Der wichtige Unterschied ist aber, dass ER, der AUTOR SELBST, diese Änderungen gemacht hat. Jetzt, über 30 Jahre nach dem Tod von Roald Dahl, meinen aber ein Verlag und die Rechteinhaber an den Texten rumpfuschen zu müssen. An den Worten, die wie sie selbst schreiben, so wundervoll sind. Weil man der Meinung ist, dass man die Bücher von damals den Kindern heute so nicht mehr zumuten kann. Da stellt sich mir aber die Frage: Wenn die Bücher sooo schrecklich sind, warum müssen die dann überhaupt gelesen werden? Ist ja nicht so, als gäbe es nicht genug andere Kinderbücher auf der Welt. Oder reicht es nicht, wenn man älteren Büchern ein »Die Sprache ist heute nicht mehr okay, also bitte erklären Sie Ihren Kindern das beim Lesen …« Vorausschickt? Muss man wirklich Eingriffe in den Text selber machen? Eingriffe, denen der Autor so nie zugestimmt hat?

Natürlich verstehe ich, warum Verlag und Rechteinhaber das so machen. Geld. Ganz klar. Man hofft, dass die Kasse klingelt, und hat schon Dollar- (oder in dem Fall Pfund-)Zeichen in den Augen. Aber nur, weil sie die Rechte an den Büchern halten, erteilt ihnen das – zumindest meiner Meinung nach – nicht das Recht, völlig andere Werke daraus zu machen. Bücher, die dann nicht mehr die »wundervollen Worte von Roald Dahl« enthalten, sondern welche von ganz anderen Leuten.

Was mich besonders ärgert, sind die Änderungen, die sinnentstellend sind. Im Buch »Matilda« beispielsweise liest das Mädchen Bücher von Rudyard Kipling und Joseph Conrad. In der bearbeiteten Fassung sind es Bücher von Jane Austen. Sicher, Kipling und Conrad haben sehr kolonialistische Romane geschrieben, aber der wichtige Punkt ist: das waren Abenteuerromane. Bei den Büchern von Jane Austen handelt es sich, so großartig sie auch sind, um Liebesromane. Das kleine Mädchen liest jetzt also statt Abenteuern Liebesgeschichten. Was für eine Aussage soll das denn bitte haben? Mädchen lesen nur Liebesromane? Wie fortschrittlich oder frauenfeindlich ist denn bitte diese Aussage?

Wahrscheinlich wird sich der Verlag damit herausreden, dass Jane Austen bekannter als Kipling oder Conrad ist. Sicher, mag sein, sinnentstellend ist es trotzdem. Und das ist bei weitem nicht die einzige Stelle.

Ein indischer Prinz, der als verrückt bezeichnet wird, ist plötzlich nicht mehr verrückt. Anscheinend kann man keine Leute, die eine andere Hautfarbe als schweinchenrosa haben, mit solchen Worten bedenken. Das könnte ja abwertend gemeint sein. Oder vielleicht stört man sich generell an »verrückt«, denn es kann ja nicht sein, dass man Leute mit psychischen Problemen als derartig beschreibt. Wenn man aber das »verrückt« weglässt, dann … hat man doch einen ganz normalen Typen, oder nicht? Da fehlt doch dann eine Charakterzeichnung, die vermutlich nicht ganz unwichtig ist.

Ich finde es ebenfalls bedenklich, wenn man Worte wie »dick« oder »fett« nicht mehr benutzen kann. Natürlich haben die negative Konnotationen. Ich weiß aber auch nicht, wie sinnvoll es ist, wenn man statt dieser Worte jetzt andere benutzt, bis diese dann ebenfalls als negativ angesehen werden. Für mich sind das in erster Linie Adjektive, die etwas beschreiben. Ich z.B. bin dick. Ich bilde mir ein, dass ich noch nicht fett bin und z.B. den großen Stein, der Indiana Jones in »Jäger des verlorenen Schatzes« hinterherrollt, doubeln könnte, aber ich bin definitiv dick. Und wenn ich sage, dass ich dick bin, dann haben Leute ein ungefähres Bild davon im Kopf, wie ich aussehe. Wenn ich in einer Gruppe stehe und einer erklärt, dass der Sebastian Niedlich der Typ von denen ist, der dick ist, dann weiß man relativ schnell, wer gemeint ist. Und wenn ich jemanden als fett beschreibe, erzeugt auch das ein Bild.

Einige mögen nun einwenden, dass man, wenn man jemanden als dick oder fett bezeichnet, fettphobisch ist oder gar »fat-shaming« beschreibt. Nicht alle Leute können etwas dafür, dass sie dick sind usw. usf. … Ja, alles klar, aber beschreiben muss man solche Personen ja trotzdem, oder? Oder sollen wir in Zukunft einfach jegliche Adjektive ignorieren, weil sich irgendwer an irgendwas stören könnte? Und wo fängt das an, wo hört das auf?

Ähnliche Diskussionen wie diese gibt es ja auch in Deutschland immer wieder. Bei Pippi Langstrumpf hat man aus dem »N….könig« den »Südseekönig« gemacht, weil man halt das N-Wort nicht drin haben wollte. Okay. Schön und gut. Aber die Tatsache, dass da ein Weißer als König eines Volks von Schwarzen fungiert scheint da weniger das Problem zu sein? Wäre es da nicht einfacher, alles so zu lassen, wie es ist, und dem ganzen Text halt voranzuschicken, dass sowohl Sprache als auch Darstellung nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entspricht?
Ebenso bei Mark Twain und seinen Büchern »Tom Sawyer« und »Huckleberry Finn«, bei denen das N-Wort gestrichen wurde. Ist allen Leuten klar, dass die Bücher zur Zeit der Sklaverei in den USA spielen? Wie werden die weißen Plantagenbesitzer da wohl ihre Sklaven genannt haben? Kumpel?

Wie gesagt, bitte nicht falsch verstehen: Ich bin keinesfalls der Meinung, dass man heute noch das N-Wort benutzen sollte. (Und alle AfD-Anhänger, die sich daran aufgeilen das Wort zu sagen, mögen sich bitte irgendwo im Sumpf versenken.) Aber natürlich kommt es auf den Kontext an. Wenn es das Thema fordert, ist der Gebrauch ggf. legitim. Und wenn man versucht, solche Wörter aus Texten zu verbannen, die zu der Zeit entstanden sind und deswegen ein Bild der damaligen Zeit transportieren, dann ist das im besten Fall Geschichtsklitterung und im schlimmsten Fall Beschönigung. Was ich persönlich fast als schlimmer empfinde. Wir müssen nämlich dazu stehen, was für Scheiß wir in der Vergangenheit gemacht haben. Ich kann Kindern auch nicht den Holocaust erklären, in dem ich behaupte, die Nazis hätten damals allen einfach die Lollis weggenommen.

Abschließend möchte ich zu bedenken geben, dass ein Eingriff in Buchtexte im Grunde das Äquivalent zum Übermalen von Bildern ist. Wer also der Meinung ist, es wäre okay, dass Bücher angepasst werden, weil sie nicht mehr zeitgemäß sind, der würde dementsprechend auch okay finden, den Jesus in »Salvator Mundi« von Leonardo Da Vinci etwas mehr nach Palästinenser aussehen zu lassen, weil halt Jesus »im echten Leben« eher nach Naher Osten als Ruhrpott ausgesehen hat. Und Jesus war nun mal nicht weiß, das ist nicht politisch korrekt.
Im Bild »Saturn, der seine Kinder verschlingt« von Goya sollte der Gott vielleicht statt einem blutigen Torso lieber einen Plüschteddybären halten, denn so kann man das ja niemandem zumuten.

Und Rubens Bilder müsste man alle verbrennen, denn da sind ja übergewichtige Frauen drauf. Und gar keine PoC. Oder Transpersonen. Also eigentlich geht das gar nicht.

Beste Grüße,
Sebastian

Jahresrückblick 2019

01. Januar – Im Fernsehen zeigt man wieder, wie auf der ganzen Welt gebifft und gebufft wurde und freut sich darüber, wie man das Geld quasi in die Luft geschossen hat.
Außerdem wird die gleichgeschlechtliche Ehe in Österreich legalisiert. Vermutlich laufen aus irgendwelchen Lautsprechern irgendwelche Songs von ABBA.
 
25. Januar – US.Präsident Donald Trump beendet den »Shutdown« der Bundesregierung. 35 Tage lang hatte man 800 000 Bundesbedienstete in den unbezahlten Zwangsurlaub bzw. die unbezahlte Beschäftigung geschickt, weil Trump gerne das Geld für den Bau seiner Mauer an der Grenze zu Mexiko genehmigt kriegen wollte. Die Demokraten im Land weigern sich allerdings bis zuletzt, diese idiotische Maßnahme zu unterstützen. Trumps Zustimmungswerte sinken noch weiter als zuvor schon. Er ist sich allerdings sicher, dass alles total »great« wird.
 
10. Februar – In Los Angeles werden die Grammys verliehen. Single des Jahres wird »This Is America« von Childish Gambino, die dann auch noch Song des Jahres wird. Man fragt sich, was genau da eigentlich der Unterschied ist.
 
12. Februar – Die Republik Mazedonien benennt sich in Nordmazedonien um, damit die Griechen nicht jedes Mal aus der Haut fahren, wenn über sie gesprochen wird, denn die glauben halt, dass sie immer noch das einzig wahre Mazedonien im Land haben.
 
19. Februar – Karl Lagerfeld stirbt und mehrere Models versuchen vergeblich zu weinen, aber es kommt nichts heraus, weil sie so unterernährt sind, dass der Körper selbst die Tränen zurückhält.
 
24. Februar – Bei der Oscar-Verleihung wird der Film »Green Book« als bester Film ausgezeichnet. Quasi im gleichen Atemzug wird dem Film, der sich gegen Rassismus stark macht, vorgeworfen, rassistisch zu sein, weil einige Leute nicht verstehen, dass es in einem Film zu diesem Thema nicht hauptsächlich um Schwarze gehen muss.
Rami Malek wird außerdem mit Oscar für die besten künstlichen Zähne ausgezeichnet.
 
27. Februar – Donald Trump und Kim Jong-Un treffen sich. Trump faselt irgendwas von »Great« und Kim nickt.
 
10. März – In Äthiopien stürzt eine Boeing 737 MAX 8 ab, alle 157 Menschen an Bord sterben. Es ist bereits der zweite Zwischenfall mit diesem Flugzeugtyp, der daraufhin weltweit Betriebsverbote erhält. Letztlich stellt sich heraus, dass es ein System an Bord gibt, dass ab und an mal herumspinnt und dafür sorgt, dass das Flugzeug quasi automatisch in den Sinkflug geschickt wird, auch wenn die Piloten das Gegenteil möchten. Die Firma Boeing daraufhin: »Ach, na ja, das kleine Fehlerchen …«
 
15. März – Der erste globale Protesttag der »Fridays For Future«-Aktion findet statt. Alleine in Deutschland nehmen rund 300.000 Menschen an den Protesten für eine bessere Klimapolitik teil. Einige Schüler gehen deswegen nicht zur Schule. Das wird auch der größte Aufhänger für die Gegner, die sich in der Folge an Schülern, besonders an Greta Thunberg, abarbeiten müssen, statt mal zu überlegen, ob vielleicht wirklich irgendwas nicht ganz so toll läuft.
 
20. März – Disney übernimmt 21st Century Fox und ist somit einen Schritt weiter zur Weltherrschaft. Aber die Marvel-Fans können sich zumindest freuen, dass in der Zukunft irgendwann auch die X-Men und die Fantastic 4 in der Marvel-Filmreihe auftauchen könnten.
 
29. März – An diesem Tag soll Großbritannien eigentlich aus der EU austreten. Tut es aber nicht.
 
10. April – Wissenschaftler veröffentlichen das erste Foto eines schwarzen Lochs. Entgegen der landläufigen Meinung handelt es sich dabei nicht um ein Foto von Donald Trumps Hirn.
 
11. April – Der Gründer von Wiki-Leaks, Julian Assange, wird festgenommen. Zuvor hatte er sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London gelebt. Jetzt wollte man ihn dort aber nicht mehr, weil er allen immer das Mittagessen geklaut hat.
 
15. April – Die Kathedrale von Notre-Dame in Paris brennt. Im Anschluss werden sich einige Leute darin überbieten, wer am meisten für den Wiederaufbau gespendet hat und ganz viele Leute regen sich darüber auf, ob man das Geld nicht irgendwie für was anderes ausgeben könnte, denn XYZ ist ja viel wichtiger.
 
21. April – Wolodymyr Selenskyj, ukrainischer Schauspieler, Synchronsprecher, Drehbuchautor, Fernsehmoderator, Filmproduzent und ehemaliger Darsteller des ukrainischen Präsidenten in einer Comedy-Sendung, wird zum ukrainischen Präsidenten gewählt. Der größte Witz ist aber, dass ein Gespräch zwischen ihm und Donald Trump zum Amtsenthebungsverfahren von Letzterem führen wird.
 
26. April – »Avengers: Endgame« kommt in die Kinos und wird kurz darauf der finanziell erfolgreichste Film aller Zeiten. Es ist außerdem der Film, bei dem man am Ende sagt: »Also vermutlich reicht es jetzt auch langsam mit den ganzen Superhelden, oder?«
 
30. April – Der japanische Kaiser Akihito gibt seinen Thron auf. Nachfolger wird am nächsten Tag sein Sohn Naruhito, der es doof findet, dass er am freien Tag arbeiten muss.
 
01. Mai – Der thailändische König Maha Vajiralongkorn Bodindradebayavarangkun heiratet drei Tage vor seiner Krönung noch schnell die bürgerliche Frau Suthida Tidjai. Danach nennt er sich Rama X, denn, seien wir ehrlich, das geht einfach besser über die Zunge. Nur knappe drei Monate später macht der König Sineenat Wongvajirapakdi, eine Militärangehörige, zu seiner persönlichen Konkubine, was seine Frau bestimmt total knorke findet. Noch einmal drei Monate darauf, erkennt er ihr den Titel wieder ab, weil sie sich gegenüber seiner Frau und ihm disloyal verhalten hat. Hier einen Sex-Witz ihrer Wahl einfügen!
 
06. Mai – In Großbritannien wird ein Kind geboren. Und nur weil es irgendwie der überholten Adeligkeit angehört, ist das irgendwie würdig in den Nachrichten gezeigt zu werden.
 
17. Mai – Die Süddeutsche Zeitung und das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« veröffentlichen Auszüge aus einem Video, welches den österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechten Partei FPÖ zeigt, wie er zur Korruption neigt. Für die angebliche Nichte eines russischen Oligarchen ist er bereit, die Gesetze zur Parteienfinanzierung zu umgehen und eine verdeckte Übernahme parteiunabhängiger Medien zu veranlassen. Die Regierungskoalition zerbricht und Strache muss der Politik den Rücken kehren.
Außerdem wird in Taiwan die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert, im ersten asiatischen Land überhaupt. Darauf Konfetti und ein Likörchen.
 
18. Mai – Das Finale des Eurovision Song Contests findet statt und man wundert sich, dass das immer noch Leute interessiert.
Außerdem veröffentlicht der YouTuber Rezo ein Video mit dem Titel »Die Zerstörung der CDU«, in der er die Sozial- und Klimapolitik der Regierungsparteien kritisiert. Kurz vor der Europawahl. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer findet es nicht gut, wenn man ihre Partei kritisiert, und fordert im Grunde eine Zensur im Netz. Außerdem produziert die CDU mit dem jungen Abgeordneten Philipp Amthor ein Antwortvideo, dass aber vermutlich so peinlich ist, dass man es dann hinterher doch lieber wegschließt.
 
19. Mai – Die letzte Folge der Serie »Game Of Thrones« läuft und alle Fans der Serie und der Bücher sagen: »Oy vey!«
 
24. Mai – Die britische Premierministerin Theresa May kündigt ihren Rücktritt an. »Wisst ihr was? Die Scheiße mit dem Brexit könnt ihr alleine machen«, ist zwar nicht die wörtliche Aussage, die sie trifft, aber sehr wahrscheinlich denkt sie genau das.
 
27. Mai – US-Präsident Donald Trump ist der erste Staatsgast, der vom neuen Kaiser Japans, Naruhito, empfangen wird. Naruhito daraufhin: »Warum muss es ausgerechnet der Trottel sein?« Vermutlich.
 
02. Juni – Der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke wird von Rechtsextremisten in vor seinem Wohnhaus getötet. Statt öffentlich die Tötung zu verdammen, lassen sich viele AfD-Politiker dazu hinreißen, Äußerungen zu tätigen, die sinngemäß sagen: »Ja, aber die Linken …«
 
09. Juni – In Hongkong beginnen Proteste gegen das » Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen«, welches u. a. Auslieferungen von Häftlingen an die Volksrepublik China ermöglichen soll. Im Grunde will China die rechtliche Grundlage schaffen, um unliebsame Leute möglichst einfach in Organspender oder sonstige nicht-lebendige Lebensformen umzuwandeln. Die zunächst friedlichen Demonstrationen werden recht bald gewaltsam, besonders nachdem die Polizei immer weniger zimperlich mit den Demonstranten umgeht. Aber wenn man Chinas Offizielle fragt, dann ist eigentlich alles total tuffig und super.
 
15. Juni – E-Scooter sind jetzt auf Deutschlands Straßen zugelassen. Das sind diese Dinger für Leute, die zu viel Geld haben, glauben der Umwelt etwas Gutes zu tun und sich trotzdem nicht selber bewegen wollen.
 
18. Juni – Beim Empfang des neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, zittert Bundeskanzlerin Merkel in der Sommerhitze. Ihr haben nur drei Gläser Wasser gefehlt, sagt sie im Anschluss. Im Netz wird heftig diskutiert, wie es wohl um ihre Gesundheit steht und ob sie noch amtsfähig ist. Die Frage hätte man vielleicht lieber vor der letzten Wahl stellen sollen.
 
23. Juni – Ekrem İmamoğlu wird bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul erneut von der Mehrheit der Wähler gewählt. Ein paar Wochen zuvor hatte er bereits die erste Bürgermeisterwahl gewonnen, die allerdings von der Wahlkommission als ungültig gewertet wurde, weil Präsident Erdogan es doof fand, dass nicht der Kandidat seiner Partei gewann. Also ein Vorgang, der schon im Ansatz total demokratisch klingt. Immerhin scheint sich dann ja doch noch der gesunde Menschenverstand durchzusetzen.
 
29. Juni – Nachdem die Kapitänin des Schiffes »Sea-Watch 3«, Carola Rackete, feststellt, dass wirklich ein Notstand an Bord besteht, beschließt sie, entgegen dem Willen der italienischen Regierung in Lampedusa anzulegen. Sie wird gleich darauf festgenommen, aber zumindest sind die Schiffbrüchigen sicher. In Deutschland und Italien wird derweil groß darüber diskutiert, ob man denn Leute aus Seenot retten sollte oder nicht, als ob es da irgendwas zu diskutieren gäbe.
 
03. Juli – Das vorherige Urteil des Landgerichts Gießen gegen die deutsche Fachärztin Kristina Hänel wird aufgehoben. Das Gericht hatte sie verurteilt, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu machen, obwohl sie lediglich darüber informiert hatte, dass sie das eben auch tut. Da das Oberlandesgericht das Urteil zwar aufhebt, aber den Hinweis gibt, dass in dem Fall der umstrittene § 219a StGB Anwendung zu finden hätte, verurteilt das Landgericht Gießen sie im Dezember erneut und alle, die das irgendwie verfolgt haben, Patschen sich die Hand vor die Stirn.
Das passiert übrigens nur, weil irgendein Loser, der nur mit Pseudonym unterwegs ist, systematisch Ärzte wegen Schwangerschaftsabbrüchen verklagt, da er offenbar sonst über keine vernünftigen Hobbys verfügt. Oder einen Lebenspartner, der bzw. die ihn fragen kann, ob er sie noch alle hat.
 
07. Juli – Unter ihrer Kapitänin Megan Rapinoe wird die US-Fußballnationalmannschaft der Frauen erneut Weltmeister. Rapinoe wird außerdem zur Weltfußballerin des Jahres gekürt. In den USA wird aber darauf weniger eingegangen. Dort wird viel mehr darüber diskutiert, dass sie homosexuell ist, weil das für den Sport auch so unglaublich wichtig ist.
 
16. Juli – Ursula von der Leyen wird zur Präsidentin der Europäischen Kommission gewählt. Erneut wird der Beweis erbracht, dass man in der europäischen Politik keinerlei Qualifikation oder Talent braucht, um es weit zu bringen.
 
24. Juli – Boris Johnson wird neuer Premierminister in Großbritannien und verspricht, dass der Brexit am 31. Oktober stattfinden wird. Aber natürlich ist das eine Lüge, wie etwa 95% der Dinge, die aus seinem Mund kommen. Er ist ein weiteres Beispiel dafür, dass man weder Qualifikation noch Talent braucht, um in der Politik weit zu kommen. Und offenbar muss man nicht mal gewählt werden, um Premierminister in Großbritannien zu werden.
 
25. Juli – Im niedersächsischen Lingen wird mit 42,6°C ein neuer deutscher Hitzerekord gemessen. Die Temperatur ist über 2°C höher als der vorherige Rekord von 2015. Ob das vielleicht irgendwas mit dem Klimawandel zu tun haben könnte? Dazu ein durchschnittlicher SUV-Fahrer: »Kann gar nicht sein.«
 
29. Juli – Im Hauptbahnhof von Frankfurt am Main wird ein achtjähriger Junge von einem Mann vor einen einfahrenden Zug gestoßen. Der Mann war geistig verwirrt, aber weil er eine dunkle Hautfarbe hat, wird das für einige Parteien mal wieder ein gefundenes Fressen, um über Ausländer herzuziehen.
 
10. August – Der US-amerikanische Investmentbanker und verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Epstein wird tot in seiner Zelle gefunden. Der Kumpel von US-Präsident Donald Trump, den dieser laut eigenen Aussagen ja überhaupt nicht leiden konnte und praktisch gar nicht kannte, unterhielt einen Sexhandelsring mit Minderjährigen und stirbt ganz zufällig im Knast, als er, der eigentlich ständig unter Beobachtung stehen soll, gerade mal nicht beobachtet wird. Zwei Wachen haben geschlafen und der vorherige Zellengenosse wurde auch vorher vorsichtshalber verlegt. Natürlich war es Selbstmord. Die Möglichkeit, dass da irgendwie was nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, weil er Kontakte in die höchsten Kreise der Macht hatte und eventuell irgendwelche Leute hätte belasten können, ist völlig absurd.
 
22. August – Wissenschaftler geben bekannt, dass zu viel Sitzen die Lebensdauer verkürzt. Schriftsteller weltweit sagen: »Na toll.«
 
21. September – Sigmund Jähn, der erste Deutsche im All, stirbt in Strausberg bei Berlin. Der Held der DDR und Held der Sowjetunion war 1978 mit einer Sojus-Kapsel ins All geflogen. Die »Goldene Henne« hat auch mal gewonnen. Das ist ja auch nicht zu verachten.
 
23. September – Greta Thunberg hält vor der UN eine leidenschaftliche Rede und kritisiert die Klimapolitik der Regierungen. Die sagen: »Jau, hat schon Recht, die Kleine«, und machen dann weiter wie bisher. Um die Welt geht auch ein Video, in dem sie Trump anschaut, als er an ihr vorbeiläuft. Ihr Gesichtsausdruck entspricht dabei so ziemlich dem Gesichtsausdruck von jedem, der mal versucht hat ihm länger als 30 Sekunden genauer zuzuhören.
Gleichzeitig geht die eine der größten und ältesten Reisefirmen der Welt bankrott. Der Fall der Firma Thomas Cook sorgt dafür, dass weltweit rund 600.000 Touristen festsitzen. Komischerweise meint da keiner, dass sie doch mit überfüllten Booten übers Mittelmeer kommen sollen.
 
01. Oktober – Mit einiger Berechtigung kann man jetzt sagen, dass Gott tot ist. Karel Gott, zumindest.
 
09. Oktober – In Halle will ein rechtsextremistischer Volltrottel eine Synagoge zusammenballern, scheitert aber an einer geschlossenen Tür. Dann sagt er »Manno, der Jude ist Schuld!« und ballert zwei andere Leute nieder. Das Ganze überträgt er auch noch live ins Internet. Und falls sich einer das fragt: Ja, der Typ hatte keine Freundin, die ihm hätte sagen können, dass er ein Idiot ist.
 
10. Oktober – Das Nobelpreis-Komitee gibt bekannt, an wen die Literaturnobelpreise für 2018 und 2019 gehen. 2018 hatte man ihn nämlich nicht vergeben, weil eines der Akademie-Mitglieder Frauen sexuell belästigt hatte. Quasi als Entschuldigung gibt man der polnischen Schriftstellerin Olga Tokarczuk den Nobelpreis für dieses Jahr. Für 2019 erhält der Österreicher Peter Handke den Preis und hinterher reden irgendwie alle nur über Handke. Tokarczuk wird irgendwie vergessen.
 
31. Oktober – Beginn der Amtsenthebungsuntersuchung gegen Donald Trump. Es gibt irgendwie eine Batterie von Leuten, die gegen Trump aussagt und meint, dass er da bestimmte Vorteile für sich herausschlagen wollte, was im Grunde einem Verrat des Präsidenten an seinem Staat gleichkommt, aber Trumps Anhänger und er selbst reden nur von »Presidential Harassment«. Vermutlich sind sie nur sauer, weil sie Schwarze nicht mehr mit dem N-Wort bezeichnen und keiner Frau ungefragt in den Schritt fassen dürfen.
 
13. November – Venedig steht unter Wasser. Das ist an sich nicht so ungewöhnlich, denn das passiert durchaus öfter, aber diesem steht es so hoch wie noch nie zuvor. Ob das am Klimawandel liegt? Die Meinung der Venezianer: »Blubb blubb blubb.«
 
20. November – Der britische Prinz Andrew tritt von allen öffentlichen Pflichten zurück und bleibt lieber daheim, wo er sich alte Gemälde mit nackten Kindern drauf anschauen kann. Ein paar Tage zuvor hatte er ein Interview gegeben, welches allgemein als absolutes PR-Desaster bezeichnet wird. Thema darin war seine Freundschaft zu dem Sexualstraftäter Jeffrey Epstein, der Minderjährige sexuell missbraucht hatte. Irgendwie schaffte es Prinz Andrew, nicht ein Wort des Bedauerns auszudrücken. Stattdessen erfuhr die Welt, dass er nicht schwitzen kann. Das ist doch auch was.
 
23. November – Das letzte bekannte Sumatra-Nashorn in Malaysia stirbt. Na, endlich mal eine positive Nachricht im ganzen Jahr, was?
 
29. November – Der Eröffnungstermin für den Flughafen Berlin-Brandenburg, kurz BER, wird bekanntgeben: 31. Oktober 2020. Die gesamte Bevölkerung fasst sich ans Auge und sagt: »Jau, sicher …«
 
03. Dezember – Bei London feiern die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten das 70-jährige Bestehen der NATO. Ein paar der Spitzenleute machen sich dabei über Trump lustig. Warum auch nicht? Der Rest der Welt tut es ja auch.
 
06. Dezember – Der SPD-Bundesparteitag beginnt in Berlin. Ist da nicht irgendwer gewählt worden? Es gibt ein Fleißpünktchen, wenn einer die neue Spitze der SPD mit Namen nennen kann, ohne extra nachschauen zu müssen. Nicht, dass das irgendwen interessiert.
 
12. Dezember – In Großbritannien wird mal wieder gewählt. Aus irgendeinem Grund entscheiden sich die Wähler für einen Mann, der offenbar als Kind zu oft auf den Kopf gefallen ist und den Intellekt einer zurückgebliebenen Kartoffel hat.
 
20. Dezember – Entgegen allen Erwartungen kann man sich in Großbritannien doch mal zu einer Entscheidung durchringen. Das Austrittsabkommen mit der EU wird angenommen. Voraussichtlicher Austritt aus der EU ist nun der 31. Januar 2020.
 
27. Dezember – Der WDR veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite ein Video, in dem ein Kinderchor »Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad« singt. Dabei wird die Oma als alte Umweltsau bezeichnet. Und weil es sonst nichts auf der Welt gibt, über das man sich aufregen könnte, gibt es halt böse Kommentare bis Morddrohungen an die Mitarbeiter des WDR, weil offenbar keiner mehr in der Lage ist Satire einfach mal als das zu nehmen, was sie ist.

Jahresrückblick 2022

Und wieder haben wir ein Jahr hinter uns gebracht. Entgegen der »Prophezeihungen« von berühmten Filmen, fand weder ein »Purge« statt noch verfütterte man im großen Stil Menschen in Form von kleinen Riegeln an andere Menschen. Andererseits muss man sagen, dass es doch das dritte Jahr in Folge war, von dem man mit gewisser Berechtigung sagen kann, dass es »Meh« war.
Dennoch gab es einige bemerkenswerte Dinge, die geschehen sind. Traurige, spannende aber auch lustige Dinge …

01. Januar – Mit der deutlich unter Wert benannten »Regional Comprehensive Economic Partnership« (Regionale umfassende Wirtschaftspartnerschaft) tritt das größte Freihandelsabkommen der Welt in Kraft. Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam, die VR China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland können sich jetzt gegenseitig Tinnef liefern, ohne das irgendwelche Zölle darauf erhoben werden.

04. Januar – China, Frankreich, Großbritannien, die USA und Russland – die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates – geben eine gemeinsame Erklärung heraus, die sinngemäß sagt: »Ey, Nuklearkrieg ist voll blöd und darf niemals passieren, Alter!«
Keine zwei Monate später scheint Russland da irgendwie eine andere Meinung zu haben.

04. Januar – Reality-TV-Sternchen & Influencerin Stephanie Matto, zu dem Zeitpunkt 31 Jahre alt, wird mit dem Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Es stellt sich heraus, dass sie einfach nur »einen Furz quer sitzen hatte«, weil sie andauernd Bohnen und Eier aß. Warum aß sie dauernd Bohnen und Eier? Nun, sie verkaufte ihre Fürze in kleinen Einmachgläsern. Und weil sie damit schon über 200.000$ gemacht hatte, half sie mit ihrer Diät etwas nach. Nach der vermeintlichen Herzattacke hat sie aber versprochen, dass sie damit aufhört.

07. Januar – Die Anzahl der COVID-Fälle weltweit übersteigt die 300 Millionen Grenze. Im Grunde heißt das also, dass im Äquivalent jeder einzelne Einwohner von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Türkei sich mit COVID angesteckt hätte.

10. Januar – Zum ersten Mal verpflanzt man erfolgreich ein Schweineherz in einen Menschen. Aber nicht nur ein normales Schweineherz, sondern ein genetisch verändertes! Bevor der Empfänger David Bennett allerdings Superkräfte entwickeln kann, stirbt er knapp zwei Monate später trotzdem.

15. Januar – Der Hunga Tonga, ein Vulkan im südpazifischen Ozean, bricht aus, als Wasser aus der Umgebung auf das Magma trifft. Die entstehende Explosion ist größer als alle bisher durchgeführten Nuklearwaffen-Tests und es folgt eine Aschewolke, die sich über 470 km ausbreitet. Außerdem gibt es im gesamten Pazifikraum eine Tsunamiwarnung. Auf einer Insel in der Nähe werden alle Häuser bis auf zwei zerstört. Unglaublicherweise kommt es zu lediglich drei Todesfällen im Zusammenhang mit dem Ausbruch.

04. Februar – In Peking werden die Olympischen Winterspiele 2022 eröffnet. Damit ist es die erste Stadt, die sowohl die Sommer- als auch die Winterspiele ausgerichtet hat. Die Spiele werden kontrovers diskutiert, immerhin gibt es immer noch die Covid-Pandemie und außerdem die Verfolgung und Umerziehung der Uiguren. Außerdem wird gemunkelt, dass China von der bevorstehenden Invasion der Ukraine durch die Russen wusste und Putin gebeten hatte, doch bitte bis nach Ende der Olympischen Spiele zu warten. China sagt, dass die Vorwürfe haltlos sind, allerdings sagt China ja auch, dass es den Uiguren total super geht, insofern …

24. Februar – Russland überfällt die Ukraine. Weil die alle Nazis sind, oder so. Sagt Putin. Über das Land mit einem jüdischen Präsidenten. Und weil Putin mit den faschistoiden Strukturen in seinem Land ja so gar nichts mit den Nazis gemeinsam hat. Echt nicht. Der Überfall auf die Ukraine hat auch gar keine irgendwie geartete Ähnlichkeit mit irgendwas, was die Nazis mal gemacht haben. Oder so.

02. März – Der Internationale Strafgerichtshof beginnt mit seinen Ermittlungen bezüglich der Kriegsverbrechen von Russland in der Ukraine. Gerade rechtzeitig, da Russland das Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine angreift und sich die Welt fragt: »Leute, habt ihr schon mal was von Tschernobyl gehört?!«

05. März – Forscher in der Antarktis finden das Schiff »Endurance«, welches auf der berühmten Expedition 1915 von Ernest Shackleton sank. Es werden ein paar hochauflösende 3D-Bilder gemacht, ansonsten aber alles an Ort und Stelle gelassen, weil das Schiff als »geschützter historischer Ort« gilt.

16. März – Das Theater von Mariupol wird per Luftangriff von Russen bombardiert, nachdem die Ukraine dieses als Sicherheitszuflucht für Familien benutzt hatte und in großen Lettern »Kinder« gut sichtbar aus der Luft auf den Vorplatz geschrieben hatte. Es gibt etliche Todesfälle, wobei keiner genaue Zahlen nennen kann. Schätzungen gehen von ein paar Dutzend bis zu 600 Menschenleben aus, die dabei vernichtet wurden. Der internationale Strafgerichtshof macht sich weiter Notizen bezüglich Kriegsverbrechen.

09. April – Die Polizei in Indien muss einen kuriosen Diebstahl bekanntgeben. Im Bundesstaat Bihar wurde eine 18 Meter lange und 500 Tonnen schwere Stahlbrücke gestohlen. Die Täter hätten sich als Beamte eines Bewässerungsprogramms ausgegeben und die Brücke mit Schneidbrennern zerlegt.

14. April – Das kanadische Gesundheitsministerium will einen Link zu den neuesten Corona-Fallzahlen auf Twitter posten. Stattdessen postet man einen Link zu einem, ähm, interessanten Video auf Pornhub. Sowas kann schon mal passieren, wenn man als Azubi im Gesundheitsministerium Langeweile hat.

22. April – Nach drei Jahren Wartung nimmt der Large Hadron Collider wieder seine Arbeit auf und schafft es immer noch nicht, die Welt in einem schwarzen Loch verschwinden zu lassen.

25. April – Die älteste Person der Welt stirbt. Die Japanerin Kane Tanaka wurde im Jahr 1903 geboren, das Jahr, in dem später auch die Wright-Brüder den ersten Motorflug durchführten, die Firma Ford gegründet und die erste Tour de France abgehalten wurden. Kane Tanaka hat somit zwei Weltkriege, die Entwicklung der Luft- und Raumfahrt, des Computers, des Internets und das Aufkommen von Tentakelpornos in Japan mitgemacht.

06. Mai – Ein Ausbruch von Affenpocken beginnt, als man einen Mann in London positiv auf das Virus testet. Bald gibt es auch Fälle in Schweden, Belgien, Portugal, Deutschland, Australien, Frankreich den USA und Kanada. Weltweit denken die Leute »Ach, jetzt geht der Mist schon wieder los …«
Man kriegt den Ausbruch dann aber relativ bald eingedämmt. Durch Impfungen. Verrückt, wie die Natur das macht.

09. Mai – Auf den Philippinen werden »Bongbong« Marcos und Sara Duterte mit überwältigender Mehrheit zu Präsdent bzw. Vize-Präsidenten gewählt. Das Volk findet es total super, wenn man den Sohn eines früheren Diktators, der Menschenrechte verletzte und das Land ausbeutete, und die Tochter des vorherigen Präsidenten, der gerne mal persönlich Leute umbrachte, die ihm irgendwie nicht gefielen, an die Macht bringt.

14. Mai – Beim Eurovision Song Contest 2022 gewinnt »völlig überraschend« die ukrainische Gruppe »Kalush Orchestra« mit dem Song »Stefania«. Mit 439 Punkten durchs Zuschauer-Televoting siegt die Band mit insgesamt 631 Punkten. Könnte sein, dass die Ukrainer da aus irgendeinem Grund die Sympathien auf ihrer Seite hatten …
Der deutsche Beitrag landet weniger überraschend auf dem letzten Platz.

24. Mai – In der US-amerikanischen Stadt Uvalde, Bundesstaat Texas, werden an einer Grundschule mehr als 20 Menschen erschossen. Die Polizei, die zwar vor Ort war, hatte lieber draußen gewartet als irgendwie einzuschreiten, denn wie die Polizisten später sagen: »Der Typ hätte doch schießen können! Das tut doch weh!«
Ein paar Leute, u.a. US-Präsident Biden fragen mal wieder, wann man denn die Waffengesetze verschärft, aber letztlich einigt man sich auf »Eh, Scheiße passiert halt.«
Es war der 27. Amoklauf an einer Schule in den USA in diesem Jahr.

01. Juni – Der türkische Präsident Erdogan gibt bekannt, dass man sein Land doch bitte nicht mehr »Turkey« nennen sollte, sondern »Turkiye«, denn immerhin will man nicht mit einem blöden Federvieh verwechselt werden, welches jedes Jahr zu Thanksgiving bei den Amerikanern auf dem Essensteller landet. Sowas kann man ja auch mal schnell verwechseln.

03. Juni – Der Bundestag stimmt darüber ab, dass man der Bundeswehr ein »Sondervermögen« von 100 Milliarden Euro bereitstellt. Geld um medizinisches Personal zu bezahlen ist aber offenbar nicht vorhanden.

14. Juni – Nach fast fünf Jahrzehnten »Streit« einigen sich Dänemark und Kanada endlich darauf, die Hans-Insel zu teilen. Auf der Insel »tobte« bis dahin der sogenannte »Whisky-Krieg«: Beide Länder beanspruchten die Insel und hissten immer wieder Mal die eigene Flagge, die dann von der anderen Seite heruntergeholt wurde. Dabei wurden jeweils Flaschen mit alkoholischen Getränken zurückgelassen, über die sich die jeweiligen Soldaten sehr gefreut haben. (Genaueres dazu kann man in meinem Buch »Besoffene Elche und gekaufte Päpste« lesen.)

11. Juli – Das erste Bild vom James Webb Telescope, dem Nachfolger des Hubble-Teleskops, wird veröffentlicht. Das Foto des Galaxienhaufens SMACS 0723 zeigt Tausende Galaxien, die zum Teil 13 Milliarden Jahre alt sind und noch die Lockenwickler von der Nacht drin hatten.

19. Juli – Giuseppe Paterno schließt seinen Master in Geschichte und Philosophie an der Uni in Palermo ab. Mit Bestnoten, nachdem er zwei Jahre zuvor schon seinen Bachelor gemacht hatte. Was daran so besonders ist? Giuseppe ist 98 Jahre alt und damit Italiens ältester Student.

31. Juli – Der französische Forscher Etienne Klein postet auf seinem Twitter-Account ein Foto, welches laut seinem Text den Stern Proximal Centauri zeigt. Während einige den Witz des Bildes sofort verstehen, fallen andere darauf herein. Erst später gibt Herr Klein zu, dass das Bild eine Scheibe Chorizo zeigt, eine Art spanischer Salami. Tatsächlich war der Gag auch nicht neu. Das Bild wurde bereits mehrfach im Netz unter ähnlichen Vorgaben geteilt, erstmals 2018 von Jan Castenmiller, aber nur bei Herrn Klein ging das Bild tatsächlich viral.

12. August – Der britische Autor Salman Rushdie wird während einer Lesung von einem Mann mehrmals mit dem Messer attackiert. Der Angriff kommt 33 Jahre, nachdem Ajatollah Chomeini eine Fatwa aussprach, die zur Tötung des Schriftstellers aufrief. Rushdie wird schnell ins Krankenhaus gebracht, verliert allerdings auf einer Seite das Augenlicht und die Nutzung einer Hand.

24. August – In einem Fall von »Vielleicht hätte ich die Reise lieber lassen sollten«, wird ein 36-jähriger italienischer Mann, der von einer Kurzreise nach Spanien zurück nach Hause kehrte, im Krankenhaus positiv auf das Coronavirus, die Affenpocken und HIV getestet.

08. September – Queen Elizabeth II. stirbt im Alter von 96 Jahren, nachdem zwei Tage zuvor Liz Truss zur britischen Premierministerin ernannt wurde. Es kann jeder für sich entscheiden, ob es da einen Zusammenhang gibt.

25. September – In Italien werden Wahlen für beide Parlamentskammern des Landes abgehalten. Wahlsieger werden die Nazis, weil mittlerweile wohl genug Leute weggestorben sind, die noch sagen können, wie scheiße das damals in den 30er/40er-Jahren unter den Nazis war.

26. September – Bei der NASA starren Leute gebannt auf die Bildschirme, als ihre DART-Sonde mit 21.960 km/h auf einen Asteroiden kracht und der Bildschirm dunkel bleibt. Dann jubeln alle, denn entgegen sonstiger Kollisionen war diese durchaus geplant. Man hat so die Flugbahn eines Asteroiden geändert und hofft, dass man das für den Fall, dass so ein Ding mal auf die Erde zufliegt, wiederholen kann und sich nicht auf Bruce Willis und Ben Affleck verlassen muss.

30. September – Augenärztin Dr. Katerina Kurteeva postet ein Video auf Instagram, welches zeigt, wie sie tags zuvor einer Patientin 23 Kontaktlinsen aus einem Auge entfernt, weil die Patientin mal so für einen Monat vergessen hatte, dass man Kontaktlinsen immer rausnehmen sollte. Stattdessen packte sie munter immer weitere Kontaktlinsen drauf. Das recht eklige Video geht viral und hat bald mehrere Millionen Klicks, denn… klar.

25. Oktober – Die britische Premierministerin Liz Truss tritt nach nur 50 Tagen im Amt zurück. In der Zeit hat sie es immerhin geschafft, das Land vor die Wand zu fahren und es zum Ziel des Spotts der Welt zu machen. Der Historiker Dominic Sandbrook urteilt, dass sie »die am wenigsten eindrucksvolle Person, die jemals Premierminister geworden ist« sei. Der Times-Kommentator Matthew Parris meint sogar, sie habe in ihrem politischen Leben »niemals etwas Wichtiges, Interessantes oder Bedachtes gesagt, ihr Sturz sei deshalb nicht unerwartet«.

28. Oktober – Der reichste Mann der Welt kauft einen der beliebtesten Nachrichtendienste der Welt für 44 Milliarden Dollar, weil da mal jemand irgendwas Unschönes über ihn gesagt hat, und das geht ja gar nicht. Ein paar Wochen später, nachdem die halbe Belegschaft entweder rausgeschmissen oder vergrätzt wurde und wahrscheinlich ein paar Dinge passiert sind, die irgendwann noch strafrechtlich behandelt werden müssen, steht das Unternehmen kurz vor dem Aus.

28. Oktober – Am Vorabend der Ausstellung »Mondrian.Evolution« in der NRW-Kunstsammlung stellt die Kunsthistorikerin Susanne Meyer-Büser fest, dass das Bild »New York City 1« von Piet Mondrian seit mehr als 40 Jahren praktisch auf dem Kopf hängt. Das kann schon mal passieren, wenn auf dem Bild nur ein paar Streifen zu sehen sind…

11. November – Ukrainische Streitkräfte befreien die Stadt Cherson, die einzige größere Stadt in der Ukraine, die russische Streitkräfte seit der Beginn der Invasion im Februar einnehmen konnten. Da sind selbst einige Nachrichtensprecher in Russland verwirrt, wie sie darüber berichten sollen.

14. November – Ein Paar Birkenstock-Sandalen, die zuvor Apple-Gründer Steve Jobs gehörten, werden für 200.000 Dollar versteigert. Mal wieder der Beweis, dass Apple-Fans für jeden Quatsch zu viel Geld ausgeben.

15. November – Die Weltbevölkerung erreicht die Größe von 8 Milliarden. Erst vor 11 Jahren waren 7 Milliarden erreicht worden. Die Milliarde davor hatte 12 und die Milliarde davor ebenfalls 12 Jahre gebraucht. Die Masse an Menschen auf der Erde wird vor allem daran festgemacht, dass man die globale Lebenserwartung hochgeschraubt hatte. Trotz Pandemien und Seuchen. Die Kinder- und Müttersterblichkeit ist einfach entschieden zurückgegangen. Dennoch sehen viele der Entwicklung mit Schrecken entgegen, weil nicht klar ist, wann der Punkt erreicht ist, an dem der Planet die Bevölkerung nicht mehr ernähren kann.

16. November – Die NASA startet Artemis 1, den ersten unbemannten Flug seines Space Launch Systems (SLS), der stärksten Rakete, die bisher in den Orbit gebracht wurde. Mit an Bord der Orion-Kapsel, die den Mond umkreisen wird, um dann wieder zurückzukommen: Callisto, ein technisches Gerät entwickelt von Lockheed Martin, Cisco und Amazon, damit die Astronauten, die auf späteren Flügen in der Kapsel zum Mond fliegen sollen, auch da per Sprachsteuerung Tinnef bei Amazon kaufen können.

17. November – Covid-19 feiert dreijährigen Geburtstag! Offiziell sind es über 6,6 Millionen Menschen, die seitdem wegen der Krankheit verstorben sind. Inoffziell sind es wahrscheinlich eher so um die 24 Millionen. Also innerhalb von drei Jahren sind wahrscheinlich einfach mal alle Einwohner von Australien weggestorben.

20. November – In Katar wird die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 eröffnet. Also zumindest die der Herren. Das Land hat ca. 2,7 Millionen Einwohner, wovon aber nur rund 10% tatsächliche Staatsangehörige sind. Bei dem Rest handelt es sich um Gastarbeiter, vor allem Bauarbeiter und/oder Sklaven. So mehr oder weniger.
Zur Fußball-WM werden ca. 1,2 Millionen Besucher erwartet, also deutlich mehr als die paar hunderttausend Staatsangehörige, die u.a. den Radikalislamismus unterstützen und sich einen Dreck um tote Gastarbeiter bei den Bauarbeiten zu Fußballstadien scheren. Aber die Spiele werden total schön, besonders für die Mannschaft von Katar. Zur Halbzeit des Eröffnungsspiels verlässt der Großteil der Zuschauer bereits das Stadion.
Damit ist die Fußball-WM schon das zweite sportliche Großereignis des Jahres, welches in einem menschenrechtsverachtenden Staat stattfindet. Yay!

01. Dezember – Die Toowoomba Grammar School aus Queensland, Australien, postet auf ihrem Instagram-Account die Rückgabe eines schon länger überfälligen Buches. Dr. John Lamb hatte beim Aufräumen in den Habseligkeiten seines Großvaters das Buch »Große Erwartungen« von Charles Dickens entdeckt, welches dieser 1903 von der Schule ausgeliehen hatte. Nach 119 Jahren fand es den Weg zurück in die Bibliothek und ist wohl in ausgezeichnetem Zustand.

05. Dezember – In der National Ignition Facility (NIF) des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien erreicht man den »scientific breakeven« bei der nuklearen Fusion, sprich: Man hat eine Fusion in Gang gebracht, die mehr Energie auswirft, als Energie zum Starten gebraucht wurde. Die Laser, welche den Brennstoff anheizen, brauchen 2 Megajoule, während die Fusion etwas über 3 Megajoule ausgibt. Da kann man schon mal einen Kessel Wasser zum Kochen bringen!
Gut, okay, man hatte vorher die Laser mit 400 Megajoule aufladen müssen, aber das darf man nicht so kleinlich sehen.

26. Dezember – Südkorea hebt das Importverbot für Ganzkörper-Sexpuppen auf. Bisher berief man sich auf ein Gesetz, welches die Einfuhr von Waren untersagte, die »schönen Traditionen und der öffentlichen Moral des Landes schaden«. Ein Gericht sah es aber so, dass man Sexpuppen in der Regel privat nutzt, weswegen das mit der Öffentlichkeit irgendwie nicht passt. Es machen ja nicht alle so wie der FC Seoul, der 2020, zur Hochzeit der Covid-Pandemie, Sexpuppen auf die leeren Plätze gesetzt hatte, damit das nicht so leer aussah.

31. Dezember – In den Morgenstunden verstirbt der emeritierte Papst Benedikt XVI., zwei Tage, nachdem in Brasilien der ehemalige Fußballspieler Pelé gestorben ist, den viele auch als »Gott« bezeichneten. Vermutlich wollte der Papst nicht mehr ohne Gott auf der Welt sein.